JINNY & JAN (H.C. Andersen)


PERSONEN :

Jan, ein Junge

Jinny, ein Mädchen

König Spiegelei I.

Die Prinzessin, seine Tochter

Die Puppenhelga

Trolly, ein Troll

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VORSPIEL Jan. Prinzessin.

Choreographierte Pantomime mit Musik (CPM) : Traum. Jan begegnet der Prinzessin. Sie tanzen.

SZENE 1 Jan. Jinny. FREIES FELD

Hey, wer bist du denn?

Ich bin die Jinny.

Und ich bin der Jan. Aber was liegst du hier neben mir?

Och, ich war müde, und im Dunkeln hielt ich dich für ein kuscheliges Kissen.

Ich ein kuscheliges Kissen? Na hör mal, ich bin ein beinharter Kerl, ein Abenteurer, ein furchtloser Held, dem es überhaupt nichts ausmacht, auf dem härtesten Boden zu liegen.

Na, wenn das so ist, hast du sicher nichts dagegen, wenn ich mich in deine warme weiche Decke kuschle.

He, laß mir auch noch ein Zipfelchen. – Du, willst du wissen, wohin ich gehe?

Du gehst nicht, du liegst.

Ja, aber wenn ich aufstehe und losgehe, dann will ich wo ganz Bestimmtes hin. Willst du wissen, wohin?

Nein.

Ich will in die weite Welt hinaus, um die schöne Prinzessin zu finden, die mir jede Nacht im Traum begegnet. Und wenn ich sie gefunden habe, werde ich sie freien.

Freien? Wieso, ist sie eingesperrt?

Nicht be-freien. Freien. Heiraten, ehelichen, zur Frau nehmen.

Eine Prinzessin? Aber die sind doch so fürchterlich reich.

Eben.

Aber reiche Mädchen sind doch so schrecklich langweilig.

Soll ich vielleicht ein armes Mädchen heiraten?

Klar. Die sind jedenfalls lustiger. Die machen nicht gleich Üh oder Püh, wenn sie sich beim Bäumeraufklettern den Hosenboden dreckig gemacht haben.

Prinzessinnen klettern weder auf Bäume rauf noch tragen sie Hosen.

Oje, dann sind sie ja noch viel viel langweiliger als ich dachte.

Langweilig oder nicht. Meine Prinzessin ist wunderwunderschön, und wenn ich sie gefunden habe, wird sie meine Frau. So.

Warum- Warum heiratest du nicht ein ganz normales Mädchen, so wie-

Na?

So wie mich. zum Beispiel.

Dich? Heiraten? Hahaha! Mit dir würde ich Bäume raufklettern oder um die Wette rennen oder Fangen spielen. Aber heiraten? Dich? Hahaha- Au! Na warte, du.

Fang mich doch, fang mich doch. – Wollen wir wenigstens ein Stück zusammen gehen? Vielleicht kann ich dir sogar dabei helfen, deine schöne Prinzessin zu finden.

Also gut.

CPM : Jinny und Jan wandern und entdecken die Schönheit der Natur.

SZENE 2 Jan. Jinny. Puppenhelga. (Prinzessinpuppe). ANDERES FELD

Uiuiuiui. Ich bin aber auch ein Rindvieh. Was hetze ich mit meinen achtundachtzig Jahren, als ob ich ein Wettrennen gewinnen müßte. Das hab ich nun davon. Ausgerutscht und Bein verstaucht. Und niemand weit und breit, der mir aufhelfen könnte. Uiuiui. Heiderdaus, da hör ich doch Schritte. Hilfe, Hilfe, ich kann nicht mehr aufstehen. Hilfe. – Paß doch auf, du Bengel. Mein Bein.

Tut mir leid.

Hier. das wird Ihnen helfen.

Was ist das? Sonnencreme? Ich will nicht braun werden, sondern wieder gehen können.

Das wird Sie wieder gesundmachen.

Finger weg von meinem Bein. Ruft lieber eine Krankenkutsche.

Sehen Sie mal da oben. Ein fliegendes Pferd.

