DIE SCHNEEKÖNIGIN (H.C. Andersen)


EINS Teufel. Clown.

Der Teufel versucht auf sich aufmerksam zu machen, der Clown bekommt es erst nicht mit und versucht herauszufinden, woher das Geräusch bzw. die Stimme kommt. Einbeziehen des Publikums. Schließlich entdeckt er den Teufel und erschrickt.

TEUFEL Du, ich habe einen Spiegel gemacht, welcher die Eigenschaft besitzt, dass alles Gute und Schöne, das sich darin spiegelt, fast zu einem Nichts zusammenschrumpft, aber das, was nichts taugt und schlecht ist, noch stärker hervortritt und noch übler wird. Das ist außerordentlich lustig, sag ich dir. Nun kann man endlich sehen, wie die Welt und die Menschen wirklich sind.

Der Clown nimmt den Spiegel und lässt Zuschauer hineinblicken. Er als das Spiegelbild stellt mimisch, gestisch oder verbal die wahre Natur der Leute dar. Schließlich stellt er den Spiegel zurück, stolpert dabei und lässt ihn fallen. Geräusch von zerberstendem Glas.

TEUFEL Hoppla, nun ist der Spiegel in hundert Millionen, Billionen und noch mehr Splitter zersprungen. Einige sind nicht einmal so groß wie ein Sandkorn; diese werden nun in der weiten Welt umherfliegen, und wo jemand sie ins Auge bekommt, da bleiben sie sitzen, und da sehen die Menschen alles verkehrt oder nur das, was an einer Sache schlecht ist. Einige Menschen bekommen sogar eine Spiegelscherbe ins Herz, dann aber wird es ganz grauslich; das Herz wird zu einem Klumpen Eis.

Der Teufel verschwindet lachend, der Clown drückt Panik über sein Missgeschick aus.

ZWEI Clown. Kai. Gerda. Schneekönigin. Großmutter.

Kai und Gerda treten Fangen spielend auf und rennen den Clown fast um.

CLOWN Das sind die Geschwister Kai und Gerda. Sie spielen in ihrem kleinen Garten Fangen. Möchte jemand von euch mitspielen?

Wenn Kinder aus dem Publikum auf die Bühne gehen, spielen Kai und Gerda mit ihnen Fangen.

CLOWN Hinterher setzen sie sich meist in die Laube, um die sich wundervoll duftende Rosen ranken-

Der Clown animiert die Fangen spielenden und weitere Kinder dazu, eine Laube darzustellen, holt eine Rose hervor, riecht an ihr und steckt sie an die „Laube“ dran. Kai und Gerda setzen sich mit einem Bilderbuch unter die Laube und blättern in dem Buch.

CLOWN Im Winter hat dieses Vergnügen ein Ende.

Der Clown nimmt die Rose wieder weg und entlässt die „Laube“ zurück ins Publikum. Kai und Gerda ziehen warme Mäntel, Schals und Mützen an und spielen Schneeballschlacht. Der Clown will mit einem großen weißen Tuch verschneite Landschaft darstellen, verheddert sich aber im Tuch und kämpft damit. Schließlich bleibt er als „Schneehaufen“ liegen. Kai und Gerda hören auf zu spielen und bewundern die nun fallenden Schneeflocken. Der Schneehaufen könnte „größer“ werden. Die Großmutter taucht auf.

GROSSMUTTER Das sind die weißen Bienen, die schwärmen.

KAI Haben sie auch eine Bienenkönigin?

GROSSMUTTER Die haben sie! Sie fliegt dort, wo sie am dichtesten schwärmen! Es ist die größte von allen, und nie bleibt sie ruhig auf der Erde; sie fliegt wieder in die schwarze Wolke hinauf. Manche Winternacht fliegt sie durch die Straßen der Stadt und blickt zu den Fenstern hinein, und dann frieren diese so sonderbar zu und sehen ganz wie Blumen aus.

