FAUST EINS VARIATIONEN (J. W. Goethe)


*** VERSION FÜR EINE SPIELER:IN ***

Die Bühne besteht aus einem Podest, einem Tisch mit Loop Station und einer Schattenwand.

Anfangs sitze ich mit Hemd und Krawatte bekleidet auf dem Podest. Ich stelle den alten Faust dar, und muss mich später entsprechend wie ein alter Mann bewegen. Es läuft der Loop mit dem Text

HABE NUN

ACH!

PHILOSOPHIE

JURISTEREI UND MEDIZIN

UND LEIDER AUCH THEOLOGIE

DURCHAUS STUDIERT

MIT HEISSEM BEMÜHN

Ich gehe zum Tisch und spreche den Text erneut auf den Loop, dann lösche ich alles und sage

DA STEH ICH NUN

ICH ARMER TOR

UND BIN SO KLUG ALS WIE ZUVOR

ES MÖCHTE KEIN HUND SO LÄNGER LEBEN

Ich hole ein altes Buch hervor und sage

DRUM HAB ICH MICH DER MAGIE ERGEBEN

OB MIR DURCH GEISTES KRAFT UND MUND

NICHT MANCH GEHEIMNIS WÜRDE KUND

Ich schlage das Buch auf, in dem der folgende Text steht. Mit diesem mache ich eine Improvisation.

     Schwindet, ihr dunkeln …

Dann sage ich

ICH FÜHLS DU SCHWEBST UM MICH ERFLEHTER GEIST

ENTHÜLLE DICH

HA WIES IN MEINEM HERZEN REISST

ZU NEUEN GEFÜHLEN

ALL MEINE SINNE SICH ERWÜHLEN

ICH FÜHLE GANZ MEIN HERZ DIR HINGEGEBEN

DU MUSST DU MUSST UND KOSTET ES MEIN LEBEN

Das Licht verändert sich, so dass mein Schatten auf der Schattenwand erscheint. Ich drehe mich zur Schattenwand – Rücken zum Publikum – und sage mit Mephisto-Stimme

WER RUFT MIR

Ich drehe mich zum Publikum und sage mit Faust-Stimme

SCHRECKLICHES GESICHT

Ich schaue wieder vorsichtig wieder zur Schattenwand und drehe mich wieder weg.

WEH ICH ERTRAG DICH NICHT

Wieder schaue ich hin. Ich beginne mit Faust-Stimme den folgenden Text wie eine Litanei zu wiederholen, meine Stimme wird dabei zunehmend die Mephistos. Dabei beginne ich mich im Raum zu bewegen, bis zur Loop Station, wo ich den Text 1x mit Mephisto-Stimme loope und mit Faust-Stimme weitersprechend wieder durch den Raum gehe, unter Schmerzen.

IN LEBENSFLUTEN IM TATENSTURM

WALL ICH AUF UND AB

WEBE HIN UND HER

GEBURT UND GRAB

EIN EWIGES MEER

EIN WECHSELND WEBEN

EIN GLÜHEND LEBEN

SO SCHAFF ICH AM SAUSENDEN WEBSTUHL DER ZEIT

UND WIRKE DER GOTTHEIT LEBENDIGES KLEID

Schließlich stürze ich zur Loop Station und lösche den Loop. Dann setze ich mich erschöpft auf das Podest, Gesicht in die Hände oder nach unten. Wenn mein Gesicht wieder zu sehen ist, habe ich die Mephisto-Mimik aufgesetzt. Ich richte mich sehr langsam auf, mich verjüngend. Wenn ich stehe, ziehe ich Krawatte und Hemd aus. Ich trage darunter ein ärmelloses Shirt.

Während ich sage

ICH BIN DER GEIST DER STETS VERNEINT

UND DAS MIT RECHT

DENN ALLES WAS ENTSTEHT

IST WERT DASS ES ZUGRUNDE GEHT

DRUM BESSER WÄRS DASS NICHTS ENTSTÜNDE

SO IST DENN ALLES WAS IHR SÜNDE

ZERSTÖRUNG KURZ DAS BÖSE NENNT

MEIN EIGENTLICHES ELEMENT

gehe ich wieder vor die Schattenwand. Ich stehe wieder so da wie vorhin und beginne eine groteske Choreografie, zu der ich wiederholend spreche

WELLEN STÜRMEN SCHÜTTELN BRAND

Ich gehe zur Loop Station, schaue in das Buch und beginne eine Improvisation mit dem folgenden Text:

Weh! weh! …

Ich beende die Improvisation, trete vor und spiele, dass ich mich immer wieder abwechselnd in Mephisto und Faust verwandle. Plötzlich halte ich als Faust inne, entdecke einen Unterrock, gehe zu ihm und nehme ihn in die Hand. Dabei sage ich

MEIN SCHÖNES FRÄULEIN DARF ICH WAGEN

MEINEN ARM UND GELEIT IHR ANZUTRAGEN?

Ich halte den Unterrock vor mich und antworte

BIN WEDER FRÄULEIN WEDER SCHÖN

KANN UNGELEITET NACH HAUSE GEHN

Ich stolziere weg, dann halte ich den Rock von mir und versuche mit der anderen Hand nach ihm zu greifen und bewege mich so durch den Raum. Immer schneller, bis ich den Rock fallenlasse und mit Faust-Stimme sage

HÖR DU MUSST MIR DIE DIRNE SCHAFFEN

Ich wechsle zur Mephisto-Mimik, lache vor mich hin und will den Rock aufheben. Verwandlung in Faust, ich schrecke zurück, wieder Mephisto, ich will den Rock aufheben usw. Schließlich wieder als Faust

WENN NICHT DAS SÜSSE JUNGE BLUT

HEUT NACHT IN MEINEN ARMEN RUHT

SO SIND WIR UM MITTERNACHT GESCHIEDEN

Ich hebe als Mephisto den Rock auf und gebe ihn Faust. Der Rock „läuft erneut weg“, ich hinterher und verschwinde hinter dem Vorhang. Ich schaue aus dem Vorhang heraus und sage mit Faust-Stimme

WAS WILLST DU HIER? WAS WIRD DAS HERZ DIR SCHWER?

ARMSELGER FAUST ICH KENNE DICH NICHT MEHR

Ich verschwinde im Off und komme kurz darauf mit dem Unterrock bekleidet heraus, bewege mich als Margarete. Ich knie mich auf das Podest Rücken zum Publikum, bete leise vor mich hin und schaue immer wieder ängstlich zum Vorhang.

AVE MARIA GRATIA PLENA DOMINUS TECUM

BENEDICTA TU IN MULIERIBUS

ET BENEDICTUS FRUCTUS VENTRIS TUI JESUS

SANCTA MARIA MATER DEI ORA PRO NOBIS PECCATORIBUS

NUNC ET IN HORA MORTIS NOSTRAE

AMEN

Schließlich höre ich mit beten auf und sage

ES IST SO SCHWÜL SO DUMPFIG HIE

ES WIRD MIR SO ICH WEISS NICHT WIE

MIR LÄUFT EIN SCHAUER ÜBERN GANZEN LEIB

BIN DOCH EIN TÖRICHT FURCHTSAM WEIB

Ich nehme eine Bürste und bürste mir das Haar, während ich singe

Es war ein König in Thule,

Gar treu bis an das Grab,

Dem sterbend seine Buhle

Einen goldnen Becher gab.

Es ging ihm nichts darüber,

Er leert‘ ihn jeden Schmaus;

Die Augen gingen ihm über,

So oft er trank daraus.

Und als er kam zu sterben,

Zählt‘ er seine Städt‘ im Reich,

Gönnt‘ alles seinen Erben,

Den Becher nicht zugleich.

Er saß bei’m Königsmahle,

Die Ritter um ihn her,

Auf hohem Vätersaale,

Dort auf dem Schloß am Meer.

Dort stand der alte Zecher,

Trank letzte Lebensglut,

Und warf den heiligen Becher

Hinunter in die Flut.

Er sah ihn stürzen, trinken

Und sinken tief ins Meer,

Die Augen täten ihm sinken,

Trank nie einen Tropfen mehr.

Ich höre auf und sage

ICH GÄB WAS DRUM WENN ICH NUR WÜSST

WER HEUT DER HERR GEWESEN IST

Ich beginne mich selbst zu umarmen, steigere mich in eine Erregung und meine Hand bewegt sich schließlich im Rock. Ich halte inne und beginne anhand der Spitzen des Unterrocks zu zählen

ER LIEBT MICH

ER LIEBT MICH NICHT

Ich stehe auf und gehe weiterzählend hinter den Vorhang. Ich schaue als Faust heraus und sage

ER LIEBT DICH

Ich komme rückwärts hervor, hebe den Rock und gehe wieder ein Stück hinter den Vorhang. Ich ziehe den Rock über meinen Kopf und komme so ganz aus dem Vorhang hervor, mich unter dem Rock umarmend und bewegend. Ich bewege mich bis zum Podest, komme hinter dem Podest zum Liegen und deute Kopulation an, wobei ich durch Drehung des Körpers mal Margarete unten und mal Faust oben bin. Schließlich höre ich auf mich zu bewegen. Ich nehme abwechselnd zwei Posen ein, Margarete nach dem Beischlaf und Faust nach dem Beischlaf. Schließlich sage ich als Margarete

ICH WEISS ZU GUT DASS SOLCH ERFAHRNEN MANN

MEIN ARM GESPRÄCH NICHT UNTERHALTEN KANN

Ich nehme die Faust-Pose ein und sage als Faust

EIN BLICK VON DIR EIN WORT MEHR UNTERHÄLT

ALS ALLE WEISHEIT DIESER WELT

Ich werde wieder Margarete und will Faust zärtlich streicheln, doch Faust verwandelt sich in Mephisto. Ich sage als Margarete

HEINRICH MIR GRAUTS VOR DIR

Mephisto packt sie und vergewaltigt sie. Dann stehe ich als Mephisto auf, werfe den Unterrock auf das Podest und gehe lachend zum Vorhang ab. Ich drehe mich um und schaue als Faust entsetzt auf das Podest. Ich bedecke mein Gesicht mit den Händen, dann reiße ich sie weg, und sage mit Mephisto-Mimik, während ich zur Loop Station gehe

GENUG DAMIT DEIN LIEBCHEN SITZT DADRINNE

UND ALLES WIRD IHR ENG UND TRÜB

DU KOMMST IHR GAR NICHT AUS DEM SINNE

SIE HAT DICH ÜBERMÄSSIG LIEB

DIE ZEIT WIRD IHR ERBÄRMLICH LANG

Ich betätige Loop2, auf den ich vorab „Wenn ich ein Vöglein wär“ gesungen habe und lasse ihn laufen, während ich als Mephisto weiterspreche

(WENN ICH EIN VÖGLEIN WÄR) GEHT IHR GESANG

EINMAL IST SIE MUNTER MEIST BETRÜBT

EINMAL RECHT AUSGEWEINT

DANN WIEDER RUHIG WIES SCHEINT

UND IMMER VERLIEBT

Ich rufe als Faust

SCHLANGE SCHLANGE

Als Mephisto

GELT DASS ICH DICH FANGE

Als Faust

VERRUCHTER HEBE DICH VON HINNEN

UND NENNE NICHT DAS SCHÖNE WEIB

BRING DIE BEGIER ZU IHREM SÜSSEN LEIB

NICHT WIEDER VOR DIE HALB VERRÜCKTEN SINNEN

Als Mephisto

WAS SOLL ES DENN? SIE MEINT DU SEIST ENTFLOHEN

UND HALB UND HALB BIST DU ES SCHON

Als Faust

ICH BIN IHR NAH UND WÄR ICH NOCH SO FERN

ICH KANN SIE NIE VERGESSEN NIE VERLIEREN

Ich mach den Loop aus, gehe als Faust zögernd zum Podest, setze mich mit dem Rücken zum Publikum auf das Podest und behandle den Rock wie einen Fetisch. Dann ziehe ich ihn an und bin wieder Margarete. Ich singe

Meine Ruh ist hin,
      Mein Herz ist schwer;
      Ich finde sie nimmer
      und nimmermehr.

      Wo ich ihn nicht hab,
      Ist mir das Grab,
      Die ganze Welt
      Ist mir vergällt.

      Mein armer Kopf
      Ist mir verrückt,
      Meiner armer Sinn
      Ist mir zerstückt.

      Meine Ruh ist hin,
      Mein Herz ist schwer,
      Ich finde sie nimmer
      und nimmermehr.

      Nach ihm nur schau ich
      Zum Fenster hinaus,
      Nach ihm nur geh ich
      Aus dem Haus.

      Sein hoher Gang,
      Sein edle Gestalt,
      Seines Mundes Lächeln,
      Seiner Augen Gewalt,

      Und seiner Rede
      Zauberfluß,
      Sein Händedruck,
      Und ach! sein Kuß!

      Meine Ruh ist hin,
      Mein Herz ist schwer,
      Ich finde sie nimmer
      und nimmermehr.

      Mein Busen drängt
      Sich nach ihm hin,
      Ach dürft ich fassen
      Und halten ihn,

      Und küssen ihn,
      So wie ich wollt,
      An seinen Küssen
      Vergehen sollt!

Ich nehme als Margarete Bethaltung ein und beginne mit dem

AVE MARIA GRATIA PLENA DOMINUS TECUM

BENEDICTA TU IN MULIERIBUS

ET BENEDICTUS FRUCTUS VENTRIS TUI JESUS

SANCTA MARIA MATER DEI ORA PRO NOBIS PECCATORIBUS

NUNC ET IN HORA MORTIS NOSTRAE

AMEN

Black. Ich gehe weiterbetend zur Loop Station, stelle den Hall-Effekt ein und bete weiter ins Mikro, immer leiser werdend. Dann spreche ich mit Geisterstimme

WIE ANDERS GRETCHEN WAR DIRS

ALS DU NOCH VOLL UNSCHULD

HIER ZUM ALTAR TRATST

GEBETE LALLTEST

HALB KINDERSPIELE

HALB GOTT IM HERZEN

GRETCHEN

WO STEHT DEIN KOPF?

IN DEINEM HERZEN

WELCHE MISSETAT?

UND UNTER DEINEM HERZEN

REGT SICHS NICHT QUILLEND SCHON

UND ÄNGSTET DICH UND SICH

MIT AHNUNGSVOLLER GEGENWART?

Als Margarete

WEH WEH

WÄR ICH DER GEDANKEN LOS

DIE MIR HERÜBER UND HINÜBER GEHEN

WIDER MICH

Als böser Geist

GRIMM FASST DICH

DIE POSAUNE TÖNT

DIE GRÄBER BEBEN

UND DEIN HERZ

AUS ASCHENRUH

ZU FLAMMENQUALEN

WIEDER AUFGESCHAFFEN

BEBT AUF

Als Margarete

MIR WIRD SO ENG

DIE MAUERNPFEILER

BEFANGEN MICH

DAS GEWÖLBE

DRÄNGT MICH

LUFT

Als böser Geist

VERBIRG DICH SÜND UND SCHANDE

BLEIBT NICHT VERBORGEN

LUFT? LICHT?

WEH DIR

WEH

Ich loope den Text

DIE GABEL STICHT

DER BESEN KRATZT

DAS KIND ERSTICKT

DIE MUTTER PLATZT

und lasse ihn laufen. Dann spreche ich mit Fauststimme

SIEHST DU DORT

EIN BLASSES SCHÖNES KIND ALLEIN UND FERNE STEHEN?

SIE SCHIEBT SICH LANGSAM NUR VOM ORT

SIE SCHEINT MIT GESCHLOSSENEN FÜSSEN ZU GEHEN

ICH MUSS BEKENNEN DASS MIR DEUCHT

DASS SIE DEM GUTEN GRETCHEN GLEICHT

Ich drapiere die Leuchtschnur um mich, als wäre ich die schwangere Margarete und krieche auf allen Vieren zum Podest. Entbindung mit Leuchtschnur als Nabelschnur und Babykopf, mit dem Rücken zum Publikum. Leuchtschnur und Loop gehen aus, wenn das Baby geboren ist. Babyheulen, dann Licht. Ich als Margarete habe den Babykopf in den Unterrock gewickelt, wiege das Kind und singe

Meine Mutter, die Hur
      Die mich umgebracht hat!
      Mein Vater, der Schelm
      Der mich gessen hat!
      Mein Schwesterlein klein
      Hub auf die Bein
      An einem kühlen Ort;
      Da ward ich ein schönes Waldvögelein;
      Fliege fort, fliege fort!

Ich rufe immer wieder steigernd flehentlich „Heinrich!“; da keine Antwort erfolgt, tauche ich das Baby in einen Wassereimer, den ich vorher aus dem Off geholt habe. Ich nehme den Rock aus dem Eimer und halte ihn mir vors Gesicht. Lichtwechsel: Gittermuster auf dem Vorhang. Ich verharre in verzweifelter Pose. Dann sage ich

BIN ICH DOCH NOCH SO JUNG SO JUNG
UND SOLL SCHON STERBEN
SCHÖN WAR ICH AUCH UND DAS WAR MEIN VERDERBEN
NAH WAR DER FREUND NUN IST ER WEIT
ZERRISSEN LIEGT DER KRANZ DIE BLUMEN ZERSTREUT
FASSE MICH NICHT SO GEWALTSAM AN
SCHONE MICH WAS HAB ICH DIR GETAN
LASS MICH NICHT VERGEBENS FLEHEN
HAB DICH DOCH MEIN TAGE NICHT GESEHEN

Ich nehme den Rock aus dem Eimer und wiege ihn, summe dabei das Lied. Dann sage ich

ICH BIN NUN GANZ IN DEINER MACHT
LASS MICH NUR ERST DAS KIND NOCH TRÄNKEN
ICH HERZT ES DIESE GANZE NACHT
SIE NAHMEN MIRS UM MICH ZU KRÄNKEN
UND SAGEN NUN ICH HÄTT ES UMGEBRACHT

Black, dann wieder Licht. Ich gehe zur Loop Station und sample mit Faust-Stimme den Monolog, indem ich immer verzweifelter und immer zerrissener werde:

Im Elend! …

Ich antworte als Mephisto

Warum machst du Gemeinschaft mit uns, wenn du sie nicht durchführen kannst? Willst fliegen und bist vorm Schwindel nicht sicher? Drangen wir uns dir auf, oder du dich uns?

Ich antworte als Faust

Mir ekelt’s! – Rette sie! oder weh dir!

Ich antworte als Mephisto

»Rette sie!« – Wer war’s, der sie ins Verderben stürzte? Ich oder du?

Ich wiederhole das ICH und DU, wobei ich die Stimme und Mimik wechsele und Richtung Vorhang taumle. Black. Ich ziehe den Rock an und setze mich wieder zum Vorhang, Gesicht vom Publikum abgewandt. Wieder das Gittermuster.

Als Faust (noch im Black?)

GRETCHEN GRECHTCHEN

Als Margarete

DAS WAR DES FREUNDES STIMME

WO IST ER ICH HAB IHN RUFEN HÖREN

ICH BIN FREI MIR SOLL NIEMAND WEHREN

ER RIEF GRETCHEN ER STAND AUF DER SCHWELLE

DU BISTS RUFE NOCH EINMAL

ER ISTS ER ISTS WOHIN IST ALLE QUAL

WOHIN DIE ANGST DES KERKERS DER KETTEN

DU BISTS KOMMST MICH ZU RETTEN

ICH BIN GERETTET

Ich stehe auf, mache einen Schritt Richtung Vorhang, bleibe dann stehen und rede weiter als Margarete

WIE KOMMT ES DASS DU DICH VOR MIR NICHT SCHEUST?

UND WEISST DU DENN MEIN FREUND WEN DU BEFREIST?

Ich setze mich wieder. Als Margarete

MEIN KIND HAB ICH ERTRÄNKT

WAR ES NICHT DIR UND MIR GESCHENKT?

DIR AUCH

ICH DARF NICHT FORT FÜR MICH IST NICHTS ZU HOFFEN

Ich reiße mich hoch, als würde ich gewaltsam hochgezogen werden, und schlage im folgenden um mich:

LASS MICH NEIN ICH LEIDE KEINE GEWALT

FASSE MICH NICHT SO MÖRDERISCH AN

SONST HAB DIR JA ALLES ZULIEB GETAN

Ich beruhige mich allmählich, rufe dabei wiederholend LASS MICH und gehe in die Knie. dann sage ich als Margarete

HEINRICH MIR GRAUTS VOR DIR

Ich stecke meinen Kopf in den Wassereimer. Black. Ende.

**********

*** VERSION FÜR EINE SPIELERIN ***

Die Zuschauer-Stühle sind im Dreieck angeordnet, mit Blickrichtung zur Mitte. An den drei Ecken befinden sich drei Podeste.

Wenn die Zuschauer den Raum betreten und Platz nehmen, wechselt die Spielerin die Podeste und nimmt auf jedem eine bestimmte Posen der Resignation ein, z.B.

Pose 1 – zur Seite, Ellenbogen auf Knie

Pose 2 – nach vorn, Kopf mit der Faust gestützt

Pose 3 – ein Bein nach vorn, eine Hand in den Schoß, eine auf dem Oberschenkel

Sie trägt Hemd und Krawatte und stellt den älteren Faust dar. Während sie zum nächsten Podest wandert, spricht sie:

HABE NUN

ACH!

PHILOSOPHIE

JURISTEREI UND MEDIZIN

UND LEIDER AUCH THEOLOGIE

DURCHAUS STUDIERT

MIT HEISSEM BEMÜHN

Wenn sie auf dem Podest sitzt, spricht sie:

DA SITZ ICH NUN

ICH ARMER TOR

UND BIN SO KLUG ALS WIE ZUVOR

Wenn alle Zuschauer sitzen, verharrt die Spielerin auf dem Podest, auf dem sie sich gerade befindet und schweigt. Dann springt sie plötzlich auf und ruft laut:

ES MÖCHTE KEIN HUND SO LÄNGER LEBEN

Sie geht leise sprechend auf die Mitte zu:

DRUM HAB ICH MICH DER MAGIE ERGEBEN

OB MIR DURCH GEISTES KRAFT UND MUND

NICHT MANCH GEHEIMNIS WÜRDE KUND

In der Mitte sich einmal langsam drehend wiederholt sie halblaut:

DRUM HAB ICH MICH DER MAGIE ERGEBEN

OB MIR DURCH GEISTES KRAFT UND MUND

NICHT MANCH GEHEIMNIS WÜRDE KUND

Sie holt ein Reagenzglas aus der Hemdtasche und wiederholt laut, während sie sich erneut dreht:

DRUM HAB ICH MICH DER MAGIE ERGEBEN

OB MIR DURCH GEISTES KRAFT UND MUND

NICHT MANCH GEHEIMNIS WÜRDE KUND

Sie trinkt den Inhalt des Reagenzglases. (Falls die Zuschauer an der Kasse ein Reagenzglas erhalten haben, wäre das der Moment für sie, es ebenfalls zu leeren.)

Sprech- und Bewegungschoreografie mit folgendem Text:

  Weh! weh!
      Du hast sie zerstört
      Die schöne Welt,
      Mit mächtiger Faust;
      Sie stürzt, sie zerfällt!
      Ein Halbgott hat sie zerschlagen!
      Wir tragen
      Die Trümmern ins Nichts hinüber,
      Und klagen
      Über die verlorne Schöne.
      Mächtiger
      Der Erdensöhne,
      Prächtiger
      Baue sie wieder,
      In deinem Busen baue sie auf!
      Neuen Lebenslauf
      Beginne,
      Mit hellem Sinne,
      Und neue Lieder
      Tönen darauf!

Ablauf der Choreografie:

Laufen durch den Raum und sprechen des Textes:

Drei Runden: a. langsam und leise sprechen, langsam gehen ; b. etwas schneller und lauter sprechen, etwas schneller gehen ; c. schnell und laut sprechen, schnell gehen.

Am Ende sehr laut die letzten vier Zeilen wiederholen und dabei zu einem der Podeste zurückgehen.

Die Choreografie endet damit, dass die Spielerin wieder auf einem Podest sitzt. Der Kopf hängt herunter.

Die Spielerin zieht sich eine Pudelmütze auf, hebt den Kopf und deutet mit Mimik, Lauten usw. einen Hund an.