Wo? – Du Gör, du, du hast mich reingelegt. Na warte. – Heiderdaus, ich kann ja wieder laufen. Und besser als je zuvor. Bist du etwa ein Hexenkind?

Ich? Klar. Das heißt ach woher denn, nicht doch.

Aber Kinder seid ihr doch?

Also ich, ich bin ein beinharter Kerl, ein Abenteurer-

Und Kinder mögen Puppentheater, hab ich recht? Ich bin die Puppenhelga, müßt ihr wissen, und ziehe mit meinem Puppentheater durch die Welt. Und weil ihr mir geholfen habt, will ich euch eine Sondervorstellung geben. Und die anderen Kinder hier dürfen natürlich auch zugucken. Allerdings- Allerdings hab ich nur noch zwei Puppen. Ich bin nämlich ein furchtbar gutherziges Rindvieh, müßt ihr wissen. Überall auf der Welt, wo ich ein trauriges oder krankes Kind antreffe, will ich es trösten und verschenke eine meiner Puppen. Ja, und jetzt sind mir vor lauter Gutherzigkeit fast alle Puppen ausgegangen. Aber den König und die Prinzessin, die habe ich noch.

Eine Prinzessin.

Allerdings. Allerdings ist die Prinzessin schon ein wenig kaputt, müßt ihr wissen.

Darf ich sie mir mal ansehen?

Hier, in dem Sack steckt sie.

Die sieht ja aus wie die Prinzessin meiner Träume. Wenn sie nur nicht so kaputt wäre.

So, gleich ist sie wieder ganz.

Heiderdaus. Die hüpft ja herum wie eine quicklebendige Prinzessin.

Prinzessinnen hüpfen nicht.

Und ob sie hüpfen. Zum Beispiel, wenn sie auf einem Fest mit einem schönen Prinzen das Tanzbein schwingen.

Von schönen Prinzen will ich gar nichts wissen.

Wißt ihr was? Jetzt, wo die Puppe so lebendig wirkt, will ich den Puppenkönig im Sack lassen und selbst die Rolle des Königs spielen. Ihr müßt mir nur eure Decke leihen, als Königsmantel.

Gern.

Toll. Das ist ja fast wie richtiges Theater.

Die Geschichte, die ich euch vorspielen werde, ist keine erfundene, müßt ihr wissen. Alles ist wahr. Der König, er heißt König Spiegelei I. , regiert ein Land, das gar nicht so weit von dem unsrigen entfernt liegt. Ihr müßt nur etwa 33 Stunden Richtung Osten laufen und übermorgen links abbiegen, und schon seit ihr da. Aber Vorsicht, wenn ihr eine Straße überquert. Immer erst nach links und nach rechts schauen, ob nicht gerade eine Kutsche vorbeisaust.

Und auch die Prinzessin gibt es wirklich?

Oja. Leider.

Sie ist es. Die Prinzessin meiner Träume.

Leider? Wieso leider?

Seht euch nur mein Stück an, und ihr werdet es verstehen.

^König Spiegelei I. –

°Tochter, sprich meinen Namen nicht aus. Du weißt doch, daß ich ihn nicht ausstehen kann.

^Deshalb spreche ich ihn ja so gern aus. Spiegelei, Spiegelei.

°Tochter, bitte. Warum quälst du mich so? Warum bist du nur so böse?

^Aber Papa, ich bin doch ein braves Mädchen.

°Braves Mädchen, von wegen. Seit Monaten versuche ich dich mit einem Prinzen zu verheiraten, und was machst du? Du läßt jeden, der bei mir um deine Hand anhält, in einen Kaktus verwandeln.

^Ich finde Kakteen nun mal schöner als Prinzen. Und überhaupt, ich will keinen Prinzen heiraten. Prinzen sind doof. Die interessieren sich nur für Fußball und schnelle Kutschen. Wenn ich mir schon einen Mann nehme, dann muß es ein leidenschaftlicher Kakteensammler sein.

°Tochter, Tochter, was bist du seltsam. Versprich mir wenigstens, daß du den Prinzen, der die Prüfung besteht, die du jedem Bewerber auferlegst, auch wirklich heiratest und nicht in so ein stacheliges Ungetüm verwandeln läßt.