KAI & GERDA Ja, das haben wir gesehen!

GERDA Kann die Schneekönigin zu uns hereinkommen?

KAI Lass sie nur kommen! dann setze ich sie auf den warmen Ofen und dann schmilzt sie.

GROSSMUTTER Apropos warmer Ofen, wollt ihr nicht hereinkommen und euch aufwärmen, und ich erzähl euch ein schönes Märchen?

Die Großmutter fragt das Publikum, welches Märchen sie erzählen soll. Nach ein paar Vorschlägen entscheidet sie sich für eines und beginnt zu erzählen. Kai und Gerda sind aber inzwischen abgegangen.

GROSSMUTTER Es war einmal- O, wo sind sie hin? Sie werden schon ins Haus gegangen sein. Aber ich wollte das Märchen ja sowieso nicht hier draußen in der Kälte erzählen, sondern am warmen Ofen.

Sie taucht ab. Musik. Der Clown kommt hervor und verwandelt das Tuch in ein Bett, in dem Kai und Gerda schlafen. Dann nimmt er einen Fensterrahmen und hält ihn hoch. Kai wacht auf, geht zum Fenster, steigt auf einen Stuhl, reibt an der „Scheibe“ und schaut durch das Loch. Auf der anderen Seite des Fensters ist die Schneekönigin zu sehen. Sie nickt Kai zu und winkt mit der Hand. Kai erschrickt und springt vom Stuhl herunter. Krach, Musik aus. Die Schneekönigin entfernt sich. Während der Clown spricht, verwandelt sich die Szenerie: Kai und Gerda unter der Laube, die diesmal nur aus der Hand des Clowns mit Rose besteht. Sie blättern im Bilderbuch.

CLOWN Und dann kam der Frühling; die Sonne schien, das Grün guckte hervor, die Schwalben bauten Nester, die Fenster wurden geöffnet, und die Kinder saßen wieder im kleinen Garten in der Rosenrankenlaube.

KAIAu! mich hat was ins Herz gestochen, und ich hab was ins Auge bekommen!

Der Clown macht ein erschrecktes und wissendes Gesicht. (Der Teufel könnte noch mal auftauchen und lachen.) Gerda bemüht sich um Kai, aber der stößt sie unwirsch von sich. Gerda fängt an zu weinen.

KAI Warum weinst Du? – So siehst Du hässlich aus! – Pfui! die Rose dort hat ein Wurm angenagt! Und sieh, diese da ist ganz schief! Im Grunde sind es doch grässliche Rosen!

Kai tritt gegen die Laube – den Clown, der vor Schmerz das Gesicht verzieht – und reißt die Rose aus der Hand und wirft sie auf den Boden.

GERDA Kai,was tust Du?

Sie versucht ihn wieder in die Laube zu ziehen. Er nimmt das Buch und wirft es hin.

KAI Das ist für Kleinkinder!

Kai entfernt sich und beginnt, einzelne Zuschauer auf ihre Fehler aufmerksam zu machen.

CLOWN Und dann kam wieder der Winter-

Der Clown nimmt wieder das weiße Tuch und verheddert sich erneut. Gerda und Kai ziehen wieder die Winterkleidung an.

KAI Ich geh Schlitten fahren.

GERDA Darf ich mit?

KAI Nein! Ich will nicht mehr mit kleinen Mädchen spielen!

Gerda geht traurig ab. Der Clown will pädagogisch auf Kai einwirken, wird von diesem aber auf das weiße Tuch geworfen und zum Schlitten gemacht. Kai setzt sich auf ihn drauf und fährt Schlitten. Er macht Motorgeräusche und animiert das Publikum, die Geräusche mitzumachen. Musik. Die Schneekönigin taucht auf. Sie winkt dem Clown zu, der zurückwinkt und dabei Kai abwirft. Der Clown schläft ein und verschwindet unter dem weißen Tuch. Musik aus. Die Schneekönigin hebt Kai auf.