Sie geht als Hund in die Mitte und von dort zu einem anderen Podest. Dort setzt sie sich hin und nimmt die Mütze ab, betrachtet verwundert die Mütze, indem sie sich die Augen reibt u.ä., dann springt auf und versucht den „Hund“ zu fangen, indem sie mit einer Hand greift und mit der anderen die Mütze vom Körper weghält. Dabei spricht sie:

ICH FÜHLS DU SCHWEBST UM MICH ERFLEHTER GEIST

ENTHÜLLE DICH

HA WIES IN MEINEM HERZEN REISST

ZU NEUEN GEFÜHLEN

ALL MEINE SINNE SICH ERWÜHLEN

ICH FÜHLE GANZ MEIN HERZ DIR HINGEGEBEN

DU MUSST DU MUSST UND KOSTET ES MEIN LEBEN

Sie bleibt stehen, setzt die Mütze auf und antwortet mit dämonischer Stimme:

WER RUFT MIR

Sie reißt sich die Mütze vom Kopf, wieder das Fangen-Spiel. Sie fängt die Mütze schließlich und setzt sie auf, dann stößt gegen einen imaginären Spiegel, will die Mütze abnehmen, traut sich aber nicht. Schließlich reißt sie sie herunter, sieht sich im Spiegel, wendet sich erschrocken ab und ruft:

SCHRECKLICHES GESICHT

Sie antwortet mit dämonischer Stimme:

UND NUN

Sie schlägt sich selbst mit der Mütze und springt dabei herum, dabei wiederholt sie panisch:

WEH ICH ERTRAG DICH NICHT

Schließlich schleudert sie die Mütze weg, bleibt sie vor dem Spiegel stehen und untersucht ihr Gesicht, welches sie mit den Fingern zu Grimassen verzieht. Dabei murmeln sie in Schleife:

DAS ALSO WAR DES PUDELS KERN

Dann nimmt sie eine starre Haltung ein, die Hände auf der Spiegeloberfläche. Mit dämonischer Stimme flüstert sie drei Mal, während sie sich mit jeder weiteren Runde mit dem Spiegel zusammen dreht:

ICH BIN DER GEIST DER STETS VERNEINT

UND DAS MIT RECHT

DENN ALLES WAS ENTSTEHT

IST WERT DASS ES ZUGRUNDE GEHT

DRUM BESSER WÄRS DASS NICHTS ENTSTÜNDE

SO IST DENN ALLES WAS IHR SÜNDE

ZERSTÖRUNG KURZ DAS BÖSE NENNT

MEIN EIGENTLICHES ELEMENT

Es folgt eine Bewegungschoreografie, bestehend aus vier bestimmten Gesten, die in Schleife wiederholt werden. Allmählich kommen die vier Worte dazu:

WELLEN STÜRMEN SCHÜTTELN BRAND

Sprechend und die Gesten dazu wiederholend bewegt sich die Spielerin durch den Raum. Zunehmende Intensität, bis sie sich auf den Boden fallen lässt und liegenbleibt. Im Liegen spricht sie nach einer Weile in ruhigem Ton:

Weh! weh!
      Du hast sie zerstört
      Die schöne Welt,
      Mit mächtiger Faust;
      Sie stürzt, sie zerfällt!
      Ein Halbgott hat sie zerschlagen!
      Wir tragen
      Die Trümmern ins Nichts hinüber,
      Und klagen
      Über die verlorne Schöne.
      Mächtiger
      Der Erdensöhne,
      Prächtiger
      Baue sie wieder,
      In deinem Busen baue sie auf!
      Neuen Lebenslauf
      Beginne,
      Mit hellem Sinne,
      Und neue Lieder
      Tönen darauf!

Wiederholen der letzten vier Zeilen, dabei aufstehen und in die Mitte gehen. In Zeitlupe drehen, dabei Hemd und Krawatte ausziehen. Dazu immer weiterdie Zeilen wiederholen, aber leiser.

Unter dem Hemd kommt ein jugendlich wirkendes Shirt zum Vorschein.

Ganz kurze Stille und Stillstand, dann erneutes Wiederholen der letzten vier Zeilen, diesmal schnell, laut und wild. Dazu wird die Spielerin von unsichtbaren Kräften hin und her geschubst. (Insgesamt 6x schubsen; mit BEGINNE auffangen, mit MIT HELLEM SINNE wegschubsen. ??)

Schließlich lässt sich die Spielerin fallen und bleibt am Boden liegen. Dann robbt sie zu dem am Boden liegenden Hemd. Wenn sie es erreicht hat, hievt sie sich hoch, als ob sie von unsichtbarer Hand gepackt wird. Die andere Hand entreißt ihr das Hemd und schleudert es fort. Die Spielerin dreht sich, als ob sie von unsichtbarer Hand gepackt ist. In den Drehungen bleibt sie dreimal kurz stehen, richtet sich auf und spricht mit dämonischer Stimme jeweils einen der Zeilen:

Ich muß dich nun vor allen Dingen
In lustige Gesellschaft bringen,
Damit du siehst, wie leicht sich’s leben läßt.

Die Spielerin wankt Richtung Publikum, setzt sich zwischen zwei Zuschauer, steht wieder auf, setzt sich zwischen zwei andere Zuschauer usw. ( zwei Runden). Dabei wiederholt sie mit leisem schlafwandlerischem Ton die Zeilen, als müsse sie sie sich nachsprechend einprägen:

Ich muß mich nun vor allen Dingen
In lustige Gesellschaft bringen,
Damit ich seh, wie leicht sich’s leben läßt.

Schließlich entdeckt die Spielerin auf einem der Podeste einen Unterrock. Sie geht zum Podest, nimmt den Unterrock und spricht ihn an:

MEIN SCHÖNES FRÄULEIN DARF ICH WAGEN

MEINEN ARM UND GELEIT IHR ANZUTRAGEN?

Sie zieht den Unterrock an und antwortet:

BIN WEDER FRÄULEIN WEDER SCHÖN

KANN UNGELEITET NACH HAUSE GEHN

Sie rafft den Rock und rennt „verschämt“ zum nächsten Podest. Dort verwandelt sie sich wieder in Faust, indem sie den Rock hochzieht und an den Körper drückt. Wiederholung des Spiels, mit mehrmaligem Wechseln des Podestes; die Sätze werden dabei zunehmend verkürzt; am Ende 3x stumm.

Schließlich hört das Spiel auf. Die Spielerin steht in der Faustpose auf einem der Podeste und spricht den folgenden Text, wobei er zunehmend lauter und intensiver wird:

BEIM HIMMEL DIESES KIND IST SCHÖN

SO ETWAS HAB ICH NIE GESEHN

SIE IST SO SITT- UND TUGENDREICH

UND ETWAS SCHNIPPISCH DOCH ZUGLEICH

DER LIPPE ROT DER WANGE LICHT

DIE TAGE DER WELT VERGESS ICHS NICHT

WIE SIE DIE AUGEN NIEDERSCHLÄGT

HAT TIEF SICH IN MEIN HERZ GEPRÄGT

WIE SIE KURZ ANGEBUNDEN WAR

DAS IST NUN ZUM ENTZÜCKEN GAR

Das Sprechen hört schlagartig auf. Die Spielerin lässt den Unterrock fallen und ist wieder Margarete. Die drei folgenden Aktionen spielt sie alle nach der gesetzten Choreografie. Jede Aktion hat ihr eigenes Podest, so dass sich die Spielerin von Podest zu Podest bewegt.

#1 Die Spielerin steht vor einem imaginären Spiegel und kämmt sich das Haar, flechtet sich Zöpfe und bindet sie auf. Dazu singt sie:

Es war ein König in Thule,

Gar treu bis an das Grab,

Dem sterbend seine Buhle

Einen goldnen Becher gab.

Es ging ihm nichts darüber,

Er leert‘ ihn jeden Schmaus;

Die Augen gingen ihm über,

So oft er trank daraus.

Und als er kam zu sterben,

Zählt‘ er seine Städt‘ im Reich,

Gönnt‘ alles seinen Erben,

Den Becher nicht zugleich.

Er saß bei’m Königsmahle,

Die Ritter um ihn her,

Auf hohem Vätersaale,

Dort auf dem Schloß am Meer.

Dort stand der alte Zecher,

Trank letzte Lebensglut,

Und warf den heiligen Becher

Hinunter in die Flut.

Er sah ihn stürzen, trinken

Und sinken tief ins Meer,

Die Augen täten ihm sinken,

Trank nie einen Tropfen mehr.

#2 Die Spielerin kniet und betet.

AVE MARIA GRATIA PLENA DOMINUS TECUM

BENEDICTA TU IN MULIERIBUS

ET BENEDICTUS FRUCTUS VENTRIS TUI JESUS

SANCTA MARIA MATER DEI ORA PRO NOBIS PECCATORIBUS

NUNC ET IN HORA MORTIS NOSTRAE

AMEN

unterbricht aber das Gebet immer wieder mit Sätzen aus folgender Replik:

ICH GÄB WAS DRUM WENN ICH NUR WÜSST

WER HEUT DER HERR GEWESEN IST

ER SAH GEWISS RECHT WACKER AUS

UND IST AUS EINEM EDLEN HAUS

DAS KONNT ICH IHM AN DER STIRNE LESEN

ER WÄR AUCH SONST NICHT SO KECK GEWESEN

#3 Die Spielerin steht mit dem Gesicht zur Wand und masturbiert. Dazu spricht sie:

ES IST SO SCHWÜL SO DUMPFIG HIE

ES WIRD MIR SO ICH WEISS NICHT WIE

MIR LÄUFT EIN SCHAUER ÜBERN GANZEN LEIB

Konkreter Ablauf der drei Aktionen (Änderungen vorbehalten) :

#2 – Gebet.

#1 – Singen der 1. und 2. Strophe.

#2 Sprechen erster Teil des Textes.

#3 – masturbieren mit Gesicht zur Wand, dann Text.

#1 – Singen der 3. Strophe,

#2 – Gebet.

#1 – Singen der 4. Strophe.

#2 – Sprechen zweiter Teil.

#3 – masturbieren und Text.

#1 – Singen der 5. und 6. Strophe.

Mit Ende der Aktionen verharrt die Spielerin kurz reglos. Dann steigt sie aus dem Unterrock und ruft, während sie sich auf die Schulter klopft und kumpelhaft schubst, wiederholt und geshuffelt zu:

HÖR DU MUSST MIR DIE DIRNE SCHAFFEN

Sie wird dabei immer lauter und aggressiver und bewegen sich auf die Mitte zu. In der Mitte beginnt sie sich zu packen und sagt:

UND DAS SAG ICH IHM KURZ UND GUT

WENN NICHT DAS SÜSSE JUNGE BLUT

HEUT NACHT IN MEINEN ARMEN RUHT

SO SIND WIR UM MITTERNACHT GESCHIEDEN

Sie hält inne und wiederholt das Gesicht Betrachten im imaginären Spiegel. Schließlich lacht sie, klopft sich kameradschaftlich auf die Schulter. Dabei löst sie sich allmählich von der Mitte und geht auf das Podest zu, wo der Unterrock ist.

Sie zieht den Unterrock an und spricht wiederholend:

ER LIEBT MICH

ER LIEBT MICH NICHT

Mit diesen Worten löst sie sich langsam von ihrer Position und geht auf die Mitte zu. Wenn sie angekommen ist, sagt sie abschließend ER LIEBT MICH.

Schließlich stehen sich Faust und Margarete in der Mitte gegenüber, d.h. die Spielerin wechselt die Seiten und rafft dabei einmal ihren Rock, dann lässt sie ihn fallen. Als Faust sagt sie MARGARETE , als Margarete versucht sie zu sprechen, macht mehrmals einen Anlauf, kriegt aber vor lauter Aufregung nur einzelne Laute, Silben oder Worte heraus.

Nach mehreren solchen Runden sagt sie schließlich als Margarete:

ICH WEISS ZU GUT DASS SOLCH ERFAHRNEN MANN

MEIN ARM GESPRÄCH NICHT UNTERHALTEN KANN

Faust antwortet:

EIN BLICK VON DIR EIN WORT MEHR UNTERHÄLT

ALS ALLE WEISHEIT DIESER WELT

Wiederholung des Wechselspiels, aber ohne Worte, dabei nimmt der Abstand zwischen der realen und der imaginären Figur immer mehr ab. Schließlich umarmt die Spielerin sich selbst und lässt leidenschaftlich die Hände über den Körper gleiten. Dieser Vorgang muss eine Weile dauern. Dazu intoniert sie ein heftiges Atmen dazu.

Bei dem Vorgang wird auch der Unterrock immer wieder hoch oder runter geschoben, was sowohl Liebesspiel als auch sich dagegen Wehren assoziieren kann.

Die Spielerin lässt sich auf den Boden fallen und liegt unter dem Unterrock begraben (über dem Gesicht). Das heftige Atmen hört auf. Nach einer Weile wird sie von unsichtbarer Hand hochgezogen, der Unterrock fällt ab. Sie sieht sich wieder im Spiegel, Hände auf den Flächen und wiederholt, immer zerrissener werdend:

ERHABNER GEIST

DU GABST MIR

GABST MIR ALLES

WORUM ICH BAT

Sie wird zunehmend wilder, wie verzweifelt, („zerschlägt den Spiegel“?) und reißt schließlich weitersprechend sich selbst auf den am Boden liegenden Unterrock. Vorgang des Körperabtastens, aber diesmal brutaler und zwischendurch mit dämonischem Lachen.

Schließlich bleibt sie liegen und beginnt, mit unbestimmter Stimme, zu singen:

Meine Ruh ist hin,
      Mein Herz ist schwer;
      Ich finde sie nimmer
      und nimmermehr.

      Wo ich ihn nicht hab,
      Ist mir das Grab,
      Die ganze Welt
      Ist mir vergällt.

      Mein armer Kopf
      Ist mir verrückt,
      Meiner armer Sinn
      Ist mir zerstückt.

Sie singt weiter, aber diesmal ist sie eindeutig Margarete, und zieht den Unterrock an sich wie zum Trost:

      Meine Ruh ist hin,
      Mein Herz ist schwer,
      Ich finde sie nimmer
      und nimmermehr.

      Nach ihm nur schau ich
      Zum Fenster hinaus,
      Nach ihm nur geh ich
      Aus dem Haus.

      Sein hoher Gang,
      Sein edle Gestalt,
      Seines Mundes Lächeln,
      Seiner Augen Gewalt,

      Und seiner Rede
      Zauberfluß,
      Sein Händedruck,
      Und ach! sein Kuß!

Ab hier lässt sie den Rock wieder los und wird unbestimmt:

      Meine Ruh ist hin,
      Mein Herz ist schwer,
      Ich finde sie nimmer
      und nimmermehr.

      Mein Busen drängt
      Sich nach ihm hin,
      Ach dürft ich fassen
      Und halten ihn,

      Und küssen ihn,
      So wie ich wollt,
      An seinen Küssen
      Vergehen sollt!

Sie wird wieder von unsichtbarer Hand hochgerissen und spricht mit dämonischer Stimme:

GENUG DAMIT DEIN LIEBCHEN SITZT DADRINNE

UND ALLES WIRD IHR ENG UND TRÜB

DU KOMMST IHR GAR NICHT AUS DEM SINNE

SIE HAT DICH ÜBERMÄCHTIG LIEB

Sie singt als Margarete die erste Strophe und hebt den Rock auf.

DIE ZEIT WIRD IHR ERBÄRMLICH LANG

SO GEHT IHR GESANG

TAGELANG HALBE NÄCHTE LANG

Sie singt als Margarete die erste Strophe und hebt den Rock auf.

EINMAL IST SIE MUNTER MEIST BETRÜBT

EINMAL RECHT AUSGEWEINT

DANN WIEDER RUHIG WIES SCHEINT

UND IMMER VERLIEBT

Die Spielerin ringt schließlich mit sich und ruft als Faust:

SCHLANGE SCHLANGE

Aus dem Ringkampf wird eine Mischung aus Umarmung und schlangengleichen Bewegungen, dazu sagt sie Spielerin mit dämonischer Stimme:

GELT DAS ICH DICH FANGE

Die schlangengleichen Umarmungen hören auf, das Streichen über den Körper intensiver. Zwischendrin hält die Spielerin mit den bewegungen inne, als sich sträubender Faust, dann wieder der lüsterne Dämon (mit dämonischem Lachen?) ; als Faust ruft sie dann immer mal MARGARETE!

Schließlich hört die Spielerin abrupt mit den Bewegungen auf und sagt als Faust:

VERRUCHTER HEBE DICH VON HINNEN

UND NENNE NICHT DAS SCHÖNE WEIB

BRING DIE BEGIER ZU IHREM SÜSSEN LEIB

NICHT WIEDER VOR DIE HALBVERRÜCKTEN SINNEN

Dann mit dämonischer Stimme:

WAS SOLL ES DENN

SIE MEINT DU SEIST ENTFLOHN

UND HALB UND HALB BIST DU ES SCHON

Dann wieder als Faust:

ICH BIN IHR NAH UND WÄR ICH NOCH SO FERN

ICH KANN SIE NIE VERGESSEN NIE VERLIEREN

Die letzte Replik immer mal wiederholend geht die Spielerin wie orientierungslos durch den Raum.

Black. Die Spielerin spricht weiter, aber stetig leiser und langsamer. Sie zieht den Unterrock an, schwanger mit Leuchte1 um den Bauch. Sie murmelt in Schleife und im weiteren Verlauf durchgehend ein Gebet: Der Text verwandelt sich allmählich in das Gebet, das in Schleife gesprochen wird:

AVE MARIA GRATIA PLENA DOMINUS TECUM

BENEDICTA TU IN MULIERIBUS

ET BENEDICTUS FRUCTUS VENTRIS TUI JESUS

SANCTA MARIA MATER DEI ORA PRO NOBIS PECCATORIBUS

NUNC ET IN HORA MORTIS NOSTRAE

AMEN

Dabei bewegt sie sich hilflos tastend im Raum. Weiterbetend geht sie dann zum Klavier und spielt darauf.

Die Musik wird zunehmend intensiver und lauter, so dass das Gebet auch immer lauter und panischer wird.

Schließlich brechen Musik und Gebet abrupt ab; sitzend am Klavier leuchtet die Spielerin ihr Gesicht von unten mit Leuchte2 an. Es folgt ein Dialog, bei dem sie den bösen Geist mit flüsternd zischender Stimme, den Gretchentext mit Margaretes Stimme spricht. Wenn Margarete spricht, könnte die Spielerin die Leuchte vom Gesicht nehmen.

Böser Geist:

Wie anders, Gretchen, war dir’s,
Als du noch voll Unschuld
Hier zum Altar tratst,
Gebete lalltest,
Halb Kinderspiele,
Halb Gott im Herzen!
Gretchen!
Wo steht dein Kopf?
In deinem Herzen
Welche Missetat?

Und unter deinem Herzen
Regt sich’s nicht quillend schon
Und ängstet dich und sich
Mit ahnungsvoller Gegenwart?

Gretchen:

Weh! Weh!
Wär ich der Gedanken los,
Die mir herüber und hinüber gehen
Wider mich!

Böser Geist:

Grimm faßt dich!
Die Posaune tönt!
Die Gräber beben!
Und dein Herz,
Aus Aschenruh
Zu Flammenqualen
Wieder aufgeschaffen,
Bebt auf!

Gretchen:

Wär ich hier weg!
Mir ist, als ob die Orgel mir
Den Atem versetzte,
Gesang mein Herz
Im Tiefsten löste.

Böser Geist:

Grimm faßt dich!
Die Posaune tönt!
Die Gräber beben!
Und dein Herz,
Aus Aschenruh
Zu Flammenqualen
Wieder aufgeschaffen,
Bebt auf!

Gretchen:

Mir wird so eng!
Die Mauernpfeiler
Befangen mich!
Das Gewölbe
Drängt mich! – Luft!

Böser Geist:

Verbirg dich! Sünd und Schande
Bleibt nicht verborgen.
Luft? Licht?
Weh dir!

Gretchen:

Weh! Weh!
Wär ich der Gedanken los,
Die mir herüber und hinüber gehen
Wider mich!

Böser Geist:

Ihr Antlitz wenden
Verklärte von dir ab.
Die Hände dir zu reichen,
Schauert’s den Reinen.
Weh!

Das Klavierspiel setzt wieder ein, laut und durchgängig. Die Spielerin ruft immer mal WEH! WEH! dazwischen.

Klavierspiel bricht ab, die Spielerin geht schnell durch den Raum, Leuchte1 am Bauch wieder an. Dabei ruft sie wiederholend WEH! WEH!

Allmählich langsamer gehen und leiser WEH! WEH! rufen.

Dann noch langsamer gehen und sehr leise rufen, bis zu Stille und Stillstand.

Leuchte1 aus, Black. Leuchte2 an, eines der Podeste anleuchten, dann Text mit Faust-Stimme:

Siehst du dort
Ein blasses, schönes Kind allein und ferne stehen?
Sie schiebt sich langsam nur vom Ort,
Sie scheint mit geschlossnen Füßen zu gehen.
Ich muß bekennen, daß mir deucht,
Daß sie dem guten Gretchen gleicht.

Fürwahr, es sind die Augen einer Toten,
Die eine liebende Hand nicht schloß.
Das ist die Brust, die Gretchen mir geboten,
Das ist der süße Leib, den ich genoß.

Welch eine Wonne! welch ein Leiden!
Ich kann von diesem Blick nicht scheiden.

Die letzten zwei Zeilen stetig wiederholend geht die Spielerin auf das angeleuchtete Podest zu. Wenn sie angekommen ist, hört sie auf zu sprechen und bricht am Podest zusammen.

Sie erhebt sich mühsam und robbt, den schwangeren Bauch mit sich ziehend, langsam bis zu einem anderen Podest. Wenn sie am Podest angekommen ist, zieht sie sich hoch.

Die Leuchte geht aus. Black. Während die Spielerin die Leuchtschlange und den Babykopf präpariert und den Rock wieder anzieht, spricht sie im Dunkeln dämonisch flüsternd mehrmals:

DIE GABEL STICHT

DER BESEN KRATZT

DAS KIND ERSTICKT

DIE MUTTER PLATZT

Leuchte2 geht an, sie spricht weiter, das Gesicht von oben beleuchtet. Leuchte2 wieder aus, immer leiser sprechen und verstummen. Stille, dann ein Wehen-Schrei.

Leuchtschlange an. Diese befindet sich unter dem Unterrock, mit dem Babykopf drauf. Entbindung: Hervorziehen der Leuchtschlange, Unterrock ausziehen, um den Babykopf wickeln. Die Spielerin singt den „König in Thule“ und wiegt dabei das Kind, auf die Bühnenmitte zugehend. Sie bleibt stehen, hält einem imaginären Faust neben ihr das Kind hin und sagt mit Margaretes Stimme mehrmals HEINRICH.

Die Spielerin wechselt zu der Stelle, an der der imaginäre Faust stand. Jetzt ist sie Faust, der das Kind im Arm hält und herzt. Sie will der jetzt imaginären Margarete das Kind wiedergeben, aber plötzlich reißt sie den Kopf von der Leuchtschlange und lacht dämonisch.

Mit dem Kopfabriss geht die Leuchtschlange aus und das Licht an.

Die Spielerin als Faust steht da und schaut die imaginäre Margarete verachtend an. dabei lässt er den Babykopf wie einen Ball hoch und wieder in die Hand fallen. Sie hält den Babykopf vor sich hin, entfernt sich dann von „Margarete“, bleibt stehen und hält ihr den Babykopf wieder „ballspielend“ hin. Den Vorgang mehrmals wiederholen, es muss so wirken, als käme Margarete immer dem Faust hinterher. Dabei eine runde im Raum machen. Während des Spiels könnte die Spielerin immer mal dämonisch auflachen.

Schließlich ist die Spielerin Margarete, die den Babykopf gefangen hat. Sie leggt ihn auf den Unterrock. Hochschnellend ist sie kurz wieder Faust und Mephisto, Wiederholung des „Schulterklopfens“ mit Gelächter. Dann wieder Verwandlung in Margarete, indem sie einem Punkt hinterherschaut, wo sich Faust entfernt. Sie zieht den Unterrock an und ruft verzweifelt mehrmals HEINRICH, den Babykopf dem imaginären Faust entgegenstreckend.

Die Spielerin beginnt das Lied „Meine Ruh ist hin“ zu singen, während sie einen Eimer Wasser holt, in die Mitte stellt und den Babykopf immer wieder in den Wassereimer taucht (2x kurz, 1x lang?), dann lässt sie ihn darin liegen. Kurz vor dem ersten Eintauchen unterbricht sie das Lied.

Die Spielerin starrt eine Weile auf den Eimer, dann geht sie erschrocken rückwärts stolpernd zu dem Podest hinter ihr, wo das Seil bereits festgemacht ist. Die Spielerin macht das andere Seilende um die Hüfte und geht zum Eimer zurück, auf den sie sich setzt. Sie singt das Lied weiter.