^Die meisten Prinzen, die ich verwandeln ließ, waren schon vorher stachelige Ungetüme. Aber ich verspreche dir, sollte jemals ein Prinz drei Gegenstände erraten, an die ich gerade denke – was aber nie geschehen wird, weil Prinzen viel zu blöde dafür sind – so will ich ihn unverwandelt zu meinem Gemahl nehmen. Bist du nun zufrieden, mein lieber König Spiegelei?

°Tochter, nicht-

Drei Gegenstände, an die die schöne Prinzessin gerade denkt, muß ich richtig erraten, und dann wird sie meine Frau. Das scheint mir keine allzu schwere Prüfung. Auf, Jinny, auf. Auf zum Palast des König Spiegelei.

Aber Jan, du bist doch gar kein Prinz.

Von nun an heiße ich Prinz Jahann der Superkluge.

Jan, warte auf mich.

Weg sind sie. Die Kinder von heute. Müssen immer so hetzen. Bis sie hinfallen und sich das Bein verstauchen. Nicht einmal die Decke haben sie mitgenommen. Na, dann behalt ich sie eben. – Heiderdaus, willst du wohl stehenbleiben? In den Sack mit dir. Na warte, dich krieg ich schon. Ich hab schließlich auch was von dem Zauberwässerchen abbekommen. Du Gör du. Bleib sofort stehen.

SZENE 3 Jinny. Jan. König. KÖNIGLICHES KAKTEENZIMMER

So, liebe Kinder, endlich sind der Jan und ich nach einem schrecklich langen Fußmarsch im Palast des König Spiegelei angekommen. Ich stehe mitten im königlichen Kakteenzimmer, das ist der Raum, in dem der König all die Prinzen aufgestellt hat, die die böse Prinzessin in diese grünen stacheligen Pflanzen verwandeln ließ. Weil dem König Spiegelei immer so fürchterlich langweilig ist, hat er begonnen, die Kakteen zu sammeln und zu ordnen, und mittlerweile hat er seine Sammlung so liebgewonnen, daß er der Prinzessin gar nicht mal so böse ist, wenn er anstelle eines Schwiegersohnes einen neuen Kaktus bekommt. Aber wißt ihr, was mich so richtig interessieren würde? Wer verwandelt die Prinzen? Die Prinzessin selbst? Ist sie ein Hexenkind, so wie ich? Ups, jetzt hab ich mich doch glatt verraten. Naja, ihr habt es bestimmt sowieso schon gemerkt, daß ich eine kleine Hexe bin, so schlau, wie ihr seid. Aber ihr werdet das doch niemanden verraten, oder? Ich bin schließlich eine gute Hexe. Mein Zauber klappt nur, wenn ich damit gute Dinge erreichen will. Prinzen in Kakteen verwandeln kann ich zum Beispiel nicht. Aber Kakteen in Prinzen zurückverwandeln- Nein, jetzt nicht, der Jan will doch die Prinzessin haben, und da wären ihm die anderen Prinzen nur im Weg. Obwohl, wenn ich ehrlich bin, dann will ich gar nicht, daß der Jan die Prinzessin kriegt. Was findet er nur an dieser fiesen Kuh? Nur weil sie so reich ist, und so wunderwunderschön- Bin ich denn nicht auch schön? Warum will der Jan nicht mich? Ich hab ihn doch so sehr lieb und würde gern für immer bei ihm bleiben. Aber darüber lacht er nur und träumt von seiner tollen Prinzessin. Da kommt er, er will sich beim König vorstellen. Habt ihrs bemerkt? Er kann mich weder sehen noch hören. Er denkt, ich warte vor dem Palast auf ihn, aber in Wirklichkeit bin ich ja hier und habe mich unsichtbar gezaubert. Ja, ihr, ihr könnt mich sehen und hören. Auf theaterguckende Kinder wirkt der Zauber nämlich nicht. Aber jetzt ganz leise sein, denn der König kommt. Wollen wir hören, was er meinem Jan zu sagen hat.