SCHNEEKÖNIGIN Aber wer wird denn frieren! Krieche in meinen Pelz. – Frierst du noch?

Die Schneekönigin küsst ihn, Kai fasst sich ans Herz und zittert, dann küsst sie ihn wieder und wieder und lacht dabei.

KAI Du bist so schön-

SCHNEEKÖNIGIN Nun bekommst Du keine Küsse mehr, denn sonst würde ich Dich totküssen!

Sie geht mit ihm singend ins Off.

SCHNEEKÖNIGIN

Wir fliegen hinauf in die schwarze Wolke

Und der Sturm der saust und braust, mein Kind

Über Wälder und Seen und Meere und Länder

Unter uns fegt der kalte Wind dahin

Die Wölfe heulen

Der Schnee knistert

Über uns fliegen die Krähen

Die schwarzen krächzenden Krähen

Und im Himmelsraum können so groß und so hell

Den Mond wir scheinen sehen

In der Winternacht scheinen sehen.

DREI Clown. Gerda. Fluss. Hexe.
Telefonklingeln. Der Clown befreit sich aus dem Tuch und hält sich einen Gegenstand als Handy ans Ohr. Gerda tritt auf, ebenfalls mit einem „Handy“ am Ohr. Improvisiertes Gespräch: Gerda fragt, ob er wüsste, wo Kai geblieben ist; der Clown kann sich nicht erinnern, fragt das Publikum und gibt alles durch das Telefon weiter, was gesagt wird. Gerda reagiert darauf. Als Gag könnten beide telefonierend aneinander vorbei gehen.
CLOWN Und dann kam wieder der Frühling.
Der Fluss läuft an ihm vorbei und positioniert sich auf der Bühne.
CLOWN Nein, das war nicht der Frühling, sondern ein Fluss.

GERDA Ich werde Kai suchen gehen. Ich will meine neuen Schuhe anziehen, und dann will ich zum Fluss hinunter gehen und den fragen, ob er mich auf die andere Seite bringen kann.

Sie zieht ihre Schuhe an und geht zum Fluss.

GERDA Lieber Fluss, bring mich bitte auf die andere Seite. Ich will Dir auch meine neuen Schuhe schenken.

FLUSS Ein Paar Schuhe reichen nicht aus. Aber wenn du einen ganzen Haufen Schuhe zusammenträgst, kannst du einen Damm über mich bauen und dann hinüberschreiten.

Der Clown animiert das Publikum, Schuhe zur Verfügung zu stellen. Gerda häuft sie auf und geht dann über sie hinweg. Der Clown sammelt die Schuhe wieder ein und gibt sie zurück, während der Fluss Gerdas Schuhe anzieht.

GERDA O weh, ohne Schuhe werde ich nicht sehr weit laufen können.

FLUSS Kannst du schon schwimmen?

GERDA Kann ich.

FLUSS Dann werde ich dich ein Stück weitertragen, sofern du in die Richtung willst, in die ich fließe.

GERDA Danke, lieber Fluss.

Der Clown hilft Gerda, auf den Rücken des Flusses zu steigen. Der Fluss läuft mit ihr auf der Stelle, während sie Schwimmbewegungen macht.

GERDA Vielleicht trägt mich der Fluss zu Kai hin.

Gerda wird immer müder und hört auf zu schwimmen. Sie sinkt, indem sie vom Rücken des Flusses zu fallen droht. Sie ruft um Hilfe. Die Hexe tritt auf, sie trägt einen Hut mit einer Rose darauf. Sie zaubert den Fluss weg: der Fluss geht in die Knie, Gerda steigt ab und wird von der Hexe weggeführt, während der Fluss abgeht.

HEXE Du armes Kind! Setz dich und erzähle mir, wer Du bist, und wie Du hierher kommst!