Black. Die Spielerin bindet sich los, steigt weiter singend aus dem Unterrock und drapiert Seil und rock so, dass man eine imaginäre angebundene Margarete auf dem Eimer sitzen sieht.

Licht. Die Spielerin tanzt selbstverliebt auf einem Podest. Plötzlich hört sie auf, nimmt das Gebilde in der Mitte wahr und schaut erschrocken schweigend auf sie.

Die Spielerin geht vom Podest und spricht, während sie sich selbst packt und durch den Raum schleudert, in wildem verzweifelten Ton:

Im Elend! Verzweifelnd! Erbärmlich auf der Erde lange verirrt und nun gefangen! Als Missetäterin Im Kerker zu entsetzlichen Qualen eingesperrt, das holde unselige Geschöpf! Bis dahin! dahin! – Verräterischer, nichtswürdiger Geist, und das hast du mir verheimlicht! – Steh nur, steh! Steh und trutze mir durch deine unerträgliche Gegenwart! Gefangen! Im unwiederbringlichen Elend! Bösen Geistern übergeben und der richtenden gefühllosen Menschheit! Und mich wiegst du indes in abgeschmackten Zerstreuungen, verbirgst mir ihren wachsenden Jammer und lässest sie hilflos verderben!

Sie bleibt plötzlich stehen. Es folgt ein Dialog, wechselnd dämonisch (D) und mit Faust-Stimme (F) gesprochen.

D: Warum machst du Gemeinschaft mit uns wenn du sie nicht durchführen kannst? Willst fliegen und bist vorm Schwindel nicht sicher? Drangen wir uns dir auf, oder du dich uns?

F: Mir ekelt’s! – Großer, herrlicher Geist, der du mir zu erscheinen würdigtest, der du mein Herz kennest und meine Seele, warum an den Schandgesellen mich schmieden, der sich am Schaden weidet und am Verderben sich letzt?

F: Rette sie! oder weh dir!

D: »Rette sie!« – Wer war’s, der sie ins Verderben stürzte? Ich oder du?

Die Spielerin läuft nun hilflos durch den Raum und spricht wiederholend und geshuffelt ICH und DU. Sie kann auch Zuschauer anreden.

Black. Immer noch ICH und DU sagend, nimmt die Spielerin wieder die Position der gefangenen Margarete auf dem Eimer ein. Das Sprechen wird zunehmend leiser und weniger bis es ganz verstummt.

Licht. Die Spielerin singt, während sie ein imaginäres Baby im Arm wiegt:

Meine Mutter, die Hur
      Die mich umgebracht hat!
      Mein Vater, der Schelm
      Der mich gessen hat!
      Mein Schwesterlein klein
      Hub auf die Bein
      An einem kühlen Ort;
      Da ward ich ein schönes Waldvögelein;
      Fliege fort, fliege fort!

Dann hört sie mit dem Wiegen auf, so als ob sich das Kind verflüchtigt, und spricht mit gedämpft rhythmischer Stimme:

Bin ich doch noch so jung, so jung!
Und soll schon sterben!
Schön war ich auch, und das war mein Verderben.
Nah war der Freund, nun ist er weit;
Zerrissen liegt der Kranz, die Blumen zerstreut.
Fasse mich nicht so gewaltsam an!
Schone mich! Was hab ich dir getan?
Laß mich nicht vergebens flehen,
Hab ich dich doch mein Tage nicht gesehen!

Sie steht vom Eimer auf und kniet sich vor den Eimer hin. Sie macht Anstalten, den Kopf in den Eimer zu tauchen, wobei sie sich mit einer Hand am Haar packt, wird aber von unsichtbarer Hand zurückgezogen. Mehrmals den Vorgang wiederholen.

Schließlich taucht sie den Kopf so weit in den Eimer, dass die Haarspitzen nass werden. Die Hand am Schopf zieht sie wieder heraus. Die andere Hand greift in den Eimer, nimmt den Puppenkopf heraus und taucht ihn immer wieder ein, während die Spielerin folgenden Text mit gedämpft rhythmischer Stimme spricht:

Ich bin nun ganz in deiner Macht.
Laß mich nur erst das Kind noch tränken.
Ich herzt es diese ganze Nacht;
Sie nahmen mir’s, um mich zu kränken,
Und sagen nun, ich hätt es umgebracht.
Und niemals werd ich wieder froh.
Sie singen Lieder auf mich! Es ist bös von den Leuten!
Ein altes Märchen endigt so,
Wer heißt sie’s deuten?

Die Spielerin hält inne, lässt den Babykopf los, weil sie lauscht. Sie ruft mit Faust-Stimme immer wieder GRETCHEN! und antwortet als Margarete mit HEINRICH?

Dann sagt sie:

Das war des Freundes Stimme!

Während sie weiterspricht, läuft sie herum, aber immer vom Seil eingeschränkt. Wenn sie Faust spricht, bleibt sie kurz vor einem bestimmten Podest stehen:

Margarete: Wo ist er? ich hab ihn rufen hören.
Ich bin frei! mir soll niemand wehren.
An seinen Hals will ich fliegen,
An seinem Busen liegen!
Er rief Gretchen! Er stand auf der Schwelle.
Mitten durchs Heulen und Klappen der Hölle,
Durch den grimmigen, teuflischen Hohn
Erkannt ich den süßen, den liebenden Ton.

Faust: Ich bin’s!

Margarete: Du bist’s! O sag es noch einmal!
Er ist’s! Er ist’s! Wohin ist alle Qual?
Wohin die Angst des Kerkers? der Ketten?
Du bist’s! Kommst, mich zu retten.
Ich bin gerettet!
Schon ist die Straße wieder da
Auf der ich dich zum ersten Male sah.

Faust: Komm mit! Komm mit!

Margarete (geht noch ein paar Schritte, bleibt dann stehen) : O weile
Weil ich doch so gern, wo du weilest.

Die Spielerin bleibt vor dem bestimmten Podest stehen, greift nach dem imaginären Faust, aber kommt wegen des Seils nicht an ihn heran.

Faust: Eile!
Wenn du nicht eilest
Werden wir’s teuer büßen müssen.

Die Spielerin versucht an „Faust“ heranzukommen und ihn zu küssen, aber sie kommt nicht an ihn heran.

Faust: Wie? du kannst nicht mehr küssen?
Mein Freund, so kurz von mir entfernt
Und hast’s Küssen verlernt?
Warum wird mir an deinem Halse so bang?
Wenn sonst von deinen Worten, deinen Blicken
Ein ganzer Himmel mich überdrang
Und du mich küßtest, als wolltest du mich ersticken.
Küsse mich!

Sonst küß ich dich!

Die Spielerin spielt Margarete, die von einem imaginären Faust gepackt und wild auf den Mund geküsst wird. Es ist ein brutaler Kuss, wie die Gegenreaktion Margaretes zeigt.

Margarete (reißt sich los):O weh! deine Lippen sind kalt,
Sind stumm.
Wo ist dein Lieben
Geblieben?
Wer brachte mich drum?

Faust (schmeichelnd):

Komm! Folge mir! Liebchen, fasse Mut!
Ich herze dich mit tausendfacher Glut
Nur folge mir! Ich bitte dich nur dies!

Margarete: Und bist du’s denn? Und bist du’s auch gewiß?

Faust: Ich bin’s! Komm mit!

Sie macht das Seil von ihrer Hüfte und schleudert es weg.

Margarete: Du machst die Fesseln los,
Nimmst wieder mich in deinen Schoß.
Wie kommt es, daß du dich vor mir nicht scheust?
Und weißt du denn, mein Freund, wen du befreist?

Faust: Komm! komm!

Margarete (Faust das „Gesicht“ liebkosend, dann seine „Hand“ nehmend):

Mein Kind hab ich ertränkt.
War es nicht dir und mir geschenkt?
Dir auch. – Du bist’s! ich glaub es kaum.
Gib deine Hand! Es ist kein Traum!
Deine liebe Hand! – Ach, aber sie ist feucht!
Wische sie ab! Wie mich deucht,
Ist Blut dran.

Sie reißt sich von ihm los. Dann wiederholt sie das Spiel, aber immer wieder sich wieder losreißend:

Niemand wird sonst bei mir liegen! –
Mich an deine Seite zu schmiegen,
Das war ein süßes, ein holdes Glück!
Aber es will mir nicht mehr gelingen;
Mir ist’s, als müßt ich mich zu dir zwingen,
Als stießest du mich von dir zurück;
Und doch bist du’s und blickst so gut, so fromm.

Faust: Fühlst du, daß ich es bin, so komm!

Margarete: Dahinaus?

Faust: Ins Freie.

Sie hält inne, dann fällt ihr Blick auf den Eimer. Sie geht schnell zum Eimer und klammert sich daran fest. Dann spricht sie:

Und weiter keinen Schritt –
Du gehst nun fort? O Heinrich, könnt ich mit!

Faust: Du kannst! So wolle nur! Die Tür steht offen!

Margarete: Ich darf nicht fort; für mich ist nichts zu hoffen.
Was hilft es, fliehn? Sie lauern doch mir auf.

Faust: Ich bleibe bei dir.

Sie nimmt den Eimer, trägt ihn zu „Faust“, der vor ihr wegläuft, so dass sie ihm „nachlaufen“ muss. Dabei spricht sie:

Geschwind! Geschwind!
Rette dein armes Kind!
Fort! immer den Weg
Am Bach hinauf,
Über den Steg,
In den Wald hinein,
Links, wo die Planke steht,
Im Teich.
Faß es nur gleich!
Es will sich heben,
Es zappelt noch!
Rette! rette!

Sie stellt den Eimer ab und schaut auf dem Punkt, wo Faust nun steht.

Faust: Besinne dich doch!
Nur
einen Schritt, so bist du frei!

Sie überlegt, ob sie den Schritt machen soll, hebt ein Bein, zieht es aber wieder zurück. Stattdessen kniet sie vor den Eimer und will den Kopf hineinstecken. Eine unsichtbare Kraft reißt sie zurück. Sie wehrt sich und ruft:

Laß mich! Nein, ich leide keine Gewalt!
Fasse mich nicht so mörderisch an!
Sonst hab ich dir ja alles zulieb getan.

Entspannung. Sie spricht nur noch das LASS MICH in Schleife weiter, zwischendurch ein stetig leiser werdendes LIEBCHEN! LIEBCHEN! mit Faust-Stimme.

Black. Leises dämonisches Gelächter. Die Spielerin macht eine Leuchte an, leuchtet sich selber ins Gesicht und raunt:

Heinrich! Mir graut’s vor dir.

Sie steckt ihren Kopf langsam in den Eimer, sich selbst anleuchtend. Kurz bevor man den Eindruck bekommt, dass sie ihn ganz reinstecken wird, macht sie die Leuchte aus.

E N D E

**********

*** VERSION FÜR DREI SPIELERINNEN ***

Bühne:

Die Zuschauer-Stühle sind im Dreieck angeordnet, mit Blickrichtung zur Mitte. An den drei Ecken befinden sich drei Spieler-Podeste.

Wenn die Zuschauer den Raum betreten und Platz nehmen, sitzen die drei Spielerinnen bereits auf den Podesten, in Posen der Resignation. Sie tragen alle Hemd und Krawatte und stellen den älteren Faust dar. Jede für sich spricht wiederholend in Schleife:

HABE NUN

ACH!

PHILOSOPHIE

JURISTEREI UND MEDIZIN

UND LEIDER AUCH THEOLOGIE

DURCHAUS STUDIERT

MIT HEISSEM BEMÜHN

DA SITZ ICH NUN

ICH ARMER TOR

UND BIN SO KLUG ALS WIE ZUVOR

Wenn die Zuschauer sitzen, bricht der Chor jäh ab. Alle Spielerinnen rufen synchron:

ES MÖCHTE KEIN HUND SO LÄNGER LEBEN

Sie stehen auf und sprechen synchron und leise:

DRUM HAB ICH MICH DER MAGIE ERGEBEN

OB MIR DURCH GEISTES KRAFT UND MUND

NICHT MANCH GEHEIMNIS WÜRDE KUND

Sie gehen synchron auf die Mitte zu und wiederholen dabei halblaut:

DRUM HAB ICH MICH DER MAGIE ERGEBEN

OB MIR DURCH GEISTES KRAFT UND MUND

NICHT MANCH GEHEIMNIS WÜRDE KUND

Sie bilden ein Dreieck, das Gesicht zum Publikum, holen ein Reagenzglas aus der Hemdtasche und wiederholen laut:

DRUM HAB ICH MICH DER MAGIE ERGEBEN

OB MIR DURCH GEISTES KRAFT UND MUND

NICHT MANCH GEHEIMNIS WÜRDE KUND

Sie trinken den Inhalt des Reagenzglases. (Falls die Zuschauer an der Kasse ein Reagenzglas erhalten haben, wäre das der Moment für sie, es ebenfalls zu leeren.)

Sprech- und Bewegungschoreografie mit folgendem Text:

     Schwindet, ihr dunkeln
      Wölbungen droben!
      Reizender schaue
      Freundlich der blaue
      Äther herein!
      Wären die dunkeln
      Wolken zerronnen!
      Sternelein funkeln,
      Mildere Sonnen
      Scheinen darein.
      Himmlischer Söhne
      Geistige Schöne,
      Schwankende Beugung
      Schwebet vorüber.
      Sehnende Neigung
      Folget hinüber;
      Und der Gewänder
      Flatternde Bänder
      Decken die Länder,
      Decken die Laube,
      Wo sich fürs Leben,
      Tief in Gedanken,
      Liebende geben.
      Laube bei Laube!
      Sprossende Ranken!
      Lastende Traube
      Stürzt ins Behälter
      Drängender Kelter,
      Stürzen in Bächen
      Schäumende Weine,
      Rieseln durch reine,
      Edle Gesteine,
      Lassen die Höhen
      Hinter sich liegen,
      Breiten zu Seen
      Sich ums Genüge
      Grünender Hügel.
      Und das Geflügel
      Schlürfet sich Wonne,
      Flieget der Sonne,
      Flieget den hellen
      Inseln entgegen,
      Die sich auf Wellen
      Gauklend bewegen;
      Wo wir in Chören
      Jauchzende hören,
      Über den Auen
      Tanzende schauen,
      Die sich im Freien
      Alle zerstreuen.
      Einige klimmen
      Über die Höhen,
      Andere schwimmen
      Über die Seen,
      Andere schweben;
      Alle zum Leben,
      Alle zur Ferne
      Liebender Sterne,
      Seliger Huld.

Die Choreografie endet damit, dass alle Spielerinnen wieder auf ihren Podesten sitzen. Die Köpfe hängen herunter.

W3 zieht sich eine Pudel-Ski-Mütze auf, die unter dem Podest versteckt ist, hebt den Kopf und deutet mit Mimik, Lauten usw. einen Hund an. W1 und W2 beobachten sie, reiben sich die Augen oder machen andere Gesten des Erstaunens.

W3 läuft (aber nicht auf vier Beinen!) durch den Raum, W1 und W2 springen auf und versuchen jeweils den „Hund“ zu fangen. Dabei sprechen sie:

ICH FÜHLS DU SCHWEBST UM MICH ERFLEHTER GEIST

ENTHÜLLE DICH

HA WIES IN MEINEM HERZEN REISST

ZU NEUEN GEFÜHLEN

ALL MEINE SINNE SICH ERWÜHLEN

ICH FÜHLE GANZ MEIN HERZ DIR HINGEGEBEN

DU MUSST DU MUSST UND KOSTET ES MEIN LEBEN

W3 steht vor ihrem Podest, Gesicht zur Wand, W1 und W2 stellen sich links und rechts hinter sie. W3 zieht sich die Mütze übers Gesicht, welche Augen- und Mundschlitze hat. Sie ruft:

WER RUFT MIR

W1 und W2 drehen W3 um, wenden sich erschrocken ab und rufen:

SCHRECKLICHES GESICHT

W3 antwortet:

UND NUN

W1 und W2 daraufhin:

WEH ICH ERTRAG DICH NICHT

W1 und W2 bewegen sich langsam und von W3 abgewandt zu ihren Podesten. Dabei murmeln sie in Schleife:

DAS ALSO WAR DES PUDELS KERN

An ihren Podesten angekommen, blicken sie W3 wieder an, die inzwischen die Mütze abgenommen hat. Spiegel-Choreografie, dann Sprech-Choreografie. W3 beginnt mit dämonischer Stimme, die anderen setzen mit normaler Stimme versetzt mit ein, aber nach und nach werden ihre Stimmen ebenfalls dämonisch, so dass zwischen ihnen kein Unterschied mehr besteht:

ICH BIN DER GEIST DER STETS VERNEINT

UND DAS MIT RECHT

DENN ALLES WAS ENTSTEHT

IST WERT DASS ES ZUGRUNDE GEHT

DRUM BESSER WÄRS DASS NICHTS ENTSTÜNDE

SO IST DENN ALLES WAS IHR SÜNDE

ZERSTÖRUNG KURZ DAS BÖSE NENNT

MEIN EIGENTLICHES ELEMENT

Es folgt eine Bewegungschoreografie, bestehend aus vier bestimmten Gesten, die in Schleife von allen synchron wiederholt werden. Allmählich kommen die vier Worte dazu:

WELLEN STÜRMEN SCHÜTTELN BRAND

Sprechend und die Gesten dazu wiederholend bewegen sich alle Spielerinnen durch den Raum. Zunehmende Intensität, bis alle sich auf den Boden fallen lassen und liegenbleiben. Mit der nächsten Sprech- und Bewegungschoreografie stehen die Spielerinnen wie schlafwandelnd auf und ziehen sich gegenseitig Hemd und Krawatte aus. Unter den Hemden kommen jugendlich wirkende Shirts zum Vorschein. Den Text sprechen sie in ruhigem träumerischen Ton:

Weh! weh!
      Du hast sie zerstört
      Die schöne Welt,
      Mit mächtiger Faust;
      Sie stürzt, sie zerfällt!
      Ein Halbgott hat sie zerschlagen!
      Wir tragen
      Die Trümmern ins Nichts hinüber,
      Und klagen
      Über die verlorne Schöne.
      Mächtiger
      Der Erdensöhne,
      Prächtiger
      Baue sie wieder,
      In deinem Busen baue sie auf!
      Neuen Lebenslauf
      Beginne,
      Mit hellem Sinne,
      Und neue Lieder
      Tönen darauf!

Wiederholen des Textes, diesmal schnell, laut und wild. Dazu wird W1 von den anderen durch den Raum geschleudert. Schließlich bleibt W1 am Boden liegen. Die anderen „begraben“ sie mit den Hemden und Krawatten und setzen sich wieder auf ihre Podeste.

W2 zieht einen Unterrock an, während W3 aufsteht und W1 aus dem Hemdenhaufen befreit. W3 hilft ihr hoch, dreht sie und spricht währenddessen:

Ich muß dich nun vor allen Dingen
In lustige Gesellschaft bringen,
Damit du siehst, wie leicht sich’s leben läßt.

W3 setzt sich in den Hemdenhaufen und beobachtet W1, wie sie Richtung Publikum wankt, sich zwischen zwei Zuschauer setzt, wieder aufsteht, zwischen zwei andere Zuschauer setzt, usw. Dabei wiederholt sie mit leisem schlafwandlerischem Ton die Zeilen, als müsse sie sie sich nachsprechend einprägen:

Ich muß mich nun vor allen Dingen
In lustige Gesellschaft bringen,
Damit ich seh, wie leicht sich’s leben läßt.

Schließlich steht W3 auf, führt W1 zu deren Podest. W3 zieht einen Unterrock an, aber nur halb. W1 stellt den jungen Faust dar, W2 Margarete, W3 beide Figuren.

Choreografie: Ein Faust spricht eine Margarete mit den Worten an:

MEIN SCHÖNES FRÄULEIN DARF ICH WAGEN

MEINEN ARM UND GELEIT IHR ANZUTRAGEN?

Die Angesprochene antwortet, aber den anderen Faust ansehend:

BIN WEDER FRÄULEIN WEDER SCHÖN

KANN UNGELEITET NACH HAUSE GEHN

Der von ihr angesehene Faust richtet den Blick nun zur anderen Margarete und wiederholt den ersten Satz usw.

Dieses Spiel soll eine Weile laufen und etwas zunehmend Verspieltes bekommen, so wie wenn man als Erwachsener eher lustlos ein Ballspiel beginnt, und mit der Zeit Lust bekommt und zum Kind wird.

Schließlich hört das Spiel auf. W1 beginnt mit dem folgenden Text. Nach und nach kommt eine Stimme dazu. Während des Sprechens zieht W3 den Unterrock ganz an und am Ende W1 ebenfalls einen Unterrock an. Das Sprechen wird zunehmend lauter und intensiver:

BEIM HIMMEL DIESES KIND IST SCHÖN

SO ETWAS HAB ICH NIE GESEHN

SIE IST SO SITT- UND TUGENDREICH

UND ETWAS SCHNIPPISCH DOCH ZUGLEICH

DER LIPPE ROT DER WANGE LICHT

DIE TAGE DER WELT VERGESS ICHS NICHT

WIE SIE DIE AUGEN NIEDERSCHLÄGT

HAT TIEF SICH IN MEIN HERZ GEPRÄGT

WIE SIE KURZ ANGEBUNDEN WAR

DAS IST NUN ZUM ENTZÜCKEN GAR

Das Sprechen hört schlagartig auf. Die Spielerinnen nehmen ihre Positionen ein, die folgenden Aktionen laufen parallel ab. (Wie sich die Texte verschränken, muss in den Proben entwickelt werden).

# W3 steht vor einem imaginären Spiegel und kämmt sich das Haar, flechtet sich Zöpfe und bindet sie auf. Dazu singt sie durchgehend:

Es war ein König in Thule,

Gar treu bis an das Grab,

Dem sterbend seine Buhle

Einen goldnen Becher gab.

Es ging ihm nichts darüber,

Er leert‘ ihn jeden Schmaus;

Die Augen gingen ihm über,

So oft er trank daraus.

Und als er kam zu sterben,

Zählt‘ er seine Städt‘ im Reich,

Gönnt‘ alles seinen Erben,

Den Becher nicht zugleich.

Er saß bei’m Königsmahle,

Die Ritter um ihn her,

Auf hohem Vätersaale,

Dort auf dem Schloß am Meer.

Dort stand der alte Zecher,

Trank letzte Lebensglut,

Und warf den heiligen Becher

Hinunter in die Flut.

Er sah ihn stürzen, trinken

Und sinken tief ins Meer,

Die Augen täten ihm sinken,

Trank nie einen Tropfen mehr.

# W2 ist aus ihrem Unterrock gestiegen und kniet sich, mit einem Nachthemd bekleidet, auf den Rock. Sie betet

AVE MARIA GRATIA PLENA DOMINUS TECUM

BENEDICTA TU IN MULIERIBUS

ET BENEDICTUS FRUCTUS VENTRIS TUI JESUS

SANCTA MARIA MATER DEI ORA PRO NOBIS PECCATORIBUS

NUNC ET IN HORA MORTIS NOSTRAE

AMEN

unterbricht aber das Gebet immer wieder mit Sätzen aus folgender Replik:

ICH GÄB WAS DRUM WENN ICH NUR WÜSST

WER HEUT DER HERR GEWESEN IST

ER SAH GEWISS RECHT WACKER AUS

UND IST AUS EINEM EDLEN HAUS

DAS KONNT ICH IHM AN DER STIRNE LESEN

ER WÄR AUCH SONST NICHT SO KECK GEWESEN

# W3 steht mit dem Gesicht zur Wand und masturbiert. Dazu spricht sie:

ES IST SO SCHWÜL SO DUMPFIG HIE

ES WIRD MIR SO ICH WEISS NICHT WIE

MIR LÄUFT EIN SCHAUER ÜBERN GANZEN LEIB

Die Frauen halten gleichzeitig mit ihren Aktionen inne. W2 verharrt reglos. W1 und W3 steigen aus dem Unterrock und rufen sich wiederholt und durcheinander zu:

HÖR DU MUSST MIR DIE DIRNE SCHAFFEN

Sie werden dabei immer lauter und aggressiver und bewegen sich auf die Mitte zu. In der Mitte beginnen sie sich zu packen und wiederholt und durcheinander zu sagen:

UND DAS SAG ICH IHM KURZ UND GUT

WENN NICHT DAS SÜSSE JUNGE BLUT

HEUT NACHT IN MEINEN ARMEN RUHT

SO SIND WIR UM MITTERNACHT GESCHIEDEN

Dann lassen sie voneinander ab und schauen sich verwundert an, in dem Sinne, dass sie sich ihres Identischseins bewusst werden. Sie lachen und klopfen sich kameradschaftlich auf die Schulter. Das Schulterklopfen wird allmählich zu einem bestimmten Vorgang: W1 ermutigt damit W3, auf W2 zuzugehen.