Guten Morgen, Prinz von Spanien. Nun, wärt Ihr zu Hause geblieben, dann könntet Ihr den ganzen Tag am Strand Sandburgen bauen. Prinz von Grönland, wie geht es Euch? Sehnt Ihr Euch nach dem ewigen Eis, auf dem Ihr Eure 99 Paar Schlittschuhe ausprobieren könnt? Prinz von Ägypten, wie seid Ihr gewachsen. Warum habt Ihr nur um die Hand meiner Tochter angehalten, wo Ihr doch schon drei Frauen habt. Als ob drei nicht anstrengend genug wären. Und Ihr, Prinz von Syrien- Wo ist denn der Prinz von Syrien? Dort habe ich ihn hingestellt, da bin ich mir hundertprozentig sicher. Seltsam, seltsam. Gut geschlafen, Prinz von-

Von- Von Sachsen.

Gut geschlafen, Prinz von Sachsen? Oh, Ihr habt ja alle Eure Stacheln verloren. – Ein Wunder. Er ist zurückverwandelt.

Verzeiht, König Spiegelei-

Sprecht diesen Namen nicht aus.

Verzeiht, Majestät, ich bin der Ja- Prinz Jahann von Sachsen, und bin gekommen, um mich der Prüfung zu stellen.

Der Prüfung? Mein lieber Prinz, Ihr werdet sicher ein Prachtexemplar von einem Kaktus abgeben, aber zu Eurem eigenen Glück rate ich Euch, so schnell wie möglich in Euer Sachsen zurückzukehren. Glaubt mir, das Dasein eines Kaktus ist nicht gerade das abwechslungsreichste. Hab ich nicht recht, meine Herren? Ach, sie schweigen, wie immer.

Lieber Spiegel- Verzeiht, lieber Schwiegerpapa, macht Euch keine Sorgen, ich werde die Prüfung bestehen. Man nennt mich nicht umsonst Prinz Jahann der superkluge Sachse. Und außerdem bin ich ein beinharter Kerl, ein Abenteurer, ein furchtloser Held, dem es überhaupt nichts ausmacht-

Das haben die anderen Prinzen auch von sich behauptet.

Dennoch will ich mein Glück versuchen.

Na schön. Na schön. Aber wollt Ihr nicht vorher meine Tochter sehen? Vielleicht gefällt sie Euch gar nicht.

Sie ist wunderwunderschön. Ich sehe sie jede Nacht im Traum.

Ach, der Glückliche. Nur nachts im Traum. Ich muß sie Tag und Nacht ertragen. In echt. Im Traum nur deshalb nicht, weil ich vor lauter Gram nicht mehr schlafen kann.

Wann beginnt die Prüfung?

Ich sehe, ich kann Euch nicht von Eurem Vorhaben abbringen. Na schön, vielleicht geschieht ja ein Wunder, und Ihr besteht die Prüfung tatsächlich, und ich bekomme endlich den lang ersehnten Schwiegersohn. Hier, setzt Euch zu den Kindern und wartet, bis meine Tochter Euch holt. Aber falls Ihr es Euch noch anders überlegt-

Ausgeschlossen. Also bis gleich, mein lieber Spiegelei- ei ei.

Ich werde ihn zu den anderen ostdeutschen Prinzen stellen. Der Prinz von Mecklenburg-Vorpommern, der Prinz von Berlin-Brandenburg, der Prinz von Sachsen-Anhalt, der Prinz von Thüringen, der Prinz von Sachsen- Ach, gibt es zwei davon? Seltsam, seltsam.

SZENE 4 Jinny. Prinzessin. Trolly. KAKTEENZIMMERPALAST/TROLLBURG

CPM : Jan schläft ein. Die Prinzessin tritt auf, mit einem Kaktus. Sie stiehlt den Prinzen von Ägypten. Ein Zauber versetzt sie und Jinny in das Innere der Trollburg. Der Troll, der sich nur mit Gesten und Lauten äußert, tritt auf.