Gerda setzt sich und will erzählen, ist aber dafür zu geschafft. Der Clown animiert das Publikum, für Gerda zu antworten.

GERDA Haben Sie vielleicht meinen Bruder Kai gesehen?

HEXE Ich habe ihn nicht vorbeigekommen sehen; aber er kommt sicher irgendwann noch. Sei nur nicht traurig, sondern koste meine Kirschen und betrachte meine Blumen; die sind schöner als jedes Bilderbuch.

Sie gibt Gerda eine imaginäre Schüssel Kirschen, die Gerda isst, während die Hexe ihr Haar mit einem Kamm kämmt.

HEXE Nach einem so lieben, kleinen Mädchen habe ich mich schon lange gesehnt. Nun wirst Du sehen, wie gut wir mit einander leben werden!

Die Hexe hört mit kämmen auf, Gerda erstarrt.

HEXE Durch den Zauberkamm vergisst Gerda mehr und mehr ihren Bruder Kai. Ja, ich kann nämlich zaubern. Aber eine böse Hexe bin ich nicht; Ich zauberte nur ein wenig zu meinem Vergnügen und will gern die kleine Gerda behalten. Deshalb gehe ich jetzt in meinen Garten und lasse alle Rosensträucher verschwinden, wie herrlich sie auch blühen. Ich fürchte, wenn Gerda die Rosen erblickt, denkt sie an ihre Rosenrankenlaube, wird sich dann des kleinen Kai erinnern und davonlaufen.

Die Hexe geht umher und macht Zauberbewegungen. Inzwischen kommt Gerda zu sich und schaut auf den Boden, wo der imaginäre Blumengarten ist. Sie zeigt auf einen Punkt und fragt, was das für Blumen sind. Der Clown fragt das Publikum nach einem Blumennamen. Die Hexe nennt die vom Publikum genannte Blume. Gerda fragt erneut, neuer Blumenname aus dem Publikum usw.; Plötzlich entdeckt Gerda die Rose auf dem Hut der Hexe und schaut sie an. Die Hexe nimmt den Hut ab und merkt, dass sie einen Fehler gemacht hat. Gerda sucht den Boden ab.

GERDA Was, gibt es hier keine Rosen? – O, wie bin ich aufgehalten worden! Ich wollte ja Kai suchen!

Die Hexe will Gerda aufhalten, aber der Clown tritt dazwischen. Die Hexe geht ab. Der Clown holt ein paar welke Blätter aus der Tasche und lässt sie wie Konfetti über Gerda regnen.

GERDA Wie habe ich mich verspätet! Es ist ja Herbst geworden! Da darf ich nicht ruhen!

Gerda geht auf der Stelle, erst schnell, dann immer langsamer. Der Clown geht auf den nächsten Bühnenabschnitt und zieht nach und nach das weiße Tuch aus der Hosentasche. Wenn es ganz draußen ist, wirft er es über sich und legt sich als Schneehaufen auf den Boden. Gerda lässt sich erschöpft auf den Haufen fallen.

VIER Krähe (= Clown). Gerda. Prinzessin. Prinz.

Der Clown kommt aus dem weißen Tuch heraus, er trägt einen Vogelschnabel und stellt die Krähe dar. Er hüpft herum, betrachtet Gerda und wackelt mit dem Kopf.

KRÄHE Krah! Krah! – Gu’Tag! Gu’Tag! Wohin gehst du so allein hinaus in die weite Welt?

GERDA Ich suche meinen Bruder Kai. Hast du ihn vielleicht gesehen?

KRÄHE Das könnte sein! Das könnte sein!

GERDA Wie? Glaubst Du-?

KRÄHE Ich glaube – es kann der kleine Kai gewesen sein – aber nun hat er Dich sicher um der Prinzessin willen vergessen!

GERDA Wohnt er bei einer Prinzessin?

Die folgende Erzählung der Krähe wird pantomimisch mitgespielt. Währenddessen leise Musik.