Parallel dazu – ab dem Lachen der „Männer“ – spricht W2 wiederholend:

ER LIEBT MICH

ER LIEBT MICH NICHT

Mit diesen Worten löst sich W2 langsam von ihrer Position und geht auf die Mitte zu. Wenn sie angekommen ist, sagt sie abschließend ER LIEBT MICH.

Parallel dazu bewegt sich W1 von der Mitte zurück zu ihrem Podest.

Schließlich stehen sich W3 und W2 in der Mitte gegenüber. Sie drehen sich voneinander weg und drehen sich im weiteren Verlauf im Zeitlupentempo, als wären sie auf einer Drehbühne. W2 versucht dabei zu sprechen, macht mehrmals einen Anlauf, kriegt aber vor lauter Aufregung nur einzelne Laute, Silben oder Worte heraus.

W3 setzt zu sprechen an, sagt MARGARETE, wird wieder stumm. Darauf sagt W2:

ICH WEISS ZU GUT DASS SOLCH ERFAHRNEN MANN

MEIN ARM GESPRÄCH NICHT UNTERHALTEN KANN

W3 antwortet:

EIN BLICK VON DIR EIN WORT MEHR UNTERHÄLT

ALS ALLE WEISHEIT DIESER WELT

Sie drehen sich zueinander und schauen sich eine Weile schweigend an. Dann umarmen sie sich und lassen leidenschaftlich die Hände über den Körper des Gegenübers gleiten. Dieser Vorgang muss eine Weile dauern. Er soll etwas gleich-rhythmisches haben, ohne mechanisch zu wirken.

W1 intoniert ein heftiges Atmen dazu, das erotisch klingen, aber keinen Orgasmus imitieren soll. Es darf nicht unfreiwillig komisch wirken.

Nach einer Weile gehet W1 mit ihrem Unterrock und denen von W2 undW3 weiter heftig atmend auf die Mitte zu und stülpt die Unterröcke nach und nach so über das Paar, dass sie am Ende komplett darunter verschwunden sind. Sie bewegen sich aber weiter.

Schließlich kriecht immer eine andere Spielerin unter das Gebilde und löst eine der anderen ab. Dazu weiter heftiges Atmen. Am Ende ist nur noch W1 unter den Röcken, die anderen wieder an ihren Podesten.

W1 lässt sich auf den Boden fallen und liegt unter den Röcken begraben. Das heftige Atmen hört auf. W3 geht in die Mitte und befreit W1 aus dem Röckeberg. W1 sieht W3 an und wiederholt, immer zerrissener werdend:

ERHABNER GEIST

DU GABST MIR

GABST MIR ALLES

WORUM ICH BAT

W1 wird zunehmend wilder, wie verzweifelt, und reißt schließlich weitersprechend W3 auf die am Boden liegenden Röcke. Beide vollführen kniend den Vorgang des gegenseitigen Abtastens der Körper.

Während des Abtastens beginnt W2 zu singen:

Meine Ruh ist hin,
      Mein Herz ist schwer;
      Ich finde sie nimmer
      und nimmermehr.

      Wo ich ihn nicht hab,
      Ist mir das Grab,
      Die ganze Welt
      Ist mir vergällt.

      Mein armer Kopf
      Ist mir verrückt,
      Meiner armer Sinn
      Ist mir zerstückt.

Ab hier übernimmt W1 den Gesang, ohne ihre Position zu verlassen. W2 zieht ihr Nachthemd aus und geht zu dem Paar.

      Meine Ruh ist hin,
      Mein Herz ist schwer,
      Ich finde sie nimmer
      und nimmermehr.

      Nach ihm nur schau ich
      Zum Fenster hinaus,
      Nach ihm nur geh ich
      Aus dem Haus.

      Sein hoher Gang,
      Sein edle Gestalt,
      Seines Mundes Lächeln,
      Seiner Augen Gewalt,

      Und seiner Rede
      Zauberfluß,
      Sein Händedruck,
      Und ach! sein Kuß!

Ab hier übernimmt W3 den Gesang, ohne ihre Position zu verlassen. W2 reißt W1 von W3 weg.

      Meine Ruh ist hin,
      Mein Herz ist schwer,
      Ich finde sie nimmer
      und nimmermehr.

      Mein Busen drängt
      Sich nach ihm hin,
      Ach dürft ich fassen
      Und halten ihn,

      Und küssen ihn,
      So wie ich wollt,
      An seinen Küssen
      Vergehen sollt!

Während W2 spricht, reißt sie immer wieder W1 von W3, die sich immer wieder an W1 festzuhalten versucht. W3 singt leise und in Schleife weiter die erste Strophe des Liedes.

W2: GENUG DAMIT DEIN LIEBCHEN SITZT DADRINNE

UND ALLES WIRD IHR ENG UND TRÜB

DU KOMMST IHR GAR NICHT AUS DEM SINNE

SIE HAT DICH ÜBERMÄCHTIG LIEB

DIE ZEIT WIRD IHR ERBÄRMLICH LANG

(Pause, Gesang durchlassen) – SO GEHT IHR GESANG

TAGELANG HALBE NÄCHTE LANG

EINMAL IST SIE MUNTER MEIST BETRÜBT

EINMAL RECHT AUSGEWEINT

DANN WIEDER RUHIG WIES SCHEINT

UND IMMER VERLIEBT

W1 stößt schließlich W3 von sich und ruft:

SCHLANGE SCHLANGE

W3 zieht sich (schlangengleich?) an W2 hoch und sagt dabei:

GELT DAS ICH DICH FANGE

W3 streichelt W2 wild und andauernd über Kopf und Gesicht. W2 sträubt sich erst, dann lässt sie sich darauf ein und spielt mit, während sie währenddessen immer mal MARGARETE! ruft. Nach einer Weile ruft auch W3 immer mal MARGARETE!

W1 spricht währenddessen auf das Paar ein:

VERRUCHTER HEBE DICH VON HINNEN

UND NENNE NICHT DAS SCHÖNE WEIB

BRING DIE BEGIER ZU IHREM SÜSSEN LEIB

NICHT WIEDER VOR DIE HALBVERRÜCKTEN SINNEN

W1 reißt W2 und W3 voneinander. Sie antworten im Chor:

WAS SOLL ES DENN

SIE MEINT DU SEIST ENTFLOHN

UND HALB UND HALB BIST DU ES SCHON

Mit dem letzten Satz drängen W2 und W3 sich an W1, sie streichelnd. W1 wehrt sich ein wenig, lässt es aber dann geschehen.

W1 beginnt mit dem folgenden Satz:

ICH BIN IHR NAH UND WÄR ICH NOCH SO FERN

ICH KANN SIE NIE VERGESSEN NIE VERLIEREN

W2 und W3 setzen nach und nach mit ein. Sie wiederholen ihn und vollführen dabei den Vorgang des Streichelns stetig weiter, wobei irgendwann jede jede streichelt. Die Bewegungen sind anfangs rasch, viel und leidenschaftlich, nehmen dann in jeder Hinsicht immer mehr ab. Schließlich liegen alle drei reglos auf den Unterröcken.

Es wird völlig dunkel auf der Bühne. Alle Spieler gehen auf die Positionen, in denen sie im Folgenden sein müssen.

Auf ihrem Podest W2, wieder im Unterrock, schwanger und in Bethaltung. Vor ihr eine Kerze. Sie murmelt in Schleife und im weiteren Verlauf durchgehend ein Gebet:

AVE MARIA GRATIA PLENA DOMINUS TECUM

BENEDICTA TU IN MULIERIBUS

ET BENEDICTUS FRUCTUS VENTRIS TUI JESUS

SANCTA MARIA MATER DEI ORA PRO NOBIS PECCATORIBUS

NUNC ET IN HORA MORTIS NOSTRAE

AMEN

W1, ebenfalls im Unterrock und schwanger, bewegt sich hilflos tastend im Raum, eventuell in Zeitlupe. Um ihren Körper ist eine Leuchtschlange gewunden. Man muss vor allem Gesicht und Bauch sehen.

Nach einer Weile ertönt Orgelmusik, gespielt von W3. Die Musik wird zunehmend intensiver und lauter, so dass das Gebet auch immer lauter und panischer wird. W1 rennt – aber in Zeitlupe! – panisch durch den Raum.

Schließlich brechen Musik und Gebet abrupt ab. Kerze und Leuchtschlange gehen aus. W1 bleibt in der Mitte stehen. W2 und W3 strahlen mit Leuchten ihre Gesichter von unten an, gleichzeitig W1 ihr Gesicht von oben.

W2 und W3 sprechen den bösen Geist synchron und mit flüsternd zischender Stimme. Den Gretchentext spricht W1.

Böser Geist:

Wie anders, Gretchen, war dir’s,
Als du noch voll Unschuld
Hier zum Altar tratst,
Gebete lalltest,
Halb Kinderspiele,
Halb Gott im Herzen!
Gretchen!
Wo steht dein Kopf?
In deinem Herzen
Welche Missetat?

Und unter deinem Herzen
Regt sich’s nicht quillend schon
Und ängstet dich und sich
Mit ahnungsvoller Gegenwart?

Gretchen:

Weh! Weh!
Wär ich der Gedanken los,
Die mir herüber und hinüber gehen
Wider mich!

Böser Geist:

Grimm faßt dich!
Die Posaune tönt!
Die Gräber beben!
Und dein Herz,
Aus Aschenruh
Zu Flammenqualen
Wieder aufgeschaffen,
Bebt auf!

Gretchen:

Wär ich hier weg!
Mir ist, als ob die Orgel mir
Den Atem versetzte,
Gesang mein Herz
Im Tiefsten löste.

Böser Geist:

Grimm faßt dich!
Die Posaune tönt!
Die Gräber beben!
Und dein Herz,
Aus Aschenruh
Zu Flammenqualen
Wieder aufgeschaffen,
Bebt auf!

Gretchen:

Mir wird so eng!
Die Mauernpfeiler
Befangen mich!
Das Gewölbe
Drängt mich! – Luft!

Böser Geist:

Verbirg dich! Sünd und Schande
Bleibt nicht verborgen.
Luft? Licht?
Weh dir!

Gretchen:

Weh! Weh!
Wär ich der Gedanken los,
Die mir herüber und hinüber gehen
Wider mich!

Böser Geist:

Ihr Antlitz wenden
Verklärte von dir ab.
Die Hände dir zu reichen,
Schauert’s den Reinen.
Weh!

Alle Leuchten gehen aus. Das Orgelspiel setzt wieder ein und wird zunehmend lauter, die Leuchtschlange geht an. W1 rennt panisch – wieder in Zeitlupe – durch den Raum, bricht ungefähr im Bühnenmittelpunkt zusammen und bleibt liegen. Die Leuchtschlange geht aus.

Die Orgel verstummt. Alle gehen, während sie halblaut in Schleife WEH! WEH! rufen, zu ihren nächsten Positionen und lassen alle nicht mehr gebrauchten Requisiten verschwinden. W2 wechselt die Position mit W1.

Die Leuchtschlange geht wieder an, die jetzt W2 umhat. W2 liegt auf dem Boden. Sie erhebt sich mühsam und robbt, den schwangeren Bauch mit sich ziehend, langsam bis zu ihrem Podest. Dabei sprechen W1 und W3:

W3: Siehst du dort
Ein blasses, schönes Kind allein und ferne stehen?
Sie schiebt sich langsam nur vom Ort,
Sie scheint mit geschlossnen Füßen zu gehen.
Ich muß bekennen, daß mir deucht,
Daß sie dem guten Gretchen gleicht.

W1: Fürwahr, es sind die Augen einer Toten,
Die eine liebende Hand nicht schloß.
Das ist die Brust, die Gretchen mir geboten,
Das ist der süße Leib, den ich genoß.

W3: Welch eine Wonne! welch ein Leiden!
Ich kann von diesem Blick nicht scheiden.

W1 + W3: Welch eine Wonne! welch ein Leiden!
Ich kann von diesem Blick nicht scheiden.

Wenn W2 am Podest angekommen ist, ziehen W1 und W3 sie auf das Podest und ihre Beine auseinander, so dass sich W2 in Gebärhaltung befindet.

Wieder dunkel. W1 und W3 leuchten wieder ihre Gesichter dämonisch an und sprechen mit den Böse-Geister-Stimmen in Schleife:

DIE GABEL STICHT

DER BESEN KRATZT

DAS KIND ERSTICKT

DIE MUTTER PLATZT

Die Leuchten gehen aus, der Chor spricht weiter. W3 übernimmt die Position von W2, W2 übernimmt den Chorpart von W3.

W3 beginnt wie bei Wehen zu schreien. Der Chor verstummt. W1 und W2 ziehen die Unterröcke so über den kopf, dass sie wie Nonnen aussehen.

Die Leuchtschlange geht an. W3 wird entbunden, indem die Leuchtschlange zur Nabelschnur umfunktioniert und durch den Unterrock geschoben wird. Am Ende der Leuchtschlange wird ein Babykopf sichtbar. W2 zieht ihren Unterrock aus und wickelt ihn um den Hals des Babykopfes. Dann gibt sie das Baby W3. Diese schaukelt das Kind im Arm und singt erneut den „König in Thule“.

W1 und W2 stellen sich ohne Unterrock vor ihre Podeste. Licht an. W1 und W2 beobachten W3; sie stellen Faust dar.

W3 blickt um sich und sagt mehrmals HEINRICH. Dann geht sie, das Baby vor sich haltend in die Mitte. Auch die zwei Fausts gehen auf die Mitte zu. Wenn sie sich treffen, geht das Baby von Faust zu Faust. Die Fausts schauen das Kind liebevoll an und herzen es, bevor sie es weiterreichen. Ein Faust will schließlich das Baby ihrer Mutter wiedergeben, aber der andere reißt es ihm aus der Hand. Er nimmt den Babykopf und wirft ihn dem ersten Faust zu. W3 will ihn fangen, erwischt ihn aber nicht. Die Fausts spielen Ball mit dem Kopf, während W3 verzweifelt versucht, ihn zu erwischen.

Schließlich gehen die Fausts in die Mitte und bilden einen zusammenhängenden Körper, indem sie sich aneinander festhalten. Die Haltungen sollen Zusammengehörigkeit / Besitzergreifung von Liebespartnern assoziieren. Zum Beispiel: Hand auf dem Hintern, Arme um den Hals oder Hüfte usw. Die Haltungen wechseln mehrmals, bis eine endgültige Haltung gestellt wird.

Der Faust-Körper blickt W3 verachtend an. Einer der Fausts hält ihr den Babykopf hin. Alle drehen sich einmal langsam drehbühnenartig, dann bleiben sie stehen. Der Kopf wird W3 zugeworfen, sie fängt ihn auf.

Die Fausts lösen sich, klopfen sich gegenseitig auf die Schulter und lachen. Dann bewegen sie sich zurück zu ihren Podesten. W3 ruft verzweifelt mehrmals HEINRICH und streckt ihnen den Babykopf entgegen.

W2 und W1 ziehen die Unterröcke wieder an. Alle singen das Lied „Meine Ruh ist hin“, während W2 einen Eimer Wasser und W1 den Babykopf W3 bringt, welche verzweifelt auf ihrem Podest sitzt.

Der Gesang hört auf. Der Eimer wird vor W3 hingestellt, der Babykopf ihr in die Hand gedrückt. W3 taucht den Kopf immer wieder in den Wassereimer, dann lässt sie ihn darin liegen.

W1 und W2 ziehen die Unterröcke an sich hoch, dass diese aussehen wie Umhänge. Sie stellen nun Schergen dar. W1 bindet W3 ein Seil um die Hüften und das andere Ende an ihr Podest. W2 drückt ihr den Eimer in die Hand. W1 und W2 gehen zu ihrem Podest und ziehen den Unterrock aus. W3 geht langsam in die Mitte, stellt den Eimer ab und setzt sich drauf.

Ein Disco-Beat wird eingespielt, dazu tanzen W1 und W2 auf ihren Podesten. Plötzlich hören Musik und Tanz auf, Sie nehmen W3 wahr und schauen erschrocken schweigend auf sie.

Nach einer Weile geht das Licht aus; es folgt eine verzweifelt chaotische Sprechchoreografie mit dem Text:

Im Elend! Verzweifelnd! Erbärmlich auf der Erde lange verirrt und nun gefangen! Als Missetäterin Im Kerker zu entsetzlichen Qualen eingesperrt, das holde unselige Geschöpf! Bis dahin! dahin! – Verräterischer, nichtswürdiger Geist, und das hast du mir verheimlicht! – Steh nur, steh! Steh und trutze mir durch deine unerträgliche Gegenwart! Gefangen! Im unwiederbringlichen Elend! Bösen Geistern übergeben und der richtenden gefühllosen Menschheit! Und mich wiegst du indes in abgeschmackten Zerstreuungen, verbirgst mir ihren wachsenden Jammer und lässest sie hilflos verderben!

Licht. W3 hat den Unterrock auf dem Eimer gelassen und das Seil abgemacht, und steht jetzt auch auf ihrem Podest. W1 geht zu W2, packt sie und reißt sie vom Podest. W3 geht von ihrem Podest herunter und reißt W1 von W2 weg.

W3: Warum machst du Gemeinschaft mit uns wenn du sie nicht durchführen kannst? Willst fliegen und bist vorm Schwindel nicht sicher? Drangen wir uns dir auf, oder du dich uns?

W1: Mir ekelt’s! – Großer, herrlicher Geist, der du mir zu erscheinen würdigtest, der du mein Herz kennest und meine Seele, warum an den Schandgesellen mich schmieden, der sich am Schaden weidet und am Verderben sich letzt?

W2: Rette sie! oder weh dir!

W3: »Rette sie!« – Wer war’s, der sie ins Verderben stürzte? Ich oder du?

Die drei laufen nun durch den Raum und sprechen in Schleife jeder für sich ICH und DU. Sie können auch Zuschauer anreden.

Licht aus. W2 geht zu Eimer und Seil, zieht den Unterrock an und nimmt die frühere Haltung von W3 ein. Dazu singen W1 und W3:

Meine Mutter, die Hur
      Die mich umgebracht hat!
      Mein Vater, der Schelm
      Der mich gessen hat!
      Mein Schwesterlein klein
      Hub auf die Bein
      An einem kühlen Ort;
      Da ward ich ein schönes Waldvögelein;
      Fliege fort, fliege fort!

Licht an, noch während des Liedes. W2 sitzt auf dem Eimer und schaukelt ein imaginäres Baby im Arm. W1 und W3 haben ihre Unterröcke an.

W2 steht vom Eimer auf und kniet sich vor den Eimer hin. W3 packt W2 an den Haaren und macht Anstalten, den Kopf von W2 in den Eimer zu tauchen. W1, die ihnen gegenüber steht und das andere Seilende in der Hand hält, zieht W2 am Seil zurück. Im Folgenden versucht W2 immer wieder, auf den Knien zum Eimer zu rutschen, W3 ihren Kopf in den Eimer zu tauchen, aber W2 wird immer wieder von W1 zurückgezogen. Währenddessen sprechen W1 und W3 – (auch W2?) – synchron und mit gedämpft rhythmischer Stimme:

Bin ich doch noch so jung, so jung!
Und soll schon sterben!
Schön war ich auch, und das war mein Verderben.
Nah war der Freund, nun ist er weit;
Zerrissen liegt der Kranz, die Blumen zerstreut.
Fasse mich nicht so gewaltsam an!
Schone mich! Was hab ich dir getan?
Laß mich nicht vergebens flehen,
Hab ich dich doch mein Tage nicht gesehen!

Schließlich lässt W1 das Seil locker. W3 will den Kopf von W2 in den Eimer tauchen, doch W2 verhindert es. Stattdessen nimmt sie den Puppenkopf heraus und taucht ihn immer wieder ein, während W1 und W3 folgenden Text synchron und mit gedämpft rhythmischer Stimme sprechen:

Ich bin nun ganz in deiner Macht.
Laß mich nur erst das Kind noch tränken.
Ich herzt es diese ganze Nacht;
Sie nahmen mir’s, um mich zu kränken,
Und sagen nun, ich hätt es umgebracht.
Und niemals werd ich wieder froh..
Sie singen Lieder auf mich! Es ist bös von den Leuten!
Ein altes Märchen endigt so,
Wer heißt sie’s deuten?

Dazu singt W2 leise:

Meine Mutter, die Hur
      Die mich umgebracht hat!
      Mein Vater, der Schelm
      Der mich gessen hat!
      Mein Schwesterlein klein
      Hub auf die Bein
      An einem kühlen Ort;
      Da ward ich ein schönes Waldvögelein;
      Fliege fort, fliege fort!

Nach dem Lied wechselt W3 mit W2 die Position. W1 macht das Seil am Podest fest. Weiter das Kopf-Spiel, jetzt von W3. Nach einer Weile rufen W1 und W2, die die Unterröcke ausgezogen haben, immer wieder GRETCHEN! W3 lässt sie den Kopf los.

W3: Das war des Freundes Stimme!

Während W3 weiterspricht, läuft sie herum, aber immer vom Seil eingeschränkt:

Wo ist er? ich hab ihn rufen hören.
Ich bin frei! mir soll niemand wehren.
An seinen Hals will ich fliegen,
An seinem Busen liegen!
Er rief Gretchen! Er stand auf der Schwelle.
Mitten durchs Heulen und Klappen der Hölle,
Durch den grimmigen, teuflischen Hohn
Erkannt ich den süßen, den liebenden Ton.

W1: Ich bin’s!

W3: Du bist’s! O sag es noch einmal!
Er ist’s! Er ist’s! Wohin ist alle Qual?
Wohin die Angst des Kerkers? der Ketten?
Du bist’s! Kommst, mich zu retten.
Ich bin gerettet!
Schon ist die Straße wieder da
Auf der ich dich zum ersten Male sah.

W1: Komm mit! Komm mit!

W3 (bleibt stehen): O weile
Weil ich doch so gern, wo du weilest.

W1 geht zu W3 und stellt sich vor sie hin. W3 greift nach ihr, aber kommt nicht an sie heran.

W1: Eile!
Wenn du nicht eilest
Werden wir’s teuer büßen müssen.

W3 (versucht an sie heranzukommen und sie zu küssen, aber sie kommt nicht an sie heran):

Wie? du kannst nicht mehr küssen?
Mein Freund, so kurz von mir entfernt
Und hast’s Küssen verlernt?
Warum wird mir an deinem Halse so bang?
Wenn sonst von deinen Worten, deinen Blicken
Ein ganzer Himmel mich überdrang
Und du mich küßtest, als wolltest du mich ersticken.
Küsse mich!

Sonst küß ich dich!

W1 geht einen Schritt vor, bis sie vor W3 steht, dann küsst sie sie wild auf den Mund. Es ist aber ein brutaler Kuß.

W3 (reißt sich los):O weh! deine Lippen sind kalt,
Sind stumm.
Wo ist dein Lieben
Geblieben?
Wer brachte mich drum?

W1 (schmeichelnd):

Komm! Folge mir! Liebchen, fasse Mut!
Ich herze dich mit tausendfacher Glut
Nur folge mir! Ich bitte dich nur dies!

W3: Und bist du’s denn? Und bist du’s auch gewiß?

W1: Ich bin’s! Komm mit!

W3 macht das Seil von ihrer Hüfte, W2 zieht es ein und legt es weg.

W3: Du machst die Fesseln los,
Nimmst wieder mich in deinen Schoß.
Wie kommt es, daß du dich vor mir nicht scheust?
Und weißt du denn, mein Freund, wen du befreist?

W1 und W2 (wiederholend versetzt): Komm! komm!

W3 (liebkosend von einer zum anderen gehend):

Mein Kind hab ich ertränkt.
War es nicht dir und mir geschenkt?
Dir auch. – Du bist’s! ich glaub es kaum.
Gib deine Hand! Es ist kein Traum!
Deine liebe Hand! – Ach, aber sie ist feucht!
Wische sie ab! Wie mich deucht,
Ist Blut dran.

Sie reißt sich von ihnen los. Dann wiederholt sie das Spiel, aber immer wieder sich wieder losreißend:

Niemand wird sonst bei mir liegen! –
Mich an deine Seite zu schmiegen,
Das war ein süßes, ein holdes Glück!
Aber es will mir nicht mehr gelingen;
Mir ist’s, als müßt ich mich zu dir zwingen,
Als stießest du mich von dir zurück;
Und doch bist du’s und blickst so gut, so fromm.

W1 und W2 (wiederholend versetzt): Fühlst du, daß ich es bin, so komm!

W3: Dahinaus?

W1 und W2 (synchron): Ins Freie.

