JENNYS SEHNSUCHT


Jenny hat Sehnsucht nach einem Mann. Nach einem Mann, der den Mittelpunkt ihres Lebens ausmacht, für den sie da sein kann. Es ist nicht nur der Wunsch nach einer Partnerschaft, es ist auch die Sehnsucht, sich einem Mann ganz zu schenken.

Jenny will in erster Linie die Frau eines Mannes sein. Sie ist emanzipiert, aber ihr gefällt die Vorstellung, ein traditionelles Mann-Frau-Verhältnis zu leben. Es ist ein Rollenspiel, aber eines, das in die Realität hineinragt. Letztlich ist jede Beziehung eine Art Rollenspiel.

Jenny möchte Hausfrau sein. Sie will zu einem Mann ziehen und für ihn den Haushalt machen, während er für sie sorgt. Ihm soll möglichst alles gehören, und er soll sich um die Geldangelegenheiten kümmern. Jenny will eine gewisse Abhängigkeit von ihm spüren. Das erregt sie. Der Mann soll ihr Ernährer sein. Aber auch das ist mehr Spiel.

Jenny will sich nicht aushalten lassen; darum geht es ihr nicht. Sie will arbeiten, aber für den Mann. Wenn er Rentner ist oder wohlhabend, als Hausfrau, wenn er einen Bauernhof bewirtschaftet, als Magd, wenn er eine Firma leitet, als Bürokraft. Sitzt er im Rollstuhl, als Pflegerin. Wegen der Rente und Krankenversicherung will sie sich aber nebenbei unbedingt einen Minijob suchen, wenn die Tätigkeit für ihren Mann einen solchen nicht einschließt.

Jenny mag es, Kleider und Röcke zu tragen. Sie will hübsch sein für ihren Mann. Sie möchte am liebsten anziehen, was ihm an ihr gefällt. Sie mag es, wenn der Mann Lust auf sie bekommt, wenn er sie sieht. Er soll sie im gemeinsamen Heim, wenn sie für sich sind, jederzeit küssen und anfassen dürfen, sie bedrängen, sich von ihr verwöhnen lassen. Er soll nicht fragen müssen.

Jenny braucht aber auch freie Stunden, Zeit für sich. Diese würde sie sich täglich nehmen, um zu lesen, zu schreiben, vielleicht auch wieder eine Laienspielgruppe zu leiten, wie sie es früher getan hat. Hobbys, die nicht viel kosten. Sie ist sehr genügsam, braucht keinen Luxus. Neben einem eigenen kleinen Zimmer im gemeinsamen Heim und einer Art Haushaltsgeld für den Einkauf von Lebensmitteln und Waren des täglichen Bedarfs braucht sie nichts weiter. Vor allem keinen kostspieligen Urlaub in ferne Länder. Was sie aber reizvoll findet, sind die kleinen Aufmerksamkeiten, wie sie ein Mann im klischeehaften Sinne einer Frau zukommen lässt. Sie mal zum Essen ausführen, ein schickes Kleid schenken oder neue halterlose Strümpfe. Damit signalisiert der Mann, dass er sie als Frau wahrnimmt und begehrt.

Jenny muss nicht der ganzen Welt zeigen, dass sie und ihr Mann zusammen sind. Sie muss nicht mit ihm in den Straßen Händchen halten oder in der Öffentlichkeit rumknutschen. Aber innerhalb seines Freundeskreises will sie seine Jenny sein, ganz selbstverständlich seine Frau, und wenn sie zum Beispiel zu einem Abendessen bei Freunden eingeladen sind, will Jenny ein besonders schönes Kleid tragen dürfen.

Jenny hat Sehnsucht nach einem Mann. Irgendwann wird sie ihn finden. Oder vielmehr er sie. Einen wird es schon geben, der sich ein Leben mit ihr vorstellen kann…