KRÄHE In dem Königreich, in welchem wir jetzt sitzen, wohnt eine Prinzessin, die ist so ungemein klug; aber sie hat auch alle Zeitungen, die es in der Welt gibt, gelesen und wieder vergessen, so klug ist sie.

PRINZESSIN Weshalb sollte ich nicht heiraten?

KRÄHE Aber sie wollte einen Mann haben, der zu antworten verstand, wenn man mit ihm sprach; einen, der nicht bloß da stand und vornehm aussah, denn das ist sehr langweilig. In den Zeitungen war sogleich zu lesen, dass es einem jeden jungen Mann, der gut aussehe, freistehe, auf das Schloss zu kommen und mit der Prinzessin zu sprechen; und Derjenige, welcher am Besten spräche, den wolle die Prinzessin zum Manne nehmen.

Im weiteren Choreografie: Die beiden Schauspieler spielen jetzt abwechselnd Bewerber. Sie tragen hässliche Perücken und reden intellektuelles Zeug ohne Unterbrechung, so dass die Prinzessin zunehmend die Nase voll hat.

GERDA Aber Kai, wann kam der?

KRÄHE Gemach! Gemach! Jetzt sind wir ja schon bei ihm angelangt!

Die Choreografie wird fortgesetzt: Der letzte Bewerber ist vom Aussehen her Kai, aber dümmlich-triebhaft.

GERDA Das war Kai!O, dann habe ich ihn gefunden!

Er sieht die Prinzessin und bringt vor lauter Bewunderung für ihre Schönheit kein Wort heraus.

GERDA Und Kai hat doch sicher die Prinzessin bekommen?

Die Prinzessin ist begeistert, küsst ihn und verschwindet mit ihm unter einem weißen Tuch.

GERDA Kannst Du mich nicht unbemerkt in das Schloss hineinbringen?

Der Clown fragt das Publikum nach einem Trick, wie sie unbemerkt ins Schloss kommen. Am Ende ist die Lösung, dass sie sich tarnen. Wenn kein Zuschauer auf diese Lösung kommt, nennt Gerda sie. Daraufhin verstecken sie sich unter dem weißen Tuch und schleichen vorwärts. Schließlich kommen ihnen die anderen zwei unter ihrem weißen Tuch entgegen. Spiegelspiel, das damit endet, dass beide Paare sich aufdecken. Unter dem anderen Tuch sind Prinz und Prinzessin. Der Prinz ist Kai mit einer Perücke.

GERDA Es ist nicht Kai-

KRÄHE Es war nicht Kai, der- ? Da hab ich mich wohl vertan-

PRINZESSIN Wer bist du?

Gerda fängt an zu weinen.

PRINZESSIN Du armes Kind.

Die Prinzessin tröstet Gerda und schickt den Prinz los; der kommt mit Kleidern für Gerda wieder. Drei Kinder aus dem Publikum dürfen ihr helfen, sie zu frisieren und anzukleiden. Die Prinzessin hat den Prinzen wieder losgeschickt. Er kommt mit dem Clown wieder, der sich inzwischen in ein Pferd verwandelt hat. Gerda steigt auf das Pferd und winkt, Prinz und Prinzessin winken zurück. Gerda und der Clown gehen auf die nächste Position, die anderen gehen ab, um sich in die Räuber zu verwandeln. Währenddessen studieren Clown und Gerda mit dem Publikum das folgende Lied ein und singen es gemeinsam:

Hopp, hopp, hopp
Pferdchen lauf Galopp!
Über Stock und über Steine
Aber brich dir nicht die Beine!
Hopp, hopp, hopp, hopp
Pferdchen lauf Galopp!

FÜNF Clown. Gerda. Räuber. Räuberweib. Räubermädchen. Eule. Rentier.

Räuber, Räuberweib und Räubermädchen tauchen auf und überfallen die beiden. Sie ziehen Gerda vom Pferd, dieses entflieht.