W3 hält inne, dann fällt ihr Blick auf den Eimer. Sie geht schnell zum Eimer und klammert sich daran fest. Dann spricht sie, während die anderen langsam zu ihren Podesten zurückkehren:

Und weiter keinen Schritt –
Du gehst nun fort? O Heinrich, könnt ich mit!

W1 und W2 (synchron): Du kannst! So wolle nur! Die Tür steht offen!

W3: Ich darf nicht fort; für mich ist nichts zu hoffen.
Was hilft es, fliehn? Sie lauern doch mir auf.

W1 und W2 (stehenbleibend, synchron): Ich bleibe bei dir.

W3 nimmt den Eimer, trägt ihn von einem zum anderen, aber keiner nimmt ihn ihr ab. Dabei spricht sie:

Geschwind! Geschwind!
Rette dein armes Kind!
Fort! immer den Weg
Am Bach hinauf,
Über den Steg,
In den Wald hinein,
Links, wo die Planke steht,
Im Teich.
Faß es nur gleich!
Es will sich heben,
Es zappelt noch!
Rette! rette!

W1 und W2 (synchron): Besinne dich doch!
Nur
einen Schritt, so bist du frei!

W3 bleibt stehen, stellt den Eimer ab und will den Kopf hineinstecken. Währenddessen schleichen die anderen sich an sie heran und packen sie. Sie wehrt sich und ruft:

Laß mich! Nein, ich leide keine Gewalt!
Fasse mich nicht so mörderisch an!
Sonst hab ich dir ja alles zulieb getan.

W1 und W2 lassen W3 los. W3 spricht nur noch das LASS MICH in Schleife weiter, während die anderen langsam zu ihren Podesten gehen und von dort sanft wiederholend versetzt in das LASS MICH hineinrufen: LIEBCHEN! LIEBCHEN!

Das Licht geht aus. Dann leuchten gleichzeitig die Gesichter von W1 und W2 auf.

W3 raunt: Heinrich! Mir graut’s vor dir.

W1und W2 leuchten W3 an und verfolgen sie mit dem Licht. W3 geht zum Eimer und steckt ihren Kopf hinein. Nach ein paar Sekunden gehen die Leuchten aus.

E N D E

**********

*** VERSION FÜR VIER SPIELERINNEN ***

Bühne:

24 Stühle sind quadratförmig angeordnet, mit Blickrichtung zur Mitte. An den Ecken, zwischen jeweils sechs Stühlen, befinden sich vier Spieler-Podeste.

Wenn die Zuschauer den Raum betreten und Platz nehmen, sitzen die vier Spielerinnen bereits auf den Podesten, in Posen der Resignation. Sie tragen alle Hemd und Krawatte und stellen den älteren Faust dar. Jede für sich spricht wiederholend in Schleife:

HABE NUN

ACH!

PHILOSOPHIE

JURISTEREI UND MEDIZIN

UND LEIDER AUCH THEOLOGIE

DURCHAUS STUDIERT

MIT HEISSEM BEMÜHN

DA SITZ ICH NUN

ICH ARMER TOR

UND BIN SO KLUG ALS WIE ZUVOR

Wenn die Zuschauer sitzen, bricht der Chor jäh ab. Alle Spielerinnen rufen synchron:

ES MÖCHTE KEIN HUND SO LÄNGER LEBEN

Sie stehen auf und sprechen synchron und leise:

DRUM HAB ICH MICH DER MAGIE ERGEBEN

OB MIR DURCH GEISTES KRAFT UND MUND

NICHT MANCH GEHEIMNIS WÜRDE KUND

Sie gehen synchron auf die Mitte zu und wiederholen dabei halblaut:

DRUM HAB ICH MICH DER MAGIE ERGEBEN

OB MIR DURCH GEISTES KRAFT UND MUND

NICHT MANCH GEHEIMNIS WÜRDE KUND

Sie bilden einen Kreis, das Gesicht zum Publikum, holen ein Reagenzglas aus der Hemdtasche und wiederholen laut:

DRUM HAB ICH MICH DER MAGIE ERGEBEN

OB MIR DURCH GEISTES KRAFT UND MUND

NICHT MANCH GEHEIMNIS WÜRDE KUND

Sie trinken den Inhalt des Reagenzglases. (Falls die Zuschauer an der Kasse ein Reagenzglas erhalten haben, wäre das der Moment für sie, es ebenfalls zu leeren.)

Sprech- und Bewegungschoreografie mit folgendem Text:

      Schwindet, ihr dunkeln
      Wölbungen droben!
      Reizender schaue
      Freundlich der blaue
      Äther herein!
      Wären die dunkeln
      Wolken zerronnen!
      Sternelein funkeln,
      Mildere Sonnen
      Scheinen darein.
      Himmlischer Söhne
      Geistige Schöne,
      Schwankende Beugung
      Schwebet vorüber.
      Sehnende Neigung
      Folget hinüber;
      Und der Gewänder
      Flatternde Bänder
      Decken die Länder,
      Decken die Laube,
      Wo sich fürs Leben,
      Tief in Gedanken,
      Liebende geben.
      Laube bei Laube!
      Sprossende Ranken!
      Lastende Traube
      Stürzt ins Behälter
      Drängender Kelter,
      Stürzen in Bächen
      Schäumende Weine,
      Rieseln durch reine,
      Edle Gesteine,
      Lassen die Höhen
      Hinter sich liegen,
      Breiten zu Seen
      Sich ums Genüge
      Grünender Hügel.
      Und das Geflügel
      Schlürfet sich Wonne,
      Flieget der Sonne,
      Flieget den hellen
      Inseln entgegen,
      Die sich auf Wellen
      Gauklend bewegen;
      Wo wir in Chören
      Jauchzende hören,
      Über den Auen
      Tanzende schauen,
      Die sich im Freien
      Alle zerstreuen.
      Einige klimmen
      Über die Höhen,
      Andere schwimmen
      Über die Seen,
      Andere schweben;
      Alle zum Leben,
      Alle zur Ferne
      Liebender Sterne,
      Seliger Huld.

Die Choreografie endet damit, dass alle Spielerinnen wieder auf ihren Podesten sitzen. Die Köpfe hängen herunter.

Zwei Frauen ziehen sich Pudelmützen auf, die unter dem Podest versteckt sind, heben den Kopf und deuten mit Mimik, Lauten usw. einen Hund an. Die anderen zwei („Männer“) beobachten sie, reiben sich die Augen oder machen andere Gesten des Erstaunens.

Die Frauen laufen als Pudel (aber nicht auf vier Beinen!) durch den Raum, die Männer springen auf und versuchen jeweils einen „Hund“ zu fangen. Dabei sprechen sie:

ICH FÜHLS DU SCHWEBST UM MICH ERFLEHTER GEIST

ENTHÜLLE DICH

HA WIES IN MEINEM HERZEN REISST

ZU NEUEN GEFÜHLEN

ALL MEINE SINNE SICH ERWÜHLEN

ICH FÜHLE GANZ MEIN HERZ DIR HINGEGEBEN

DU MUSST DU MUSST UND KOSTET ES MEIN LEBEN

Die Frauen stehen vor ihren Podesten, Gesicht zur Wand, die Männer stellen sich jeweils dahinter auf. Die zwei Frauen ziehen sich die Mützen übers Gesicht, welche Augen- und Mundschlitze haben, wie bei einer Skimaske. Sie rufen synchron:

WER RUFT MIR

Die Männer drehen sie um, wenden sich erschrocken ab und rufen:

SCHRECKLICHES GESICHT

Die Frauen antworten:

UND NUN

Die Männer daraufhin:

WEH ICH ERTRAG DICH NICHT

Die Männer bewegen sich langsam und von den Frauen abgewandt zu ihren Podesten. Dabei murmeln sie in Schleife:

DAS ALSO WAR DES PUDELS KERN

An ihren Podesten angekommen, blicken die Männer „Ihre“ Frauen wieder an, die inzwischen die Mützen abgenommen haben. Spiegel-Choreografie, dann Sprech-Choreografie. Die Frauen beginnen mit dämonischer Stimme, die Männer setzen mit normaler Stimme versetzt mit ein, aber nach und nach werden ihre Stimmen ebenfalls dämonisch, so dass zwischen Frauen und Männern kein Unterschied mehr besteht:

ICH BIN DER GEIST DER STETS VERNEINT

UND DAS MIT RECHT

DENN ALLES WAS ENTSTEHT

IST WERT DASS ES ZUGRUNDE GEHT

DRUM BESSER WÄRS DASS NICHTS ENTSTÜNDE

SO IST DENN ALLES WAS IHR SÜNDE

ZERSTÖRUNG KURZ DAS BÖSE NENNT

MEIN EIGENTLICHES ELEMENT

Es folgt eine Bewegungschoreografie, bestehend aus vier bestimmten Gesten, die in Schleife von allen synchron wiederholt werden. Allmählich kommen die vier Worte dazu:

WELLEN STÜRMEN SCHÜTTELN BRAND

Sprechend und die Gesten dazu wiederholend bewegen sich alle Spielerinnen durch den Raum. Zunehmende Intensität, bis alle sich auf den Boden fallen lassen und liegenbleiben. Mit der nächsten Sprech- und Bewegungschoreografie stehen die Spielerinnen wie schlafwandelnd auf und ziehen sich gegenseitig Hemd und Krawatte aus. Unter den Hemden kommen jugendlich wirkende Shirts zum Vorschein. Den Text sprechen sie in ruhigem träumerischen Ton:

Weh! weh!
      Du hast sie zerstört
      Die schöne Welt,
      Mit mächtiger Faust;
      Sie stürzt, sie zerfällt!
      Ein Halbgott hat sie zerschlagen!
      Wir tragen
      Die Trümmern ins Nichts hinüber,
      Und klagen
      Über die verlorne Schöne.
      Mächtiger
      Der Erdensöhne,
      Prächtiger
      Baue sie wieder,
      In deinem Busen baue sie auf!
      Neuen Lebenslauf
      Beginne,
      Mit hellem Sinne,
      Und neue Lieder
      Tönen darauf!

Wiederholen des Textes, diesmal schnell, laut und wild. Dazu wird W4 von den anderen durch den Raum geschleudert. Schließlich bleibt W4 am Boden liegen. Die anderen „begraben“ sie mit den Hemden und Krawatten und setzen sich wieder auf ihre Podeste.

W1 und W2 ziehen Unterröcke an, während W3 aufsteht und W4 aus dem Hemdenhaufen befreit. W3 hilft ihr hoch, dreht sie und spricht währenddessen:

Ich muß dich nun vor allen Dingen
In lustige Gesellschaft bringen,
Damit du siehst, wie leicht sich’s leben läßt.

W3 setzt sich in den Hemdenhaufen und beobachtet W4, wie sie Richtung Publikum wankt, sich zwischen zwei Zuschauer setzt, wieder aufsteht, zwischen zwei andere Zuschauer setzt, usw. Dabei wiederholt sie mit leisem schlafwandlerischem Ton die Zeilen, als müsse sie sie sich nachsprechend einprägen:

Ich muß mich nun vor allen Dingen
In lustige Gesellschaft bringen,
Damit ich seh, wie leicht sich’s leben läßt.

Schließlich steht W3 auf, führt W4 zu deren Podest. W1 und W2 stellen nun Margarete dar, W3 und W4 den jungen Faust.

Choreografie: Ein „Mann“ spricht eine beliebige Frau mit den Worten an:

MEIN SCHÖNES FRÄULEIN DARF ICH WAGEN

MEINEN ARM UND GELEIT IHR ANZUTRAGEN?

Die Angesprochene antwortet, aber den anderen Mann ansehend:

BIN WEDER FRÄULEIN WEDER SCHÖN

KANN UNGELEITET NACH HAUSE GEHN

Der von ihr angesehene Mann richtet den Blick nun zur anderen Frau und wiederholt den ersten Satz usw.

Dieses Spiel soll eine Weile laufen und etwas zunehmend Verspieltes bekommen, so wie wenn man als Erwachsener eher lustlos ein Ballspiel beginnt, und mit der Zeit Lust bekommt und zum Kind wird.

Schließlich hört das Spiel auf. W1, W2 und W3 (im Unterrock) nehmen die Positionen ihrer nächsten Aktion ein, während W4 den folgenden Text beginnt. Nach und nach kommt eine Stimme dazu. Dabei wird das Sprechen lauter und intensiver:

BEIM HIMMEL DIESES KIND IST SCHÖN

SO ETWAS HAB ICH NIE GESEHN

SIE IST SO SITT- UND TUGENDREICH

UND ETWAS SCHNIPPISCH DOCH ZUGLEICH

DER LIPPE ROT DER WANGE LICHT

DIE TAGE DER WELT VERGESS ICHS NICHT

WIE SIE DIE AUGEN NIEDERSCHLÄGT

HAT TIEF SICH IN MEIN HERZ GEPRÄGT

WIE SIE KURZ ANGEBUNDEN WAR

DAS IST NUN ZUM ENTZÜCKEN GAR

Das Sprechen hört schlagartig auf, stattdessen murmelt W4 den gesamten Text lautlos oder flüsternd in Schleife weiter, während die Aktionen der drei Frauen parallel ablaufen. (Wie sich die Texte verschränken, muss in den Proben entwickelt werden).

# W1 steht vor einem imaginären Spiegel und kämmt sich das Haar, flechtet sich Zöpfe und bindet sie auf. Dazu singt sie durchgehend:

Es war ein König in Thule,

Gar treu bis an das Grab,

Dem sterbend seine Buhle

Einen goldnen Becher gab.

Es ging ihm nichts darüber,

Er leert‘ ihn jeden Schmaus;

Die Augen gingen ihm über,

So oft er trank daraus.

Und als er kam zu sterben,

Zählt‘ er seine Städt‘ im Reich,

Gönnt‘ alles seinen Erben,

Den Becher nicht zugleich.

Er saß bei’m Königsmahle,

Die Ritter um ihn her,

Auf hohem Vätersaale,

Dort auf dem Schloß am Meer.

Dort stand der alte Zecher,

Trank letzte Lebensglut,

Und warf den heiligen Becher

Hinunter in die Flut.

Er sah ihn stürzen, trinken

Und sinken tief ins Meer,

Die Augen täten ihm sinken,

Trank nie einen Tropfen mehr.

# W2 ist aus ihrem Unterrock gestiegen und kniet sich, mit einem Nachthemdchen bekleidet, auf den Rock. Sie betet

AVE MARIA GRATIA PLENA DOMINUS TECUM

BENEDICTA TU IN MULIERIBUS

ET BENEDICTUS FRUCTUS VENTRIS TUI JESUS

SANCTA MARIA MATER DEI ORA PRO NOBIS PECCATORIBUS

NUNC ET IN HORA MORTIS NOSTRAE

AMEN

unterbricht aber das Gebet immer wieder mit Sätzen aus folgender Replik:

ICH GÄB WAS DRUM WENN ICH NUR WÜSST

WER HEUT DER HERR GEWESEN IST

ER SAH GEWISS RECHT WACKER AUS

UND IST AUS EINEM EDLEN HAUS

DAS KONNT ICH IHM AN DER STIRNE LESEN

ER WÄR AUCH SONST NICHT SO KECK GEWESEN

# W3 steht mit dem Gesicht zur Wand und masturbiert. Dazu spricht sie:

ES IST SO SCHWÜL SO DUMPFIG HIE

ES WIRD MIR SO ICH WEISS NICHT WIE

MIR LÄUFT EIN SCHAUER ÜBERN GANZEN LEIB

Die Frauen halten gleichzeitig mit ihren Aktionen inne. W1 und W3 steigen aus dem Unterrock, W2 verharrt reglos. W1, W3 und W4 rufen sich wiederholt und durcheinander zu:

HÖR DU MUSST MIR DIE DIRNE SCHAFFEN

Sie werden dabei immer lauter und aggressiver und bewegen sich auf die Mitte zu. In der Mitte beginnen sie sich zu packen und wiederholt und durcheinander zu sagen:

UND DAS SAG ICH IHM KURZ UND GUT

WENN NICHT DAS SÜSSE JUNGE BLUT

HEUT NACHT IN MEINEN ARMEN RUHT

SO SIND WIR UM MITTERNACHT GESCHIEDEN

Dann lassen sie voneinander ab und schauen sich verwundert an, in dem Sinne, dass sie sich ihres Identischseins bewusst werden. Sie lachen und klopfen sich kameradschaftlich auf die Schulter. Das Schulterklopfen wird allmählich zu einem bestimmten Vorgang: W4 und W3 ermutigen damit W1, auf W2 zuzugehen.

Parallel dazu – ab dem Lachen der „Männer“ – spricht W2 wiederholend:

ER LIEBT MICH

ER LIEBT MICH NICHT

Mit diesen Worten löst sich W2 langsam von ihrer Position und geht auf die Mitte zu. Wenn sie angekommen ist, sagt sie abschließend ER LIEBT MICH.

Parallel dazu bewegen sich W4 und W3 von der Mitte zurück zu ihren Podesten.

Schließlich stehen sich W1 und W2 in der Mitte gegenüber. Sie drehen sich voneinander weg und drehen sich im weiteren Verlauf im Zeitlupentempo, als wären sie auf einer Drehbühne. Sie versucht dabei zu sprechen, macht mehrmals einen Anlauf, kriegt aber vor lauter Aufregung nur einzelne Laute, Silben oder Worte heraus.

W1 setzt zu sprechen an, sagt MARGARETE, wird wieder stumm. Darauf sagt W2:

ICH WEISS ZU GUT DASS SOLCH ERFAHRNEN MANN

MEIN ARM GESPRÄCH NICHT UNTERHALTEN KANN

W1 antwortet:

EIN BLICK VON DIR EIN WORT MEHR UNTERHÄLT

ALS ALLE WEISHEIT DIESER WELT

Sie drehen sich zueinander und schauen sich eine Weile schweigend an. Dann umarmen sie sich und lassen leidenschaftlich die Hände über den Körper des Gegenübers gleiten. Dieser Vorgang muss eine Weile dauern. Er soll etwas gleich-rhythmisches haben, ohne mechanisch zu wirken.

Die anderen Spieler intonieren ein heftiges Atmen dazu, das erotisch klingen, aber keinen Orgasmus imitieren soll. Es darf nicht unfreiwillig komisch wirken.

Nach einer Weile gehen W3 mit ihrem Unterrock und W4, die die Unterröcke von W1 und W2 mitnimmt, weiter heftig atmend auf die Mitte zu und stülpen die Unterröcke nach und nach so über das Paar, dass sie am Ende komplett darunter verschwunden sind. Sie bewegen sich aber weiter.

Schließlich kriecht immer eine andere Spielerin unter das Gebilde und löst einen der anderen ab. Dazu weiter heftiges Atmen. Am Ende ist nur noch W4 unter den Röcken, die anderen wieder an ihren Podesten.

W4 lässt sich auf den Boden fallen und liegt unter den Röcken begraben. Das heftige Atmen hört auf. W3 geht in die Mitte und befreit W4 aus dem Röckeberg. W4 sieht W3 an und wiederholt, immer zerrissener werdend:

ERHABNER GEIST

DU GABST MIR

GABST MIR ALLES

WORUM ICH BAT

W4 wird zunehmend wilder, wie verzweifelt, und reißt schließlich weitersprechend W3 auf die am Boden liegenden Röcke. Beide vollführen kniend den Vorgang des gegenseitigen Abtastens der Körper.

W1 und W2 schleichen sich zögernd und ängstlich von zwei Seiten an das Paar heran, ziehen die Unterröcke unter ihm hervor und schleichen rückwärts gehend und die Röcke vor sich herziehend zurück zu ihren Podesten. Sie ziehen die Unterröcke an, setzen sich auf ihre Podeste und vollführen mechanisch eine pantomimische Handarbeit in Schleife, während sie singen:

Meine Ruh ist hin,
      Mein Herz ist schwer;
      Ich finde sie nimmer
      und nimmermehr.

      Wo ich ihn nicht hab,
      Ist mir das Grab,
      Die ganze Welt
      Ist mir vergällt.

      Mein armer Kopf
      Ist mir verrückt,
      Meiner armer Sinn
      Ist mir zerstückt.

      Meine Ruh ist hin,
      Mein Herz ist schwer,
      Ich finde sie nimmer
      und nimmermehr.

      Nach ihm nur schau ich
      Zum Fenster hinaus,
      Nach ihm nur geh ich
      Aus dem Haus.

      Sein hoher Gang,
      Sein edle Gestalt,
      Seines Mundes Lächeln,
      Seiner Augen Gewalt,

      Und seiner Rede
      Zauberfluß,
      Sein Händedruck,
      Und ach! sein Kuß!

      Meine Ruh ist hin,
      Mein Herz ist schwer,
      Ich finde sie nimmer
      und nimmermehr.

      Mein Busen drängt
      Sich nach ihm hin,
      Ach dürft ich fassen
      Und halten ihn,

      Und küssen ihn,
      So wie ich wollt,
      An seinen Küssen
      Vergehen sollt!

W1 zieht noch während des Gesangs den Unterrock wieder aus, geht zu dem Paar und reißt W4 von W3 weg. Während W1 spricht, reißt sie immer wieder W4 von W3, die sich immer wieder an W4 festzuhalten versucht :

GENUG DAMIT DEIN LIEBCHEN SITZT DADRINNE

UND ALLES WIRD IHR ENG UND TRÜB

DU KOMMST IHR GAR NICHT AUS DEM SINNE

SIE HAT DICH ÜBERMÄCHTIG LIEB

DIE ZEIT WIRD IHR ERBÄRMLICH LANG

(Pause, Gesang durchlassen) – SO GEHT IHR GESANG

TAGELANG HALBE NÄCHTE LANG

EINMAL IST SIE MUNTER MEIST BETRÜBT

EINMAL RECHT AUSGEWEINT

DANN WIEDER RUHIG WIES SCHEINT

UND IMMER VERLIEBT

W4 stößt schließlich W3 von sich und ruft:

SCHLANGE SCHLANGE

W3 zieht sich (schlangengleich?) an W1 hoch und sagt dabei:

GELT DAS ICH DICH FANGE

Sie streichelt W1 wild und andauernd über Kopf und Gesicht. W1 sträubt sich erst, dann lässt sie sich darauf ein und spielt mit, während sie währenddessen immer mal MARGARETE! ruft. Nach einer Weile ruft auch W3 immer mal MARGARETE!

W4 spricht währenddessen auf das Paar ein:

VERRUCHTER HEBE DICH VON HINNEN

UND NENNE NICHT DAS SCHÖNE WEIB

BRING DIE BEGIER ZU IHREM SÜSSEN LEIB

NICHT WIEDER VOR DIE HALBVERRÜCKTEN SINNEN

W4 reißt W1 und W3 voneinander. Sie antworten im Chor:

WAS SOLL ES DENN

SIE MEINT DU SEIST ENTFLOHN

UND HALB UND HALB BIST DU ES SCHON

Mit dem letzten Satz drängen sie sich an W4; W3 und W1 sie streichelnd. W4 wehrt sich ein wenig, lässt es aber dann geschehen.

W4 beginnt mit dem folgenden Satz:

ICH BIN IHR NAH UND WÄR ICH NOCH SO FERN

ICH KANN SIE NIE VERGESSEN NIE VERLIEREN

W1 und W3 setzen nach und nach mit ein. Sie wiederholen ihn und vollführen dabei den Vorgang des Streichelns stetig weiter, wobei irgendwann jede jede streichelt. Fast unmerklich für das Publikum hat W2 mit dem Singen und der Pantomime aufgehört und starrt im Freeze vor sich hin. (Es gilt, den idealen Moment dafür zu finden.)

Es wird völlig dunkel auf der Bühne. Alle Spieler gehen auf die Positionen, in denen sie im Folgenden sein müssen.

Auf ihrem Podest W2, wieder im Unterrock, schwanger und in Bethaltung. Vor ihr eine Kerze. Sie murmelt in Schleife und im weiteren Verlauf durchgehend ein Gebet:

AVE MARIA GRATIA PLENA DOMINUS TECUM

BENEDICTA TU IN MULIERIBUS

ET BENEDICTUS FRUCTUS VENTRIS TUI JESUS

SANCTA MARIA MATER DEI ORA PRO NOBIS PECCATORIBUS

NUNC ET IN HORA MORTIS NOSTRAE

AMEN

Nach einer Weile ertönt Orgelmusik.

W3, ebenfalls im Unterrock und schwanger, bewegt sich hilflos tastend im Raum, eventuell in Zeitlupe. Um ihren Körper ist eine Leuchtschlange gewunden. Man muss vor allem Gesicht und Bauch sehen.