Schau mal, Trolly-Schätzchen, was ich dir Schönes mitgebracht habe. Das da ist der Prinz von Syrien, den du vor vierzehn Tagen verzaubert hast. Ist er nicht hübsch geworden? Als Prinz sah er nur halb so gut aus. Und das ist der Prinz von Ägypten. Stell dir vor, gestern war er noch soo ein Stück kleiner. Ja, ordne sie in deine Sammlung ein, mein Süßer. In deiner Trollburg machen die Kakteen sich viel besser als im Palast von meinem Papa. Ach, Trolly, wenn ich nur bei dir bleiben könnte. Du bist lieb, und vor allem kein Prinz, der den ganzen Tag dummes Zeug redet und damit prahlt, was für ein beinharter Kerl er ist, daß seine Lieblingsfußballmannschaft in der ersten Liga spielt, und daß seine Kutsche mehr Pferdestärken drauf hat als alle anderen. Und Papa läßt mir noch immer keine Ruhe mit der Prinzenheiraterei. Dabei hab ich schon längst bemerkt, daß er Kakteen auch viel interessanter findet als diese königlichen Trottel. Doch keine Bange, solange er mich die Prüfung mit ihnen machen läßt, kann kein Prinz mich dir wegnehmen. Heute ist wieder ein neuer Bewerber angekommen und wartet schon im königlichen Kinderaufbewahrungszimmer auf den ersten Teil der Prüfung. Nun, Trolly-Schätzchen, an welchen Gegenstand soll ich diesmal denken? An meinen linken Fuß? An meinen linken Schuh? Ja, das ist gut. Das ist so einfach, daß er das nie erraten wird. So, mein süßer Troll, jetzt zaubere mich wieder in den Palast, und wenn der Prinz versagt hat – die Prinzen versagen immer schon beim ersten Teil der Prüfung, so daß es zu den anderen zwei gar nicht erst kommt – verwandelst du ihn in einen schönen Kaktus und zauberst mich gleich wieder zu dir rauf, damit wir ein wenig feiern können. Bis gleich.

CPM : Der Troll geht ab. Durch einen Zauber befinden sich die Prinzessin und Jinny wieder im Palast. Die Prinzessin geht ab. Jan wacht auf.

SZENE 5 Jinny. Jan. KÖNIGLICHES KAKTEENZIMMER

Jan-

Jinny, was machst du denn hier? Du sollst doch draußen auf dem Palast auf mich warten.

Jan, wenn die Prinzessin dich fragt, an welchen Gegenstand sie gerade denkt, so antworte An Euren königlichen linken Schuh, Prinzessin.

Warum ausgerechnet-

Vertrau mir, Jan. Was sollst du antworten?

An Euren königlichen linken Schuh, Prinzessin.

Nur das, Jan, hörst du, nur das. Versprich es mir.

Ich versprechs dir.

Viel Glück, mein Jan.

Oh, Jinny- Wie ist sie so schnell verschwunden? Ach, die Jinny. Wißt ihr, Kinder, ich hab sie ganz schön lieb, die Jinny. Ja ich hab sie so sehr lieb, daß ich mich gar nicht trau, es ihr zu sagen. Was soll ich der Prinzessin antworten? An Euren königlichen linken Schuh. Warum nicht? Was besseres fällt mir auch nicht ein, und es ist ja ganz gleich, ob ich nun antworte An Euren königlichen linken Schuh oder was weiß ich An Euren rechten Schuh oder An Eure dumme Kuh oder- Aber vielleicht hat die Prinzessin gar keine Kuh, und wenn sie eine hat, ist nicht sicher, ob die Kuh wirklich dumm ist. Da antworte ich doch lieber das, was die Jinny mir vorgesagt hat. An Euren königlichen dummen Fuß. Nein, an euren königlichen rechten Fuß. Quatsch, linken Fuß. Nein, nicht Fuß. Gruß? Mus? Muh? Kuh. Nein, so ähnlich- Schuh- Schuh. Danke Kinder. Ja, das wars, an Euren königlichen linken Schuh. Die Prinzessin kommt, jetzt geht’s los. Mannomann bin ich aufgeregt. Und wie wunderwunderschön sie ist. An Euren königlichen linken Schuh, an Euren königlichen linken Schuh-

SZENE 6 Jan. Jinny. König. Prinzessin. Trolly. KAKTEENZIMMER PALAST/BURG

CPM : Die erste Prüfung. Jan deutet auf den linken Schuh der Prinzessin. Jan und der König freuen sich, die Prinzessin ärgert sich, Jinny ist traurig.