RÄUBERWEIB Sie ist fett, sie ist niedlich, sie ist mit Nusskernen gemästet! Sie ist so gut wie ein kleines fettes Lamm; Na, die wird aber schmecken!

RÄUBERMÄDCHEN Sie soll erst mit mir spielen! Sie muss mir ihren Muff und ihre hübschen Stiefel schenken, und bei mir im Bett schlafen!

Räuber und Räuberweib gehen in den Hintergrund, trinken und spielen Würfel oder Karten. Im weiteren Verlauf geht der Räuber ab und das Räuberweib schläft ein. Gerda gibt dem Mädchen Muff und Stiefel.

RÄUBERMÄDCHEN Sie sollen dich nicht schlachten, so lange ich nicht böse auf dich werde. Du bist wohl eine Prinzessin?

Gerda schüttelt den Kopf.

RÄUBERMÄDCHEN Sie sollen dich nicht schlachten, selbst wenn ich böse auf dich werde; dann werde ich es nämlich selber tun!

Gerda weint, das Räubermädchen küsst und streichelt sie.

RÄUBERMÄDCHEN Hab doch nur Spaß gemacht. Du sollst diese Nacht bei mir und meinem Rentier schlafen.

Der Clown als Rentier tritt auf. Er legt sich so hin, dass die beiden Mädchen seinen Körper als Kissen nutzen können. Das Räubermädchen schläft ein. Die Eule taucht auf.

EULE Uuh! Uuh! Ich habe den kleinen Kai gesehen. Er saß im Wagen der Schneekönigin, der durch den Wald fuhr, als ich auf einem alten Baum saß; Uuh! Uuh!

GERDA Was sagst du? Wohin reiste die Schneekönigin? Weißt du es?

EULE Sie reiste wohl nach dem nördlichsten Norden, denn dort ist immer Schnee und Eis! Frage das Rentier. Uuh! Uuh!

Die Eule verschwindet, das Rentier ist aufgewacht und hat die letzten Worte mitbekommen.

RENTIER Dort ist Eis und Schnee, dort ist es herrlich und schön! Dort springt man frei umher in den großen glänzenden Tälern! Dort hat die Schneekönigin ihr Sommerzelt.

GERDA Weißt Du, wo der nördlichste Norden ist?

RENTIER Wer könnte es wohl besser wissen, als ich? Dort bin ich geboren und aufgewachsen; dort bin ich auf den Schneefeldern herumgesprungen!

RÄUBERMÄDCHEN Pst! Du siehst, der Vater ist fort; nur die Mutter ist noch hier, und die bleibt; aber sie hat viel aus der großen Flasche getrunken und ist eingeschlummert.

Das Räubermädchen hebt Gerda auf das Rentier hinauf und gibt ihr die Stiefel wieder und ein Paar große Fäustlinge.

RÄUBERMÄDCHEN Da hast du deine Stiefel wieder, denn es wird kalt; aber den Muff behalte ich, der ist gar zu niedlich! Aber du sollst nicht frieren. Hier hast Du Mutters große Fausthandschuhe. – Lauf nun, mein Rentier! Und pass gut auf das kleine Mädchen auf!

GERDA Danke für alles, liebes Räubermädchen.

Gerda küsst und umarmt sie zum Abschied. Rentier und Gerda gehen zur nächsten Position, da erwacht das Räuberweib. Das Räubermädchen bittet das Publikum, immer wieder fette Speisen zu nennen, damit die Mutter ins Träumen zurückfällt und nicht die Verfolgung aufnimmt. Das Räuberweib schwelgt mit jeder genannten Speise im Halbschlaf und legt sich wieder hin.

SECHS Clown. Gerda. Rentier. Hexe.