Verteilt im Raum stehen W1 und W4 ohne Unterröcke. Sie halten Leuchten von unten in ihre Gesichter, so dass diese dämonisch aussehen. Sie sprechen den bösen Geist synchron und mit flüsternd zischender Stimme. Den Gretchentext spricht W3, wobei sie für den Moment des Sprechens stehenbleibt. Während des Textsprechens Orgel leise und gedämpft. Das Ave Maria von W2 kann zunehmend panischer werden, aber nicht lauter.

Böser Geist:

Wie anders, Gretchen, war dir’s,
Als du noch voll Unschuld
Hier zum Altar tratst,
Gebete lalltest,
Halb Kinderspiele,
Halb Gott im Herzen!
Gretchen!
Wo steht dein Kopf?
In deinem Herzen
Welche Missetat?

Und unter deinem Herzen
Regt sich’s nicht quillend schon
Und ängstet dich und sich
Mit ahnungsvoller Gegenwart?

Gretchen:

Weh! Weh!
Wär ich der Gedanken los,
Die mir herüber und hinüber gehen
Wider mich!

Böser Geist:

Grimm faßt dich!
Die Posaune tönt!
Die Gräber beben!
Und dein Herz,
Aus Aschenruh
Zu Flammenqualen
Wieder aufgeschaffen,
Bebt auf!

Gretchen:

Wär ich hier weg!
Mir ist, als ob die Orgel mir
Den Atem versetzte,
Gesang mein Herz
Im Tiefsten löste.

Böser Geist:

Grimm faßt dich!
Die Posaune tönt!
Die Gräber beben!
Und dein Herz,
Aus Aschenruh
Zu Flammenqualen
Wieder aufgeschaffen,
Bebt auf!

Gretchen:

Mir wird so eng!
Die Mauernpfeiler
Befangen mich!
Das Gewölbe
Drängt mich! – Luft!

Böser Geist:

Verbirg dich! Sünd und Schande
Bleibt nicht verborgen.
Luft? Licht?
Weh dir!

Gretchen:

Weh! Weh!
Wär ich der Gedanken los,
Die mir herüber und hinüber gehen
Wider mich!

Böser Geist:

Ihr Antlitz wenden
Verklärte von dir ab.
Die Hände dir zu reichen,
Schauert’s den Reinen.
Weh!

Am Ende des Textes passiert folgendes gleichzeitig:

Das Orgelspiel wird extrem laut.

Das Ave Maria bricht ab, die Kerze erlischt.

W3 rennt – aber in Zeitlupe! – panisch durch den Raum.

W1 und W2 verfolgen W3 mit ihren Leuchten.

Das Orgelspiel bricht ab. Alle Leuchten gehen aus. W3 bricht ungefähr im Bühnenmittelpunkt zusammen und bleibt liegen. Alle anderen gehen, während sie halblaut in Schleife WEH! WEH! rufen, zu ihren nächsten Positionen und lassen alle nicht mehr gebrauchten Requisiten darunter verschwinden.

Licht. W4 und W1 sitzen auf ihren Ursprungspodesten. W2 hat sich den Unterrock so über den Kopf gezogen, dass sie wie eine Nonne aussieht. Sie steht neben dem Podest von W3.

W3 liegt noch auf dem Boden. Sie erhebt sich mühsam und robbt, den schwangeren Bauch mit sich ziehend, langsam bis zu ihrem Podest. Dabei sprechen die „Männer“:

W4: Siehst du dort
Ein blasses, schönes Kind allein und ferne stehen?
Sie schiebt sich langsam nur vom Ort,
Sie scheint mit geschlossnen Füßen zu gehen.
Ich muß bekennen, daß mir deucht,
Daß sie dem guten Gretchen gleicht.

W1: Fürwahr, es sind die Augen einer Toten,
Die eine liebende Hand nicht schloß.
Das ist die Brust, die Gretchen mir geboten,
Das ist der süße Leib, den ich genoß.

W4: Welch eine Wonne! welch ein Leiden!
Ich kann von diesem Blick nicht scheiden.

W1 + W4: Welch eine Wonne! welch ein Leiden!
Ich kann von diesem Blick nicht scheiden.

Wenn W3 am Podest angekommen ist, zieht W2 sie auf das Podest und zieht ihre Beine auseinander, so dass sich W3 in Gebärhaltung befindet.

Wieder dunkel. W1 und W4 leuchten wieder ihre Gesichter dämonisch an und sprechen mit den Böse-Geister-Stimmen in Schleife:

DIE GABEL STICHT

DER BESEN KRATZT

DAS KIND ERSTICKT

DIE MUTTER PLATZT

W3 beginnt wie bei Wehen zu schreien. W2 entbindet, indem sie die Leuchtschlange zur Nabelschnur umfunktioniert und durch den Unterrock schiebt. Am Ende der Leuchtschlange wird ein Babykopf sichtbar.

Der Geister-Chor hört auf. Licht. W1 tritt zu W2. W2 zieht W3 den Unterrock aus und zieht ihn W1 an. Dann nimmt sie ihren eigenen Unterrock ab und wickelt ihn um den Hals des Babykopfes. Dann gibt sie das Baby W1. Diese schaukelt das Kind im Arm und singt erneut den „König in Thule“. Die anderen Frauen verteilen sich auf die noch unbesetzten Podeste. Sie stehen zum Ende des Liedes alle vor ihrem Podest und stellen Faust dar.

W1 blickt um sich und sagt mehrmals HEINRICH. Dann geht sie, das Baby vor sich haltend in die Mitte. Auch die drei Fausts gehen auf die Mitte zu. Wenn sie sich treffen, geht das Baby von Faust zu Faust. Die Fausts schauen das Kind liebevoll an und herzen es, bevor sie es weiterreichen. Ein Faust will schließlich das Baby ihrer Mutter wiedergeben, aber ein zweiter reißt es ihm aus der Hand. Er nimmt den Babykopf und wirft ihn dem dritten Faust zu. W1 will ihn fangen, erwischt ihn aber nicht. Alle Fausts bauen sich nun im Dreieck auf und spielen Ball mit dem Kopf, während W1 verzweifelt versucht, ihn zu erwischen.

Schließlich gehen die Fausts alle in die Mitte und bilden einen zusammenhängenden Körper, indem sie sich aneinander festhalten. Die Haltungen sollen Zusammengehörigkeit / Besitzergreifung von Liebespartnern assoziieren. Zum Beispiel: Hand auf dem Hintern, Arme um den Hals oder Hüfte usw.

Der Faust-Körper blickt W1 verachtend an. Einer der Fausts hält ihr den Babykopf hin. Alle drehen sich einmal langsam drehbühnenartig, dann bleiben sie stehen. Der Kopf wird W1 zugeworfen, sie fängt ihn auf.

Die Fausts lösen sich, klopfen sich gegenseitig auf die Schulter und lachen. Dann bewegen sie sich zurück zu ihren Podesten. W1 ruft verzweifelt mehrmals HEINRICH und streckt ihnen den Babykopf entgegen.

W2 und W3 ziehen die Unterröcke wieder an. Alle drei Frauen singen das Lied „Meine Ruh ist hin“, während W3 einen Eimer Wasser und W1 den Babykopf W2 bringt, welche verzweifelt auf ihrem Podest sitzt.

Der Gesang hört auf. Der Eimer wird vor W2 hingestellt, der Babykopf ihr in die Hand gedrückt. W2 taucht den Kopf immer wieder in den Wassereimer, dann lässt sie ihn darin liegen.

W1 und W3 ziehen die Unterröcke an sich hoch, dass diese aussehen wie Umhänge. Sie stellen nun Schergen dar. W1 bindet W2 ein Seil um die Hüften und das andere Ende an ihr Podest. W3 drückt ihr den Eimer in die Hand. W1 und W3 gehen zu ihrem Podest und ziehen den Unterrock aus. W2 geht langsam in die Mitte, stellt den Eimer ab und setzt sich drauf.

Ein Disco-Beat wird eingespielt, dazu tanzen W1, W3 und W4 auf ihren Podesten. Plötzlich hören Musik und Tanz auf, Sie nehmen W2 wahr und schauen erschrocken schweigend auf sie.

Nach einer Weile folgt eine verzweifelt chaotische Sprechchoreografie mit dem Text:

Im Elend! Verzweifelnd! Erbärmlich auf der Erde lange verirrt und nun gefangen! Als Missetäterin Im Kerker zu entsetzlichen Qualen eingesperrt, das holde unselige Geschöpf! Bis dahin! dahin! – Verräterischer, nichtswürdiger Geist, und das hast du mir verheimlicht! – Steh nur, steh! Steh und trutze mir durch deine unerträgliche Gegenwart! Gefangen! Im unwiederbringlichen Elend! Bösen Geistern übergeben und der richtenden gefühllosen Menschheit! Und mich wiegst du indes in abgeschmackten Zerstreuungen, verbirgst mir ihren wachsenden Jammer und lässest sie hilflos verderben!

W4 geht zu W1, packt sie und reißt sie vom Podest. W3 geht von ihrem Podest herunter und reißt W4 von W1 weg.

W3: Warum machst du Gemeinschaft mit uns wenn du sie nicht durchführen kannst? Willst fliegen und bist vorm Schwindel nicht sicher? Drangen wir uns dir auf, oder du dich uns?

W4: Mir ekelt’s! – Großer, herrlicher Geist, der du mir zu erscheinen würdigtest, der du mein Herz kennest und meine Seele, warum an den Schandgesellen mich schmieden, der sich am Schaden weidet und am Verderben sich letzt?

W1: Rette sie! oder weh dir!

W3: »Rette sie!« – Wer war’s, der sie ins Verderben stürzte? Ich oder du?

Die drei laufen nun durch den Raum und sprechen in Schleife jeder für sich ICH und DU. Sie können auch Zuschauer anreden.

Plötzlich beginnt W2 zu singen, während sie ein imaginäres Baby wiegt:

Meine Mutter, die Hur
      Die mich umgebracht hat!
      Mein Vater, der Schelm
      Der mich gessen hat!
      Mein Schwesterlein klein
      Hub auf die Bein
      An einem kühlen Ort;
      Da ward ich ein schönes Waldvögelein;
      Fliege fort, fliege fort!

Die „Männer“ hören zu sprechen auf, bleiben stehen, lauschen, bewegen sich langsam zurück zu ihren Podesten. W3 zieht wieder den Unterrock an.

W2 steht vom Eimer auf, kniet sich hin und macht Anstalten, den Kopf in den Eimer zu tauchen. W1, die jetzt wieder den Unterrock an hat, steht und das andere Seilende in der Hand hält, zieht sie am Seil zurück. Im Folgenden versucht W2 immer wieder, auf den Knien zum Eimer zu rutschen, wird immer wieder zurückgezogen. Währenddessen sprechen W1 und W3 synchron und mit gedämpft rhythmischer Stimme:

Bin ich doch noch so jung, so jung!
Und soll schon sterben!
Schön war ich auch, und das war mein Verderben.
Nah war der Freund, nun ist er weit;
Zerrissen liegt der Kranz, die Blumen zerstreut.
Fasse mich nicht so gewaltsam an!
Schone mich! Was hab ich dir getan?
Laß mich nicht vergebens flehen,
Hab ich dich doch mein Tage nicht gesehen!

Schließlich lässt W1 das Seil locker. Während W2 im Eimer vergeblich nach dem Puppenkopf sucht, sprechen W1 und W3 folgenden Text synchron und mit gedämpft rhythmischer Stimme:

Ich bin nun ganz in deiner Macht.
Laß mich nur erst das Kind noch tränken.
Ich herzt es diese ganze Nacht;
Sie nahmen mir’s, um mich zu kränken,
Und sagen nun, ich hätt es umgebracht.
Und niemals werd ich wieder froh..
Sie singen Lieder auf mich! Es ist bös von den Leuten!
Ein altes Märchen endigt so,
Wer heißt sie’s deuten?

Dazu singt W4 leise:

Meine Mutter, die Hur
      Die mich umgebracht hat!
      Mein Vater, der Schelm
      Der mich gessen hat!
      Mein Schwesterlein klein
      Hub auf die Bein
      An einem kühlen Ort;
      Da ward ich ein schönes Waldvögelein;
      Fliege fort, fliege fort!

Wenn alles verstummt, sucht W2 noch weiter und holt schließlich den Kopf heraus, aber nur so weit, dass man das dabei entstehende Geräusch hört. Wenn W4 immer wieder GRETCHEN! ruft, lässt W2 sie den Kopf los, ohne ihn herausgezogen zu haben.

W2: Das war des Freundes Stimme!

Während W2 weiterspricht, läuft sie herum, aber immer vom Seil eingeschränkt:

Wo ist er? ich hab ihn rufen hören.
Ich bin frei! mir soll niemand wehren.
An seinen Hals will ich fliegen,
An seinem Busen liegen!
Er rief Gretchen! Er stand auf der Schwelle.
Mitten durchs Heulen und Klappen der Hölle,
Durch den grimmigen, teuflischen Hohn
Erkannt ich den süßen, den liebenden Ton.

W4: Ich bin’s!

W2: Du bist’s! O sag es noch einmal!
Er ist’s! Er ist’s! Wohin ist alle Qual?
Wohin die Angst des Kerkers? der Ketten?
Du bist’s! Kommst, mich zu retten.
Ich bin gerettet!
Schon ist die Straße wieder da
Auf der ich dich zum ersten Male sah.


W4: Komm mit! Komm mit!

W2 (bleibt stehen): O weile
Weil ich doch so gern, wo du weilest.

W4 geht zu W2 und stellt sich vor sie hin. W2 greift nach ihr, aber kommt nicht an sie heran.

W4: Eile!
Wenn du nicht eilest
Werden wir’s teuer büßen müssen.

W2 (versucht an sie heranzukommen und sie zu küssen, aber sie kommt nicht an sie heran):

Wie? du kannst nicht mehr küssen?
Mein Freund, so kurz von mir entfernt
Und hast’s Küssen verlernt?
Warum wird mir an deinem Halse so bang?
Wenn sonst von deinen Worten, deinen Blicken
Ein ganzer Himmel mich überdrang
Und du mich küßtest, als wolltest du mich ersticken.
Küsse mich!

Sonst küß ich dich!

W4 geht einen Schritt vor, bis sie vor W2 steht, dann küsst sie sie wild auf den Mund. Es ist aber ein brutaler Kuß.

W2 (reißt sich los):O weh! deine Lippen sind kalt,
Sind stumm.
Wo ist dein Lieben
Geblieben?
Wer brachte mich drum?

W4 (schmeichelnd):

Komm! Folge mir! Liebchen, fasse Mut!
Ich herze dich mit tausendfacher Glut
Nur folge mir! Ich bitte dich nur dies!

W2: Und bist du’s denn? Und bist du’s auch gewiß?

W4: Ich bin’s! Komm mit!

W4 macht das Seil von ihrer Hüfte, W1 zieht es ein und legt es weg.

W2: Du machst die Fesseln los,
Nimmst wieder mich in deinen Schoß.
Wie kommt es, daß du dich vor mir nicht scheust?
Und weißt du denn, mein Freund, wen du befreist?

W1 und W3 ohne Unterrock und W4 (wiederholend versetzt): Komm! komm!

W2 (liebkosend von einer zum anderen gehend):

Mein Kind hab ich ertränkt.
War es nicht dir und mir geschenkt?
Dir auch. – Du bist’s! ich glaub es kaum.
Gib deine Hand! Es ist kein Traum!
Deine liebe Hand! – Ach, aber sie ist feucht!
Wische sie ab! Wie mich deucht,
Ist Blut dran.

Sie reißt sich von ihnen los. Dann wiederholt sie das Spiel, aber immer wieder sich wieder losreißend:

Niemand wird sonst bei mir liegen! –
Mich an deine Seite zu schmiegen,
Das war ein süßes, ein holdes Glück!
Aber es will mir nicht mehr gelingen;
Mir ist’s, als müßt ich mich zu dir zwingen,
Als stießest du mich von dir zurück;
Und doch bist du’s und blickst so gut, so fromm.

W1, W3, W4 (wiederholend versetzt): Fühlst du, daß ich es bin, so komm!

W2: Dahinaus?

W1, W3, W4 (synchron): Ins Freie.

W2 hält inne, dann fällt ihr Blick auf den Eimer. Sie geht schnell zum Eimer und klammert sich daran fest. Dann spricht sie, während die anderen langsam zu ihren Podesten zurückkehren:

Und weiter keinen Schritt –
Du gehst nun fort? O Heinrich, könnt ich mit!

W1, W3, W4 (synchron): Du kannst! So wolle nur! Die Tür steht offen!

W2: Ich darf nicht fort; für mich ist nichts zu hoffen.
Was hilft es, fliehn? Sie lauern doch mir auf.

W1, W3, W4 (stehenbleibend, synchron): Ich bleibe bei dir.

W2 nimmt den Eimer, trägt ihn von einem zum anderen, aber keiner nimmt ihn ihr ab. Dabei spricht sie:

Geschwind! Geschwind!
Rette dein armes Kind!
Fort! immer den Weg
Am Bach hinauf,
Über den Steg,
In den Wald hinein,
Links, wo die Planke steht,
Im Teich.
Faß es nur gleich!
Es will sich heben,
Es zappelt noch!
Rette! rette!

W1, W3, W4 (synchron): Besinne dich doch!
Nur
einen Schritt, so bist du frei!

W2 bleibt stehen, stellt den Eimer ab und will den Kopf hineinstecken. Währenddessen schleichen die anderen sich an sie heran und packen sie. Sie wehrt sich und ruft:

Laß mich! Nein, ich leide keine Gewalt!
Fasse mich nicht so mörderisch an!
Sonst hab ich dir ja alles zulieb getan.

W1, W3, W4 lassen W2 los. W2 spricht nur noch das LASS MICH in Schleife weiter, während die anderen langsam zu ihren Podesten gehen und von dort sanft wiederholend versetzt in das LASS MICH hineinrufen: LIEBCHEN! LIEBCHEN!

Das Licht geht aus. Dann leuchten gleichzeitig die Gesichter von W1, W3, W4 auf.

W2 raunt: Heinrich! Mir graut’s vor dir.

W1, W3, W4 leuchten W2 an und verfolgen sie mit dem Licht. W2 geht zum Eimer und steckt ihren Kopf hinein. Nach ein paar Sekunden gehen die Leuchten aus.

E N D E

**********

*** VERSION FÜR FÜNF SPIELER:INNEN ***

Bühne:

25 Stühle sind sternförmig angeordnet, mit Blickrichtung zur Mitte. Zwischen jeweils fünf Stühlen befinden sich die fünf Spieler-Podeste. Die Spieler sind so verteilt, dass M und W sich abwechseln. W3 zählt gleichzeitig als M.

Wenn die Zuschauer den Raum betreten und Platz nehmen, sitzen die fünf Spieler bereits auf den Podesten, in Posen der Resignation. Sie tragen alle Hemd und Krawatte und stellen den älteren Faust dar. Jeder für sich spricht wiederholend in Schleife:

HABE NUN

ACH!

PHILOSOPHIE

JURISTEREI UND MEDIZIN

UND LEIDER AUCH THEOLOGIE

DURCHAUS STUDIERT

MIT HEISSEM BEMÜHN

DA SITZ ICH NUN

ICH ARMER TOR

UND BIN SO KLUG ALS WIE ZUVOR

Wenn die Zuschauer sitzen, bricht der Chor jäh ab. Alle Spieler rufen synchron:

ES MÖCHTE KEIN HUND SO LÄNGER LEBEN

Sie stehen auf und sprechen synchron und leise:

DRUM HAB ICH MICH DER MAGIE ERGEBEN

OB MIR DURCH GEISTES KRAFT UND MUND

NICHT MANCH GEHEIMNIS WÜRDE KUND

Sie gehen synchron auf die Mitte zu und wiederholen dabei halblaut:

DRUM HAB ICH MICH DER MAGIE ERGEBEN

OB MIR DURCH GEISTES KRAFT UND MUND

NICHT MANCH GEHEIMNIS WÜRDE KUND

Sie bilden einen Kreis, das Gesicht zum Publikum, holen ein Reagenzglas aus der Hemdtasche und wiederholen laut:

DRUM HAB ICH MICH DER MAGIE ERGEBEN

OB MIR DURCH GEISTES KRAFT UND MUND

NICHT MANCH GEHEIMNIS WÜRDE KUND

Sie trinken den Inhalt des Reagenzglases. (Falls die Zuschauer an der Kasse ein Reagenzglas erhalten haben, wäre das der Moment für sie, es ebenfalls zu leeren.)

Sprech- und Bewegungschoreografie mit folgendem Text:

      Schwindet, ihr dunkeln
      Wölbungen droben!
      Reizender schaue
      Freundlich der blaue
      Äther herein!
      Wären die dunkeln
      Wolken zerronnen!
      Sternelein funkeln,
      Mildere Sonnen
      Scheinen darein.
      Himmlischer Söhne
      Geistige Schöne,
      Schwankende Beugung
      Schwebet vorüber.
      Sehnende Neigung
      Folget hinüber;
      Und der Gewänder
      Flatternde Bänder
      Decken die Länder,
      Decken die Laube,
      Wo sich fürs Leben,
      Tief in Gedanken,
      Liebende geben.
      Laube bei Laube!
      Sprossende Ranken!
      Lastende Traube
      Stürzt ins Behälter
      Drängender Kelter,
      Stürzen in Bächen
      Schäumende Weine,
      Rieseln durch reine,
      Edle Gesteine,
      Lassen die Höhen
      Hinter sich liegen,
      Breiten zu Seen
      Sich ums Genüge
      Grünender Hügel.
      Und das Geflügel
      Schlürfet sich Wonne,
      Flieget der Sonne,
      Flieget den hellen
      Inseln entgegen,
      Die sich auf Wellen
      Gauklend bewegen;
      Wo wir in Chören
      Jauchzende hören,
      Über den Auen
      Tanzende schauen,
      Die sich im Freien
      Alle zerstreuen.
      Einige klimmen
      Über die Höhen,
      Andere schwimmen
      Über die Seen,
      Andere schweben;
      Alle zum Leben,
      Alle zur Ferne
      Liebender Sterne,
      Seliger Huld.

Die Choreografie endet damit, dass alle Spieler wieder auf ihren Podesten sitzen. Die Köpfe hängen herunter.

Die Frauen ziehen sich Pudelmützen auf, die unter dem Podest versteckt sind, heben den Kopf und deuten mit Mimik, Lauten usw. einen Hund an. Die Männer beobachten sie, reiben sich die Augen oder machen andere Gesten des Erstaunens.

Die Frauen laufen als Pudel (aber nicht auf vier Beinen!) durch den Raum, die Männer springen auf und versuchen jeweils einen „Hund“ zu fangen. Dabei sprechen sie:

ICH FÜHLS DU SCHWEBST UM MICH ERFLEHTER GEIST

ENTHÜLLE DICH

HA WIES IN MEINEM HERZEN REISST

ZU NEUEN GEFÜHLEN

ALL MEINE SINNE SICH ERWÜHLEN

ICH FÜHLE GANZ MEIN HERZ DIR HINGEGEBEN

DU MUSST DU MUSST UND KOSTET ES MEIN LEBEN

Die Frauen stehen vor ihren Podesten, Gesicht zur Wand, die Männer jeweils hinter „ihrer“ Frau (M1 hinter W1, M2 hinter W2). Die drei Frauen ziehen sich die Mützen übers Gesicht, welche Augen- und Mundschlitze haben, wie bei einer Skimaske. Die Frauen rufen synchron:

WER RUFT MIR

Die Männer drehen die Frauen um, wenden sich erschrocken ab und rufen:

SCHRECKLICHES GESICHT

Die Frauen antworten:

UND NUN

Die Männer daraufhin:

WEH ICH ERTRAG DICH NICHT

Die Männer bewegen sich langsam und von den Frauen abgewandt zu ihren Podesten. Dabei murmeln sie in Schleife:

DAS ALSO WAR DES PUDELS KERN

An ihren Podesten angekommen, blicken die Männer „Ihre“ Frauen wieder an, die inzwischen die Mützen abgenommen haben. Spiegel-Choreografie, dann Sprech-Choreografie. Die Frauen beginnen mit dämonischer Stimme, die Männer setzen mit normaler Stimme versetzt mit ein, aber nach und nach werden ihre Stimmen ebenfalls dämonisch, so dass zwischen Frauen und Männern kein Unterschied mehr besteht:

ICH BIN DER GEIST DER STETS VERNEINT

UND DAS MIT RECHT

DENN ALLES WAS ENTSTEHT

IST WERT DASS ES ZUGRUNDE GEHT

DRUM BESSER WÄRS DASS NICHTS ENTSTÜNDE

SO IST DENN ALLES WAS IHR SÜNDE

ZERSTÖRUNG KURZ DAS BÖSE NENNT

MEIN EIGENTLICHES ELEMENT

Es folgt eine Bewegungschoreografie, bestehend aus vier bestimmten Gesten, die in Schleife von allen synchron wiederholt werden. Allmählich kommen die vier Worte dazu:

WELLEN STÜRMEN SCHÜTTELN BRAND

Sprechend und die Gesten dazu wiederholend bewegen sich alle Spieler durch den Raum. Zunehmende Intensität, bis alle sich auf den Boden fallen lassen und liegenbleiben. Mit der nächsten Sprech- und Bewegungschoreografie stehen die Spieler wie schlafwandelnd auf und ziehen sich gegenseitig Hemd und Krawatte aus. Unter den Hemden kommen jugendlich wirkende Shirts zum Vorschein. Den Text sprechen sie in ruhigem träumerischen Ton:

Weh! weh!
      Du hast sie zerstört
      Die schöne Welt,
      Mit mächtiger Faust;
      Sie stürzt, sie zerfällt!
      Ein Halbgott hat sie zerschlagen!
      Wir tragen
      Die Trümmern ins Nichts hinüber,
      Und klagen
      Über die verlorne Schöne.
      Mächtiger
      Der Erdensöhne,
      Prächtiger
      Baue sie wieder,
      In deinem Busen baue sie auf!
      Neuen Lebenslauf
      Beginne,
      Mit hellem Sinne,
      Und neue Lieder
      Tönen darauf!