Durch einen Zauber befinden sich die Prinzessin und die unsichtbare Jinny wieder beim Troll. Troll und Prinzessin einigen sich auf die rechte Hand der Prinzessin. Rückkehr in den Palast. Jinny weiht Jan ein.

Die zweite Prüfung. Jan deutet auf die rechte Hand der Prinzessin. Jan und der König freuen sich, die Prinzessin ärgert sich, Jinny ist traurig.

Durch einen Zauber befinden sich die Prinzessin und die unsichtbare Jinny wieder beim Troll. Troll und Prinzessin einigen sich darauf, daß die Antwort des dritten Rätsels der Troll selbst ist. Jinny fängt den Troll in einem Sack. Rückkehr in den Palast. Die Prinzessin geht ab.

SZENE 7 Jan. Jinny. KÖNIGLICHES KAKTEENZIMMER

Ach, Jinny, du glaubst gar nicht, wie glücklich ich bin. Zwei der drei Gegenstände habe ich richtig erraten, und wenn ich den dritten Teil der Prüfung auch noch bestehe, wird die schöne Prinzessin meine Frau. Und du, Jinny, bist es, die mir die richtigen Antworten vorgesagt hat. Sag mir also auch diesmal, was ich antworten soll, und wenn ich die Prüfung bestehen sollte, will ich dir einen Wunsch erfüllen.

Jeden Wunsch?

Jeden.

Ich wünsche mir, daß wir für immer zusammenbleiben.

Naja, weißt du, Jinny, ich fürchte, gerade den Wunsch kann ich dir nicht erfüllen. Ich glaube nicht, daß die Prinzessin, meine Frau, erlauben wird, daß du bei uns bleibst.

Du hast die Prinzessin lieber als mich.

Jinny, weißt du, naja, es ist so, ich meine, tja- (usw. usw.)

Wenn die Prinzessin dich diesmal fragt, an welchen Gegenstand sie gerade denkt, so antworte gar nicht, sondern mach stattdessen diesen Sack auf. Aber nicht eher, verstanden?

Verstanden. Du, Jinny-

Ja?

Also, wenns schiefgehen sollte, und ich als Kaktus ende, machst du mir dann einen Gefallen?

Nein.

Klau mich aus dem Palast und lauf ganz weit weg und behalte mich, ja? So kann ich dir deinen Wunsch erfüllen und wir bleiben für immer zusammen.

Es wird nicht schiefgehen. Du wirst deine Prinzessin bekommen und ich werde ganz weit weg laufen, aber ohne dich. Und wir werden uns nie wiedersehen. Also nimm den Sack und leb wohl.

Jinny-

SZENE 8 Jan. Jinny. König. Prinzessin. Trolly. IM/VOR DEM KAKTEENZIMMER

CPM : Die dritte Prüfung. Jan öffnet den Sack, der Troll kommt heraus. Prinzessin und Troll umarmen sich, Jan und der König sind entsetzt. Jinny dreht durch und zaubert wild herum. Die Kakteen verschwinden.

Troll und Prinzessin fliehen, Jan will hinterher. Er sieht Jinny und ist hin und hergerissen. Schließlich bleibt er stehen. Jinny und Jan gehen aufeinander zu und bleiben im Hintergrund der Szene stehen.

SZENE 9 Jan. Jinny. König. VOR DEM KAKTEENZIMMER

Tochter, wo bist du? In meinem königlichen Kakteenzimmer wimmelt es von unrasierten Männern, und sie stinken, als hätten sie sich Monate lang nicht gewaschen. Tochter, was soll ich bloß machen? Und was noch schlimmer ist, all meine schönen Kakteen sind verschwunden. Tochter. Ach soll sie doch fortbleiben, dann hab ich endlich meine Ruhe. Aber ohne sie und meine Kakteen werde ich mich fürchterlich langweilen. Was soll ich nur machen, Kinder? Ich habs. Ich werde ein völlig neues Leben beginnen. Von nun an nenne ich mich König Rührei I. , das klingt viel schöner als König Spiegelei. Ich werde das königliche Kakteenzimmer in ein königliches Kindertheater umbauen lassen, die Männer waschen und rasieren und mit ihnen ein königliches Clownsstück einstudieren. Und wenn es fertig ist, lade ich euch alle ein. Froh zu sein bedarf es wenig, und wer froh ist, ist ein König- Los, Kinder, das singen wir mal zusammen, im Kanon- Nun wird es aber höchste Zeit, ich muß noch einen Rasierapparat kaufen, bevor die Läden zumachen.