Choreografie: Musik. Rentier und Gerda kommen erst schnell voran, dann immer langsamer, bis sie stehen bleiben. Erschöpft wollen sie aufgeben, da tritt die Hexe auf. Sie hat Kekse und heißen Saft mitgebracht. Sie gibt Gerda was davon, während das Rentier wieder zum Clown wird und dieser Kekse und Saft im Publikum verteilt. Gerda erkennt die Hexe, drückt gestisch ihre Verwunderung aus und umarmt sie. Musik aus.

HEXE Der kleine Kai ist tatsächlich bei der Schneekönigin und findet dort alles nach seinem Geschmack und Gefallen und glaubt, es sei der beste Ort in der Welt; aber das kommt daher, dass er einen Glassplitter ins Herz und ein kleines Glaskörnchen ins Auge bekommen hat; die müssen erst heraus, sonst behält die Schneekönigin die Macht über ihn!

CLOWN Aber kannst Du nicht der kleinen Gerda so etwas eingeben, dass sie Macht über das alles bekommt?

HEXE Ich kann ihr keine größere Macht geben, als sie schon besitzt. Sie kann nicht von uns ihre Macht erhalten; die sitzt in ihrem Herzen; die besteht darin, dass sie ein liebes unschuldiges Kind ist. Kann sie nicht selbst zur Schneekönigin hineingelangen und das Glas aus dem kleinen Kai herausbekommen, dann können wir auch nicht helfen!

Die Hexe steht auf und erzählt dem Publikum, dass sie nun einen Windzauber vollführen wird, damit Gerda möglichst schnell zur Schneekönigin gelangt. Sie bittet das Publikum, Windgeräusche zu machen. Mit den Windgeräuschen „fliegt“ Gerda herum, mit dem weißen Tuch wedelnd, dessen anderes Ende der Clown festhält. Die Hexe geht ab. Sie werden zur letzten Position geblasen. Gerda lässt das Tuch los, der Clown verheddert sich erneut im Tuch.

SIEBEN Clown. Gerda. Kai. Schneekönigin. Großmutter.

Der Off-Vorhang geht auf. Man sieht die Schneekönigin erhöht stehen, mit einem riesigen Rock angetan, der ein Zelt bildet. In diesem sitzt wie erstarrt Kai. Gerda geht zu ihm und umarmt ihn.

GERDA Kai! mein lieber Bruder Kai! Da habe ich Dich endlich gefunden!

Der Clown erklärt dem Publikum, dass Kais Herz nur auftauen kann, wenn im Zelt der Schneekönigin möglichst viel Wärme von lieben Kindern erzeugt werden würde – die Kinder sollen alle in das Zelt und sich ganz nah zu Kai setzen.

CLOWN Liebes Publikum, Kais Herz kann nur auftauen, wenn unter dem Mantel der Schneekönigin möglichst viel Herzenswärme von lieben Kindern ausgestrahlt wird. Deshalb, liebe Kinder und Kind gebliebene Erwachsene, kommt alle unter den Mantel und setzt euch ganz nah zum Kai…

Während das geschieht, „schmilzt“ die Schneekönigin: der Rock fällt auf die Kinder, Kai und Gerda, sie selbst wickelt sich in den Rock und bleibt liegen. Der Clown zieht den Rest vom Rock weg, so dass alle wieder zu sehen sind, macht den Vorhang zu und entlässt die Kinder sich bedankend ins Publikum. Kai beginnt vor Freude zu weinen, reibt sich die Augen und merkt, dass er etwas in der Hand hält. Er betrachtet es, dann wirft er es weg.

KAI Gerda! Liebe kleine Gerda! – Wo bist Du nur so lange gewesen? Und wo bin ich gewesen?

Musik. Sie fassen sich einander bei den Händen und tanzen. Der Clown nimmt die Rose und baut sich als Laube auf. Die Großmutter taucht auf, winkt und gibt den Kindern das Bilderbuch. Kai und Gerda gehen in die Laube und blättern im Buch. Die Großmutter winkt dem Publikum Ade und taucht ab. Musik aus. Ende.