Wiederholen des Textes, diesmal schnell, laut und wild. Dazu wird M1 von den anderen durch den Raum geschleudert. Schließlich bleibt M1 am Boden liegen. Die anderen „begraben“ ihn mit den Hemden und Krawatten und setzen sich wieder auf ihre Podeste.

W1 und W2 ziehen Unterröcke an, während W3 aufsteht und M1 aus dem Hemdenhaufen befreit. W3 hilft ihm hoch, dreht ihn und spricht währenddessen:

Ich muß dich nun vor allen Dingen
In lustige Gesellschaft bringen,
Damit du siehst, wie leicht sich’s leben läßt.

W3 setzt sich in den Hemdenhaufen und beobachtet M1, wie er Richtung Publikum wankt, sich zwischen zwei Zuschauer setzt, wieder aufsteht, zwischen zwei andere Zuschauer setzt, usw. Dabei wiederholt er mit leisem schlafwandlerischem Ton die Zeilen, als müsse er sie sich nachsprechend einprägen:

Ich muß mich nun vor allen Dingen
In lustige Gesellschaft bringen,
Damit ich seh, wie leicht sich’s leben läßt.

Schließlich steht W3 auf, führt M1 zu dessen Podest, geht zu ihrem eigenen und zieht ebenfalls einen Unterrock an, aber so, dass sie Mann und Frau gleichzeitig darstellt.

Choreografie: Ein Mann spricht eine beliebige Frau mit den Worten an:

MEIN SCHÖNES FRÄULEIN DARF ICH WAGEN

MEINEN ARM UND GELEIT IHR ANZUTRAGEN?

Die Angesprochene antwortet, aber einen anderen Mann ansehend:

BIN WEDER FRÄULEIN WEDER SCHÖN

KANN UNGELEITET NACH HAUSE GEHN

Der von ihr angesehene Mann richtet den Blick nun zu einer anderen Frau und wiederholt den ersten Satz usw.

Dieses Spiel soll eine Weile laufen und etwas zunehmend Verspieltes bekommen, so wie wenn man als Erwachsener eher lustlos ein Ballspiel beginnt, und mit der Zeit Lust bekommt und zum Kind wird. Die Choreografie soll bewusst improvisiert sein, d.h. es wird nicht vorab eine Reihenfolge festgelegt.

Schließlich hört das Spiel auf. Die Frauen nehmen die Positionen ihrer nächsten Aktion ein, während die Männer – W3 spricht von ihrer neuen Position aus mit – den folgenden Text so sprechen, dass einer beginnt und nach und nach eine Stimme dazukommt. Dabei wird das Sprechen lauter und intensiver:

BEIM HIMMEL DIESES KIND IST SCHÖN

SO ETWAS HAB ICH NIE GESEHN

SIE IST SO SITT- UND TUGENDREICH

UND ETWAS SCHNIPPISCH DOCH ZUGLEICH

DER LIPPE ROT DER WANGE LICHT

DIE TAGE DER WELT VERGESS ICHS NICHT

WIE SIE DIE AUGEN NIEDERSCHLÄGT

HAT TIEF SICH IN MEIN HERZ GEPRÄGT

WIE SIE KURZ ANGEBUNDEN WAR

DAS IST NUN ZUM ENTZÜCKEN GAR

Das Sprechen hört schlagartig auf, stattdessen murmeln die Männer (nur M1 und M2) den gesamten Text lautlos oder flüsternd in Schleife weiter, während die Aktionen der drei Frauen parallel ablaufen. (Wie sich die Texte verschränken, muss in den Proben entwickelt werden).

# W1 steht vor einem imaginären Spiegel und kämmt sich das Haar, flechtet sich Zöpfe und bindet sie auf. Dazu singt sie durchgehend:

Es war ein König in Thule,

Gar treu bis an das Grab,

Dem sterbend seine Buhle

Einen goldnen Becher gab.

Es ging ihm nichts darüber,

Er leert‘ ihn jeden Schmaus;

Die Augen gingen ihm über,

So oft er trank daraus.

Und als er kam zu sterben,

Zählt‘ er seine Städt‘ im Reich,

Gönnt‘ alles seinen Erben,

Den Becher nicht zugleich.

Er saß bei’m Königsmahle,

Die Ritter um ihn her,

Auf hohem Vätersaale,

Dort auf dem Schloß am Meer.

Dort stand der alte Zecher,

Trank letzte Lebensglut,

Und warf den heiligen Becher

Hinunter in die Flut.

Er sah ihn stürzen, trinken

Und sinken tief ins Meer,

Die Augen täten ihm sinken,

Trank nie einen Tropfen mehr.

# W2 ist aus ihrem Unterrock gestiegen und kniet sich, mit einem Nachthemdchen bekleidet, auf den Rock. Sie betet

AVE MARIA GRATIA PLENA DOMINUS TECUM

BENEDICTA TU IN MULIERIBUS

ET BENEDICTUS FRUCTUS VENTRIS TUI JESUS

SANCTA MARIA MATER DEI ORA PRO NOBIS PECCATORIBUS

NUNC ET IN HORA MORTIS NOSTRAE

AMEN

unterbricht aber das Gebet immer wieder mit Sätzen aus folgender Replik:

ICH GÄB WAS DRUM WENN ICH NUR WÜSST

WER HEUT DER HERR GEWESEN IST

ER SAH GEWISS RECHT WACKER AUS

UND IST AUS EINEM EDLEN HAUS

DAS KONNT ICH IHM AN DER STIRNE LESEN

ER WÄR AUCH SONST NICHT SO KECK GEWESEN

# W3 steht mit dem Gesicht zur Wand und masturbiert. Dazu spricht sie:

ES IST SO SCHWÜL SO DUMPFIG HIE

ES WIRD MIR SO ICH WEISS NICHT WIE

MIR LÄUFT EIN SCHAUER ÜBERN GANZEN LEIB

Die Frauen halten gleichzeitig mit ihren Aktionen inne. W3 steigt aus dem Unterrock, W1 und W2 verharren reglos. Die Männer und W3 rufen sich wiederholt und durcheinander zu:

HÖR DU MUSST MIR DIE DIRNE SCHAFFEN

Sie werden dabei immer lauter und aggressiver und bewegen sich auf die Mitte zu. In der Mitte beginnen sie sich zu packen und wiederholt und durcheinander zu sagen:

UND DAS SAG ICH IHM KURZ UND GUT

WENN NICHT DAS SÜSSE JUNGE BLUT

HEUT NACHT IN MEINEN ARMEN RUHT

SO SIND WIR UM MITTERNACHT GESCHIEDEN

Dann lassen sie voneinander ab und schauen sich verwundert an, in dem Sinne, dass sie sich ihres Identischseins bewusst werden. Sie lachen und klopfen sich kameradschaftlich auf die Schulter. Das Schulterklopfen wird allmählich zu einem bestimmten Vorgang: M1 und W3 ermutigen damit M2, auf Gretchen zuzugehen.

Parallel dazu – ab dem Lachen der Männer – sprechen die Frauen wiederholend:

ER LIEBT MICH

ER LIEBT MICH NICHT

Mit diesen Worten löst sich W2 langsam von ihrer Position und geht auf die Mitte zu. Wenn sie angekommen ist, sagt sie abschließend ER LIEBT MICH.

Parallel dazu bewegen sich M1 und W3 von der Mitte zurück zu ihren Podesten.

Schließlich stehen sich M2 und W2 in der Mitte gegenüber. Sie drehen sich voneinander weg und drehen sich im weiteren Verlauf im Zeitlupentempo, als wären sie auf einer Drehbühne. Sie versucht dabei zu sprechen, macht mehrmals einen Anlauf, kriegt aber vor lauter Aufregung nur einzelne Laute, Silben oder Worte heraus.

M2 setzt zu sprechen an, sagt MARGARETE, wird wieder stumm. Darauf sagt W2:

ICH WEISS ZU GUT DASS SOLCH ERFAHRNEN MANN

MEIN ARM GESPRÄCH NICHT UNTERHALTEN KANN

M2 antwortet:

EIN BLICK VON DIR EIN WORT MEHR UNTERHÄLT

ALS ALLE WEISHEIT DIESER WELT

Sie drehen sich zueinander und schauen sich eine Weile schweigend an. Dann umarmen sie sich und lassen leidenschaftlich die Hände über den Körper des Gegenübers gleiten. Dieser Vorgang muss eine Weile dauern. Er soll etwas gleich-rhythmisches haben, ohne mechanisch zu wirken.

Die anderen Spieler intonieren ein heftiges Atmen dazu, das erotisch klingen, aber keinen Orgasmus imitieren soll. Es darf nicht unfreiwillig komisch wirken.

Nach einer Weile gehen W1, W3 mit ihrem Unterrock und M1, der den Unterrock von W2 mitnimmt, weiter heftig atmend auf die Mitte zu und stülpen die Unterröcke nach und nach so über das Paar, dass sie am Ende komplett darunter verschwunden sind. Sie bewegen sich aber weiter.

Schließlich kriecht immer ein anderer Spieler unter das Gebilde und löst einen der anderen ab. Dazu weiter heftiges Atmen. Am Ende ist nur noch M1 unter den Röcken, die anderen wieder an ihren Podesten.

M1 lässt sich auf den Boden fallen und liegt unter den Röcken begraben. Das heftige Atmen hört auf. W3 geht in die Mitte und befreit M1 aus dem Röckeberg. M1 sieht W3 an und wiederholt, immer zerrissener werdend:

ERHABNER GEIST

DU GABST MIR

GABST MIR ALLES

WORUM ICH BAT

M1 wird zunehmend wilder, wie verzweifelt, und reißt schließlich weitersprechend W3 auf die am Boden liegenden Röcke. Beide vollführen kniend den Vorgang des gegenseitigen Abtastens der Körper.

W1 und W2 schleichen sich zögernd und ängstlich von zwei Seiten an das Paar heran, ziehen die Unterröcke unter ihm hervor und schleichen rückwärts gehend und die Röcke vor sich herziehend zurück zu ihren Podesten. Sie ziehen die Unterröcke an, setzen sich auf ihre Podeste und vollführen mechanisch eine pantomimische Handarbeit in Schleife, während sie singen:

Meine Ruh ist hin,
      Mein Herz ist schwer;
      Ich finde sie nimmer
      und nimmermehr.

      Wo ich ihn nicht hab,
      Ist mir das Grab,
      Die ganze Welt
      Ist mir vergällt.

      Mein armer Kopf
      Ist mir verrückt,
      Meiner armer Sinn
      Ist mir zerstückt.

      Meine Ruh ist hin,
      Mein Herz ist schwer,
      Ich finde sie nimmer
      und nimmermehr.

      Nach ihm nur schau ich
      Zum Fenster hinaus,
      Nach ihm nur geh ich
      Aus dem Haus.

      Sein hoher Gang,
      Sein edle Gestalt,
      Seines Mundes Lächeln,
      Seiner Augen Gewalt,

      Und seiner Rede
      Zauberfluß,
      Sein Händedruck,
      Und ach! sein Kuß!

      Meine Ruh ist hin,
      Mein Herz ist schwer,
      Ich finde sie nimmer
      und nimmermehr.

      Mein Busen drängt
      Sich nach ihm hin,
      Ach dürft ich fassen
      Und halten ihn,

      Und küssen ihn,
      So wie ich wollt,
      An seinen Küssen
      Vergehen sollt!

M2 geht während des Gesangs zu dem Paar und reißt M1 von W3 weg. Während M2 spricht, reißt er immer wieder M1 von W3, der sich immer wieder an M1 festzuhalten versucht :

GENUG DAMIT DEIN LIEBCHEN SITZT DADRINNE

UND ALLES WIRD IHR ENG UND TRÜB

DU KOMMST IHR GAR NICHT AUS DEM SINNE

SIE HAT DICH ÜBERMÄCHTIG LIEB

DIE ZEIT WIRD IHR ERBÄRMLICH LANG

(Pause, Gesang durchlassen) – SO GEHT IHR GESANG

TAGELANG HALBE NÄCHTE LANG

EINMAL IST SIE MUNTER MEIST BETRÜBT

EINMAL RECHT AUSGEWEINT

DANN WIEDER RUHIG WIES SCHEINT

UND IMMER VERLIEBT

M1 stößt schließlich W3 von sich und ruft:

SCHLANGE SCHLANGE

W3 zieht sich (schlangengleich?) an M2 hoch und sagt dabei:

GELT DAS ICH DICH FANGE

Er küsst M2 wild und andauernd auf den Mund. M2 sträubt sich erst, dann lässt er sich darauf ein und spielt mit, während er zwischen den Küssen MARGARETE! ruft. Nach einer Weile ruft auch W3 immer mal MARGARETE!

M1 spricht währenddessen auf das Paar ein:

VERRUCHTER HEBE DICH VON HINNEN

UND NENNE NICHT DAS SCHÖNE WEIB

BRING DIE BEGIER ZU IHREM SÜSSEN LEIB

NICHT WIEDER VOR DIE HALBVERRÜCKTEN SINNEN

M1 reißt M2 und W3 voneinander. Sie antworten im Chor:

WAS SOLL ES DENN

SIE MEINT DU SEIST ENTFLOHN

UND HALB UND HALB BIST DU ES SCHON

Mit dem letzten Satz drängen sie sich an M1; W3 ihn küssend, M2 ihn streichelnd. M1 wehrt sich ein wenig, lässt es aber dann geschehen.

M1 beginnt mit dem folgenden Satz:

ICH BIN IHR NAH UND WÄR ICH NOCH SO FERN

ICH KANN SIE NIE VERGESSEN NIE VERLIEREN

M2 und W3 setzen nach und nach mit ein. Sie wiederholen ihn und vollführen dabei den Vorgang des Küssens und Streichelns stetig weiter, wobei irgendwann jeder jeden küsst und streichelt. Fast unmerklich für das Publikum haben die Frauen mit dem Singen und der Pantomime aufgehört und starren im Freeze vor sich hin. (Es gilt, den idealen Moment dafür zu finden.)

Es wird völlig dunkel auf der Bühne. Alle Spieler gehen auf die Positionen, in denen sie im Folgenden sein müssen.

Auf ihrem Podest W2, wieder im Unterrock, schwanger und in Bethaltung. Vor ihr eine Kerze. Sie murmelt in Schleife und im weiteren Verlauf durchgehend ein Gebet:

AVE MARIA GRATIA PLENA DOMINUS TECUM

BENEDICTA TU IN MULIERIBUS

ET BENEDICTUS FRUCTUS VENTRIS TUI JESUS

SANCTA MARIA MATER DEI ORA PRO NOBIS PECCATORIBUS

NUNC ET IN HORA MORTIS NOSTRAE

AMEN

Nach einer Weile ertönt Orgelmusik.

W3, ebenfalls im Unterrock und schwanger, bewegt sich hilflos tastend im Raum, eventuell in Zeitlupe. Um ihren Körper ist eine Leuchtschlange gewunden. Man muss vor allem Gesicht und Bauch sehen.

Verteilt im Raum stehen die zwei Männer. Sie halten Leuchten von unten in ihre Gesichter, so dass diese dämonisch aussehen. Sie sprechen den bösen Geist synchron und mit flüsternd zischender Stimme. Den Gretchentext spricht W3, wobei sie für den Moment des Sprechens stehenbleibt. Während des Textsprechens Orgel leise und gedämpft. Dazu Lautgesang von W1. Das Ave Maria von W2 kann zunehmend panischer werden, aber nicht lauter.

Böser Geist:

Wie anders, Gretchen, war dir’s,
Als du noch voll Unschuld
Hier zum Altar tratst,
Gebete lalltest,
Halb Kinderspiele,
Halb Gott im Herzen!
Gretchen!
Wo steht dein Kopf?
In deinem Herzen
Welche Missetat?

Und unter deinem Herzen
Regt sich’s nicht quillend schon
Und ängstet dich und sich
Mit ahnungsvoller Gegenwart?

Gretchen:

Weh! Weh!
Wär ich der Gedanken los,
Die mir herüber und hinüber gehen
Wider mich!

Böser Geist:

Grimm faßt dich!
Die Posaune tönt!
Die Gräber beben!
Und dein Herz,
Aus Aschenruh
Zu Flammenqualen
Wieder aufgeschaffen,
Bebt auf!

Gretchen:

Wär ich hier weg!
Mir ist, als ob die Orgel mir
Den Atem versetzte,
Gesang mein Herz
Im Tiefsten löste.

Böser Geist:

Grimm faßt dich!
Die Posaune tönt!
Die Gräber beben!
Und dein Herz,
Aus Aschenruh
Zu Flammenqualen
Wieder aufgeschaffen,
Bebt auf!

Gretchen:

Mir wird so eng!
Die Mauernpfeiler
Befangen mich!
Das Gewölbe
Drängt mich! – Luft!

Böser Geist:

Verbirg dich! Sünd und Schande
Bleibt nicht verborgen.
Luft? Licht?
Weh dir!

Gretchen:

Weh! Weh!
Wär ich der Gedanken los,
Die mir herüber und hinüber gehen
Wider mich!

Böser Geist:

Ihr Antlitz wenden
Verklärte von dir ab.
Die Hände dir zu reichen,
Schauert’s den Reinen.
Weh!

Am Ende des Textes passiert folgendes gleichzeitig:

Der Lautgesang bricht ab, das Orgelspiel wird extrem laut.

Das Ave Maria bricht ab, die Kerze erlischt.

W3 rennt – aber in Zeitlupe! – panisch durch den Raum.

Die Männer verfolgen W3 mit ihren Leuchten.

Das Orgelspiel bricht ab. Alle Leuchten gehen aus. W3 bricht ungefähr im Bühnenmittelpunkt zusammen und bleibt liegen. Alle anderen gehen, während sie halblaut in Schleife WEH! WEH! rufen, zu ihren nächsten Positionen und lassen alle nicht mehr gebrauchten Requisiten darunter verschwinden.

Licht. Die Männer sitzen auf ihren Ursprungspodesten. W1 und W2 haben sich die Unterröcke so über den Kopf gezogen, dass sie wie Nonnen aussehen. Sie stehen links und rechts vor dem Podest von W3.

W3 liegt noch auf dem Boden. Sie erhebt sich mühsam und robbt, den schwangeren Bauch mit sich ziehend, langsam bis zu ihrem Podest. Dabei sprechen die Männer:

M1: Siehst du dort
Ein blasses, schönes Kind allein und ferne stehen?
Sie schiebt sich langsam nur vom Ort,
Sie scheint mit geschlossnen Füßen zu gehen.
Ich muß bekennen, daß mir deucht,
Daß sie dem guten Gretchen gleicht.

M2: Fürwahr, es sind die Augen einer Toten,
Die eine liebende Hand nicht schloß.
Das ist die Brust, die Gretchen mir geboten,
Das ist der süße Leib, den ich genoß.

M1: Welch eine Wonne! welch ein Leiden!
Ich kann von diesem Blick nicht scheiden.

M1 + M2: Welch eine Wonne! welch ein Leiden!
Ich kann von diesem Blick nicht scheiden.

Wenn W3 am Podest angekommen ist, ziehen W1 und W2 sie auf das Podest und ziehen ihre Beine auseinander, so dass sich W3 in Gebärhaltung befindet.

Wieder dunkel. Die Männer leuchten wieder ihre Gesichter dämonisch an und sprechen mit den Böse-Geister-Stimmen in Schleife:

DIE GABEL STICHT

DER BESEN KRATZT

DAS KIND ERSTICKT

DIE MUTTER PLATZT

W3 beginnt wie bei Wehen zu schreien. W1 und W2 entbinden, indem sie die Leuchtschlange zur Nabelschnur umfunktionieren und durch den Unterrock schieben. Am Ende der Leuchtschlange wird ein Babykopf sichtbar.

Der Geister-Chor hört auf. Licht. W2 zieht W1 den Unterrock herunter, so dass er wieder an ihrer Hüfte ist. Dann nimmt sie ihren eigenen Unterrock ab und wickelt ihn um den Hals des Babykopfes. Dann gibt sie das Baby W1. Diese schaukelt das Kind im Arm und singt erneut den „König in Thule“. Die zwei anderen Frauen verteilen sich auf die noch unbesetzten Podeste. M1, M2, W2 und W3 stehen zum Ende des Liedes alle vor ihrem Podest und stellen Faust dar.

W1 blickt um sich und sagt mehrmals HEINRICH. Dann geht sie, das Baby vor sich haltend in die Mitte. Auch die vier Fausts gehen auf die Mitte zu. Wenn sie sich treffen, geht das Baby von Faust zu Faust. Die Fausts schauen das Kind liebevoll an und herzen es, bevor sie es weiterreichen. Ein Faust will schließlich das Baby ihrer Mutter wiedergeben, aber W3 reißt es ihm aus der Hand. W3 nimmt den Babykopf und wirft ihn einem der anderen Fausts zu. W1 will ihn fangen, erwischt ihn aber nicht. Alle Fausts bauen sich nun im Kreis auf und spielen Ball mit dem Kopf, während W1 verzweifelt versucht, ihn zu erwischen.

Schließlich gehen die Fausts alle in die Mitte und bilden einen zusammenhängenden Körper, indem sie sich aneinander festhalten. Die Haltungen sollen Zusammengehörigkeit / Besitzergreifung von Liebespartnern assoziieren. Zum Beispiel: Hand auf dem Hintern, Arme um den Hals oder Hüfte usw.

Der Faust-Körper blickt W1 verachtend an. Einer der Fausts hält ihr den Babykopf hin. Alle drehen sich einmal langsam drehbühnenartig, dann bleiben sie stehen. Der Kopf wird W1 zugeworfen, sie fängt ihn auf.

Die Fausts lösen sich, klopfen sich gegenseitig auf die Schulter und lachen. Dann bewegen sie sich zurück zu ihren Podesten. W1 ruft verzweifelt mehrmals HEINRICH und streckt ihnen den Babykopf entgegen.

W2 und W3 ziehen die Unterröcke wieder an. Alle drei Frauen singen das Lied „Meine Ruh ist hin“, während W3 einen Eimer Wasser und W1 den Babykopf W2 bringt, welche verzweifelt auf ihrem Podest sitzt.

Der Gesang hört auf. Der Eimer wird vor W2 hingestellt, der Babykopf ihr in die Hand gedrückt. W2 taucht den Kopf immer wieder in den Wassereimer, dann lässt sie ihn darin liegen.

W1 und W3 ziehen die Unterröcke an sich hoch, dass diese aussehen wie Umhänge. Sie stellen nun Schergen dar. W1 bindet W2 ein Seil um die Hüften und behält das andere Ende in der Hand, W3 drückt ihr den Eimer in die Hand, geht zu ihrem Podesdt und zieht den Unterrock aus. W2 geht langsam in die Mitte, stellt den Eimer ab und setzt sich drauf.

Ein Disco-Beat wird eingespielt, dazu tanzen die Männer und W3 auf ihren Podesten. Plötzlich hören Musik und Tanz auf, W3 und die Männer nehmen W2 wahr und schauen erschrocken schweigend auf sie.