Jinny-

Ja?

Ich hab dich lieb.

Und ich hab dich lieb.

Wollen wir heiraten?

Nein. Aber laß uns für immer zusammenbleiben, ja?

Also gut. Aber was wollen wir den ganzen Tag zusammen machen?

Na, Bäume raufklettern und um die Wette rennen und Fangen spielen. Und uns küssen.

Uns küssen?

Klar. Aber nicht nur so kurz auf die Wange. Auf den Mund und richtig lange.

So?

Das nennst du lange? Paß auf, ich zeig es dir.

SZENE 10 Jan. Jinny. Puppenhelga. (Prinzessinpuppe).

Du Gör, du. Bleib endlich stehen-

NACHSPIEL

CPM : König und Prinzessin vertragen sich wieder. Puppenhelga kommt ohne Puppe zurück. Schlußtanz, bei dem König und Puppenhelga, Jinny und Jan, Prinzessin und Troll zusammen tanzen.

–ENDE–

Anmerkungen der Autorin:

  • Bei diesem Stück handelt es sich um ein Märchen. Es finden sich Elemente darin, die im alten Volksmärchen des öfteren vertreten sind: dreigeteilte Prüfung; König, der seine Tochter verheiraten will; Hexen und Trolle usw. Selbstverständlich machen diese Elemente die Originalität der Geschichte nicht aus, sondern der kreative und teilweise modernisierte Umgang mit ihnen.
  • Das Stück ist in erster Linie eine Spielvorlage und kein literarischer Text. Es wurde auf Regieanweisungen verzichtet, weil sich diese entweder aus dem Zusammenhang erklären oder von der Regie selbst gefunden bzw. ausgebaut werden sollen. Überhaupt wünscht sich die Autorin einen recht freien Umgang mit dem Text. So können viel mehr Mitmachgelegenheiten überlegt werden, als im Text angedeutet sind. Schließlich ist es ein Stück für Kinder, und Kinder wollen am Geschehen aktiv teilhaben.
  • Die Prinzessinpuppe soll von der Prinzessin-Darstellerin gespielt werden. Kleine Veränderungen an Maske und Kostüm und ein marionettenhafter Gang dürften ausreichen, um die Puppe vom Original abzuheben. Das Puppenspiel im Spiel könnte folgend umgesetzt werden: Die Puppenhelga steht neben der Prinzessinpuppe und hat eine Hand auf deren Rücken. Wenn die Puppenhelga den °König spricht, schaut sie ins Publikum und spricht mit verstellter tiefer Stimme. Wenn sie die ^Prinzessin spricht, spricht sie vom Publikum abgewandt und mit verstellter hoher Stimme. Dabei übt sie leichten Druck mit der Hand auf den Rücken der Prinzessin aus. Diese bewegt synchron zum Text den Mund lautlos und macht entsprechende puppenhafte Bewegungen mit den Armen. Wenn der Druck der Hand nachläßt, weiß die Prinzessindarstellerin, daß ihr „Sprech“-Part zuende ist. Erneuter Druck kündigt ihr an, daß sie wieder mit“sprechen“ muß. Findet die Regie eine andere Lösung, ist diese natürlich ebenso zulässig.
  • Auch bei der Umsetzung der choreographierten Pantomimen mit Musik ist der Regie ein großer Freiraum gestattet. Somit begnügt sich die Autorin mit möglichst knappen Informationen zu dem, was inhaltlich für diese Szenen wichtig ist. Die CPM können ausgeschmückt werden, wenn der Grundinhalt nicht verloren geht.