Nach einer Weile folgt eine verzweifelt chaotische Sprechchoreografie mit dem Text:

Im Elend! Verzweifelnd! Erbärmlich auf der Erde lange verirrt und nun gefangen! Als Missetäterin Im Kerker zu entsetzlichen Qualen eingesperrt, das holde unselige Geschöpf! Bis dahin! dahin! – Verräterischer, nichtswürdiger Geist, und das hast du mir verheimlicht! – Steh nur, steh! Steh und trutze mir durch deine unerträgliche Gegenwart! Gefangen! Im unwiederbringlichen Elend! Bösen Geistern übergeben und der richtenden gefühllosen Menschheit! Und mich wiegst du indes in abgeschmackten Zerstreuungen, verbirgst mir ihren wachsenden Jammer und lässest sie hilflos verderben!

M1 geht zu M2, packt ihn und reißt ihn vom Podest. W3 geht von seinem Podest herunter und reißt M1 von M2 weg.

W3: Warum machst du Gemeinschaft mit uns wenn du sie nicht durchführen kannst? Willst fliegen und bist vorm Schwindel nicht sicher? Drangen wir uns dir auf, oder du dich uns?

M1: Mir ekelt’s! – Großer, herrlicher Geist, der du mir zu erscheinen würdigtest, der du mein Herz kennest und meine Seele, warum an den Schandgesellen mich schmieden, der sich am Schaden weidet und am Verderben sich letzt?

M2: Rette sie! oder weh dir!

M3: »Rette sie!« – Wer war’s, der sie ins Verderben stürzte? Ich oder du?

Die drei laufen nun durch den Raum und sprechen in Schleife jeder für sich ICH und DU. Sie können auch Zuschauer anreden.

Plötzlich beginnt W2 zu singen, während sie ein imaginäres Baby wiegt:

Meine Mutter, die Hur
      Die mich umgebracht hat!
      Mein Vater, der Schelm
      Der mich gessen hat!
      Mein Schwesterlein klein
      Hub auf die Bein
      An einem kühlen Ort;
      Da ward ich ein schönes Waldvögelein;
      Fliege fort, fliege fort!

Die Männer und W3 hören zu sprechen auf, bleiben stehen, lauschen, bewegen sich langsam zurück zu ihren Podesten. W3 zieht wieder den Unterrock an.

W2 steht vom Eimer auf, kniet sich hin und macht Anstalten, den Kopf in den Eimer zu tauchen. W1, die jetzt wieder den Unterrock an der Hüfte hat und steht, zieht sie am Seil zurück. Im Folgenden versucht W2 immer wieder, auf den Knien zum Eimer zu rutschen, wird immer wieder zurückgezogen. Währenddessen sprechen W1 und W3 synchron und mit gedämpft rhythmischer Stimme:

Bin ich doch noch so jung, so jung!
Und soll schon sterben!
Schön war ich auch, und das war mein Verderben.
Nah war der Freund, nun ist er weit;
Zerrissen liegt der Kranz, die Blumen zerstreut.
Fasse mich nicht so gewaltsam an!
Schone mich! Was hab ich dir getan?
Laß mich nicht vergebens flehen,
Hab ich dich doch mein Tage nicht gesehen!

Schließlich lässt W1 das Seil locker. Während W2 im Eimer vergeblich nach dem Puppenkopf sucht, sprechen W1 und W3 folgenden Text synchron und mit gedämpft rhythmischer Stimme:

Ich bin nun ganz in deiner Macht.
Laß mich nur erst das Kind noch tränken.
Ich herzt es diese ganze Nacht;
Sie nahmen mir’s, um mich zu kränken,
Und sagen nun, ich hätt es umgebracht.
Und niemals werd ich wieder froh..
Sie singen Lieder auf mich! Es ist bös von den Leuten!
Ein altes Märchen endigt so,
Wer heißt sie’s deuten?

Dazu singen die Männer leise:

Meine Mutter, die Hur
      Die mich umgebracht hat!
      Mein Vater, der Schelm
      Der mich gessen hat!
      Mein Schwesterlein klein
      Hub auf die Bein
      An einem kühlen Ort;
      Da ward ich ein schönes Waldvögelein;
      Fliege fort, fliege fort!

Wenn alles verstummt, sucht W2 noch weiter und holt schließlich den Kopf heraus, aber nur so weit, dass man das dabei entstehende Geräusch hört. Wenn die Männer immer wieder versetzt GRETCHEN! rufen, lässt sie den Kopf los, ohne ihn herausgezogen zu haben.

W2: Das war des Freundes Stimme!

Während W2 weiterspricht, läuft sie herum, aber immer vom Seil eingeschränkt:

Wo ist er? ich hab ihn rufen hören.
Ich bin frei! mir soll niemand wehren.
An seinen Hals will ich fliegen,
An seinem Busen liegen!
Er rief Gretchen! Er stand auf der Schwelle.
Mitten durchs Heulen und Klappen der Hölle,
Durch den grimmigen, teuflischen Hohn
Erkannt ich den süßen, den liebenden Ton.

Die Männer (wiederholend versetzt): Ich bin’s!

W2: Du bist’s! O sag es noch einmal!
Er ist’s! Er ist’s! Wohin ist alle Qual?
Wohin die Angst des Kerkers? der Ketten?
Du bist’s! Kommst, mich zu retten.
Ich bin gerettet!
Schon ist die Straße wieder da
Auf der ich dich zum ersten Male sah.


Die Männer (wiederholend versetzt): Komm mit! Komm mit!

W2 (bleibt stehen): O weile
Weil ich doch so gern, wo du weilest.

M1 und M2 gehen zu W2 und stellen sich vor sie hin. Sie greift nach ihnen, aber kommt nicht an sie heran.

M1: Eile!
M2: Wenn du nicht eilest
Werden wir’s teuer büßen müssen.

W2 (versucht an sie heranzukommen und sie zu küssen, aber sie kommt nicht an sie heran):

Wie? du kannst nicht mehr küssen?
Mein Freund, so kurz von mir entfernt
Und hast’s Küssen verlernt?
Warum wird mir an deinem Halse so bang?
Wenn sonst von deinen Worten, deinen Blicken
Ein ganzer Himmel mich überdrang
Und du mich küßtest, als wolltest du mich ersticken.
Küsse mich!

Sonst küß ich dich!

Inzwischen ist W3 – ohne Unterrock- langsam zu den Männern getreten. Sie geht zwischen ihnen noch einen Schritt vor, bis sie vor W2 steht, dann küsst sie sie wild auf den Mund. Es ist aber ein brutaler Kuß.

W2 (reißt sich los):O weh! deine Lippen sind kalt,
Sind stumm.
Wo ist dein Lieben
Geblieben?
Wer brachte mich drum?

Die Männer und W3 (schmeichelnd, versetzt):

Komm! Folge mir! Liebchen, fasse Mut!
Ich herze dich mit tausendfacher Glut
Nur folge mir! Ich bitte dich nur dies!

W2: Und bist du’s denn? Und bist du’s auch gewiß?

Die Männer und W3 (synchron): Ich bin’s! Komm mit!

Die Männer und W3 machen das Seil von ihrer Hüfte, W1 zieht es ein.

W2: Du machst die Fesseln los,
Nimmst wieder mich in deinen Schoß.
Wie kommt es, daß du dich vor mir nicht scheust?
Und weißt du denn, mein Freund, wen du befreist?

Die Männer und W3 (wiederholend versetzt): Komm! komm!

W2 (liebkosend von einem zum anderen gehend):

Mein Kind hab ich ertränkt.
War es nicht dir und mir geschenkt?
Dir auch. – Du bist’s! ich glaub es kaum.
Gib deine Hand! Es ist kein Traum!
Deine liebe Hand! – Ach, aber sie ist feucht!
Wische sie ab! Wie mich deucht,
Ist Blut dran.

Sie reißt sich von ihnen los. Dann wiederholt sie das Spiel, aber immer wieder sich wieder losreißend:

Niemand wird sonst bei mir liegen! –
Mich an deine Seite zu schmiegen,
Das war ein süßes, ein holdes Glück!
Aber es will mir nicht mehr gelingen;
Mir ist’s, als müßt ich mich zu dir zwingen,
Als stießest du mich von dir zurück;
Und doch bist du’s und blickst so gut, so fromm.

Die Männer und W3 (wiederholend versetzt): Fühlst du, daß ich es bin, so komm!

W2: Dahinaus?

Die Männer und W3 (synchron): Ins Freie.

W2 hält inne, dann fällt ihr Blick auf den Eimer. Sie geht schnell zum Eimer und klammert sich daran fest. Dann spricht sie, während die Männer langsam zu ihren Podesten zurückkehren:

Und weiter keinen Schritt –
Du gehst nun fort? O Heinrich, könnt ich mit!

Die Männer und W3 (synchron): Du kannst! So wolle nur! Die Tür steht offen!

W2: Ich darf nicht fort; für mich ist nichts zu hoffen.
Was hilft es, fliehn? Sie lauern doch mir auf.

Die Männer und W3 (stehenbleibend, synchron): Ich bleibe bei dir.

W2 nimmt den Eimer, trägt ihn von einem zum anderen, aber keiner nimmt ihn ihr ab. Dabei spricht sie:

Geschwind! Geschwind!
Rette dein armes Kind!
Fort! immer den Weg
Am Bach hinauf,
Über den Steg,
In den Wald hinein,
Links, wo die Planke steht,
Im Teich.
Faß es nur gleich!
Es will sich heben,
Es zappelt noch!
Rette! rette!

Die Männer und W3 (synchron): Besinne dich doch!
Nur
einen Schritt, so bist du frei!

W2 bleibt stehen, stellt den Eimer ab und will den Kopf hineinstecken. Währenddessen schleichen die Männer und W3 sich an sie heran und packen sie. Sie wehrt sich und ruft:

Laß mich! Nein, ich leide keine Gewalt!
Fasse mich nicht so mörderisch an!
Sonst hab ich dir ja alles zulieb getan.

W1 übernimmt das LASS MICH und spricht es in Schleife weiter, während W3 und die Männer W2 loslassen. M1 und M2 gehen langsam zu ihren Podesten und rufen sanft wiederholend versetzt in das LASS MICH hinein: LIEBCHEN! LIEBCHEN!

W3 ist stehengeblieben. Sie und W2 stehen sich gegenüber. Das Licht geht aus. W3 holt eine Leuchte hervor und hält sie sich von unten vors Gesicht. Dann leuchten gleichzeitig auch die Gesichter von M1 und M2 auf.

W1 und W2 raunen synchron: Heinrich! Mir graut’s vor dir.

Die Männer und W3 leuchten W2 an und verfolgen sie mit dem Licht. W2 geht zum Eimer und steckt ihren Kopf hinein. Nach ein paar Sekunden gehen die Leuchten aus.

E N D E

**********

*** VERSION FÜR SECHS SPIELER:INNEN ***

FAUST EINS

Bühne:

24 Stühle sind als Kreis angeordnet, mit Blickrichtung zur Mitte. Zwischen jeweils vier Stühlen befinden sich die sechs Spieler-Podeste.

A = M1 B = W3

F = W2 C = M2

E = M3 D = W1

Wenn die Zuschauer den Raum betreten und Platz nehmen, sitzen die sechs Spieler bereits auf den Podesten, in Posen der Resignation. Sie tragen alle Hemd und Krawatte und stellen den älteren Faust dar. Jeder für sich spricht wiederholend in Schleife:

HABE NUN

ACH!

PHILOSOPHIE

JURISTEREI UND MEDIZIN

UND LEIDER AUCH THEOLOGIE

DURCHAUS STUDIERT

MIT HEISSEM BEMÜHN

DA SITZ ICH NUN

ICH ARMER TOR

UND BIN SO KLUG ALS WIE ZUVOR

Wenn die Zuschauer sitzen, bricht der Chor jäh ab. Alle Spieler rufen synchron:

ES MÖCHTE KEIN HUND SO LÄNGER LEBEN

Sie stehen auf und sprechen synchron und leise:

DRUM HAB ICH MICH DER MAGIE ERGEBEN

OB MIR DURCH GEISTES KRAFT UND MUND

NICHT MANCH GEHEIMNIS WÜRDE KUND

Sie gehen synchron auf die Mitte zu und wiederholen dabei halblaut:

DRUM HAB ICH MICH DER MAGIE ERGEBEN

OB MIR DURCH GEISTES KRAFT UND MUND

NICHT MANCH GEHEIMNIS WÜRDE KUND

Sie bilden einen Kreis, das Gesicht zum Publikum, holen ein Reagenzglas aus der Hemdtasche und wiederholen laut:

DRUM HAB ICH MICH DER MAGIE ERGEBEN

OB MIR DURCH GEISTES KRAFT UND MUND

NICHT MANCH GEHEIMNIS WÜRDE KUND

Sie trinken den Inhalt des Reagenzglases. (Falls die Zuschauer an der Kasse ein Reagenzglas erhalten haben, wäre das der Moment für sie, es ebenfalls zu leeren.)

Sprech- und Bewegungschoreografie mit folgendem Text:

      Schwindet, ihr dunkeln
      Wölbungen droben!
      Reizender schaue
      Freundlich der blaue
      Äther herein!
      Wären die dunkeln
      Wolken zerronnen!
      Sternelein funkeln,
      Mildere Sonnen
      Scheinen darein.
      Himmlischer Söhne
      Geistige Schöne,
      Schwankende Beugung
      Schwebet vorüber.
      Sehnende Neigung
      Folget hinüber;
      Und der Gewänder
      Flatternde Bänder
      Decken die Länder,
      Decken die Laube,
      Wo sich fürs Leben,
      Tief in Gedanken,
      Liebende geben.
      Laube bei Laube!
      Sprossende Ranken!
      Lastende Traube
      Stürzt ins Behälter
      Drängender Kelter,
      Stürzen in Bächen
      Schäumende Weine,
      Rieseln durch reine,
      Edle Gesteine,
      Lassen die Höhen
      Hinter sich liegen,
      Breiten zu Seen
      Sich ums Genüge
      Grünender Hügel.
      Und das Geflügel
      Schlürfet sich Wonne,
      Flieget der Sonne,
      Flieget den hellen
      Inseln entgegen,
      Die sich auf Wellen
      Gauklend bewegen;
      Wo wir in Chören
      Jauchzende hören,
      Über den Auen
      Tanzende schauen,
      Die sich im Freien
      Alle zerstreuen.
      Einige klimmen
      Über die Höhen,
      Andere schwimmen
      Über die Seen,
      Andere schweben;
      Alle zum Leben,
      Alle zur Ferne
      Liebender Sterne,
      Seliger Huld.

Die Choreografie endet damit, dass alle Spieler wieder auf ihren Podesten sitzen. Die Köpfe hängen herunter.

Die Frauen ziehen sich Pudelmützen auf, die unter dem Podest versteckt sind, heben den Kopf und deuten mit Mimik, Lauten usw. einen Hund an. Die Männer beobachten sie, reiben sich die Augen oder machen andere Gesten des Erstaunens.

Die Frauen laufen als Pudel (aber nicht auf vier Beinen!) durch den Raum, die Männer springen auf und versuchen jeweils „ihren Hund“ zu fangen. Dabei sprechen sie:

ICH FÜHLS DU SCHWEBST UM MICH ERFLEHTER GEIST

ENTHÜLLE DICH

HA WIES IN MEINEM HERZEN REISST

ZU NEUEN GEFÜHLEN

ALL MEINE SINNE SICH ERWÜHLEN

ICH FÜHLE GANZ MEIN HERZ DIR HINGEGEBEN

DU MUSST DU MUSST UND KOSTET ES MEIN LEBEN

Die Frauen stehen vor ihren Podesten, Gesicht zur Wand, die Männer jeweils hinter „ihrer“ Frau. Die Frauen ziehen sich die Mützen übers Gesicht, welche Augen- und Mundschlitze haben, wie bei einer Skimaske. Die Frauen rufen synchron:

WER RUFT MIR

Die Männer drehen die Frauen um, wenden sich erschrocken ab und rufen:

SCHRECKLICHES GESICHT

Die Frauen antworten:

UND NUN

Die Männer daraufhin:

WEH ICH ERTRAG DICH NICHT

Die Männer bewegen sich langsam und von den Frauen abgewandt zu ihren Podesten. Dabei murmeln sie in Schleife:

DAS ALSO WAR DES PUDELS KERN

An ihren Podesten angekommen, blicken die Männer „Ihre“ Frauen wieder an, die inzwischen die Mützen abgenommen haben. Spiegel-Choreografie, dann Sprech-Choreografie. Die Frauen beginnen mit dämonischer Stimme, die Männer setzen mit normaler Stimme versetzt mit ein, aber nach und nach werden ihre Stimmen ebenfalls dämonisch, so dass zwischen Frauen und Männern kein Unterschied mehr besteht:

ICH BIN DER GEIST DER STETS VERNEINT

UND DAS MIT RECHT

DENN ALLES WAS ENTSTEHT

IST WERT DASS ES ZUGRUNDE GEHT

DRUM BESSER WÄRS DASS NICHTS ENTSTÜNDE

SO IST DENN ALLES WAS IHR SÜNDE

ZERSTÖRUNG KURZ DAS BÖSE NENNT

MEIN EIGENTLICHES ELEMENT

Es folgt eine Bewegungschoreografie, bestehend aus vier bestimmten Gesten, die in Schleife von allen synchron wiederholt werden. Allmählich kommen die vier Worte dazu:

WELLEN STÜRMEN SCHÜTTELN BRAND

Sprechend und die Gesten dazu wiederholend bewegen sich alle Spieler durch den Raum. Zunehmende Intensität, bis alle sich auf den Boden fallen lassen und liegenbleiben. Mit der nächsten Sprech- und Bewegungschoreografie stehen die Spieler wie schlafwandelnd auf und ziehen sich gegenseitig Hemd und Krawatte aus. Unter den Hemden kommen jugendlich wirkende Shirts zum Vorschein. Den Text sprechen sie in ruhigem träumerischen Ton:

Weh! weh!
      Du hast sie zerstört
      Die schöne Welt,
      Mit mächtiger Faust;
      Sie stürzt, sie zerfällt!
      Ein Halbgott hat sie zerschlagen!
      Wir tragen
      Die Trümmern ins Nichts hinüber,
      Und klagen
      Über die verlorne Schöne.
      Mächtiger
      Der Erdensöhne,
      Prächtiger
      Baue sie wieder,
      In deinem Busen baue sie auf!
      Neuen Lebenslauf
      Beginne,
      Mit hellem Sinne,
      Und neue Lieder
      Tönen darauf!

Wiederholen des Textes, diesmal schnell, laut und wild. Dazu wird M1 von den anderen durch den Raum geschleudert. Schließlich bleibt M1 am Boden liegen. Die anderen „begraben“ ihn mit den Hemden und Krawatten und setzen sich wieder auf ihre Podeste.

Die Frauen ziehen Unterröcke an, während M3 aufsteht und M1 aus dem Hemdenhaufen befreit. M3 hilft ihm hoch, dreht ihn und spricht währenddessen:

Ich muß dich nun vor allen Dingen
In lustige Gesellschaft bringen,
Damit du siehst, wie leicht sich’s leben läßt.

M3 setzt sich in den Hemdenhaufen und beobachtet M1, wie er Richtung Publikum wankt, sich zwischen zwei Zuschauer setzt, wieder aufsteht, zwischen zwei andere Zuschauer setzt, usw. Dabei wiederholt er mit leisem schlafwandlerischem Ton die Zeilen, als müsse er sie sich nachsprechend einprägen:

Ich muß mich nun vor allen Dingen
In lustige Gesellschaft bringen,
Damit ich seh, wie leicht sich’s leben läßt.

Schließlich steht M3 auf, führt M1 zu dessen Podest und geht zu seinem eigenen.

Choreografie: Ein Mann spricht eine beliebige Frau mit den Worten an:

MEIN SCHÖNES FRÄULEIN DARF ICH WAGEN

MEINEN ARM UND GELEIT IHR ANZUTRAGEN?

Die Angesprochene antwortet, aber einen anderen Mann ansehend:

BIN WEDER FRÄULEIN WEDER SCHÖN

KANN UNGELEITET NACH HAUSE GEHN

Der von ihr angesehene Mann richtet den Blick nun zu einer anderen Frau und wiederholt den ersten Satz usw.

Dieses Spiel soll eine Weile laufen und etwas zunehmend Verspieltes bekommen, so wie wenn man als Erwachsener eher lustlos ein Ballspiel beginnt, und mit der Zeit Lust bekommt und zum Kind wird. Die Choreografie soll bewusst improvisiert sein, d.h. es wird nicht vorab eine Reihenfolge festgelegt.

Schließlich hört das Spiel auf. Die Frauen nehmen die Positionen ihrer nächsten Aktion ein, während die Männer den folgenden Text so sprechen, dass einer beginnt und nach und nach eine Stimme dazukommt. Dabei wird das Sprechen lauter und intensiver:

BEIM HIMMEL DIESES KIND IST SCHÖN

SO ETWAS HAB ICH NIE GESEHN

SIE IST SO SITT- UND TUGENDREICH

UND ETWAS SCHNIPPISCH DOCH ZUGLEICH

DER LIPPE ROT DER WANGE LICHT

DIE TAGE DER WELT VERGESS ICHS NICHT

WIE SIE DIE AUGEN NIEDERSCHLÄGT

HAT TIEF SICH IN MEIN HERZ GEPRÄGT

WIE SIE KURZ ANGEBUNDEN WAR

DAS IST NUN ZUM ENTZÜCKEN GAR

Das Sprechen hört schlagartig auf, stattdessen murmeln die Männer den gesamten Text lautlos oder flüsternd in Schleife weiter, während die Aktionen der drei Frauen parallel ablaufen. (Wie sich die Texte verschränken, muss in den Proben entwickelt werden).

# W1 steht vor einem imaginären Spiegel und kämmt sich das Haar, flechtet sich Zöpfe und bindet sie auf. Dazu singt sie durchgehend:

Es war ein König in Thule,

Gar treu bis an das Grab,

Dem sterbend seine Buhle

Einen goldnen Becher gab.

Es ging ihm nichts darüber,

Er leert‘ ihn jeden Schmaus;

Die Augen gingen ihm über,

So oft er trank daraus.

Und als er kam zu sterben,

Zählt‘ er seine Städt‘ im Reich,

Gönnt‘ alles seinen Erben,

Den Becher nicht zugleich.

Er saß bei’m Königsmahle,

Die Ritter um ihn her,

Auf hohem Vätersaale,

Dort auf dem Schloß am Meer.

Dort stand der alte Zecher,

Trank letzte Lebensglut,

Und warf den heiligen Becher

Hinunter in die Flut.

Er sah ihn stürzen, trinken

Und sinken tief ins Meer,

Die Augen täten ihm sinken,

Trank nie einen Tropfen mehr.

# W2 ist aus ihrem Unterrock gestiegen und kniet sich, mit einem Nachthemdchen bekleidet, auf den Rock. Sie betet

AVE MARIA GRATIA PLENA DOMINUS TECUM

BENEDICTA TU IN MULIERIBUS

ET BENEDICTUS FRUCTUS VENTRIS TUI JESUS

SANCTA MARIA MATER DEI ORA PRO NOBIS PECCATORIBUS

NUNC ET IN HORA MORTIS NOSTRAE

AMEN

unterbricht aber das Gebet immer wieder mit Sätzen aus folgender Replik:

ICH GÄB WAS DRUM WENN ICH NUR WÜSST

WER HEUT DER HERR GEWESEN IST

ER SAH GEWISS RECHT WACKER AUS

UND IST AUS EINEM EDLEN HAUS

DAS KONNT ICH IHM AN DER STIRNE LESEN

ER WÄR AUCH SONST NICHT SO KECK GEWESEN

# W3 steht mit dem Gesicht zur Wand und masturbiert. Dazu spricht sie:

ES IST SO SCHWÜL SO DUMPFIG HIE

ES WIRD MIR SO ICH WEISS NICHT WIE

MIR LÄUFT EIN SCHAUER ÜBERN GANZEN LEIB

Die Frauen halten gleichzeitig mit ihren Aktionen inne und verharren reglos. Die Männer rufen sich wiederholt und durcheinander zu:

HÖR DU MUSST MIR DIE DIRNE SCHAFFEN

Sie werden dabei immer lauter und aggressiver und bewegen sich auf die Mitte zu. In der Mitte beginnen sie sich zu packen und wiederholt und durcheinander zu sagen:

UND DAS SAG ICH IHM KURZ UND GUT

WENN NICHT DAS SÜSSE JUNGE BLUT

HEUT NACHT IN MEINEN ARMEN RUHT

SO SIND WIR UM MITTERNACHT GESCHIEDEN

Dann lassen sie voneinander ab und schauen sich verwundert an, in dem Sinne, dass sie sich ihres Identischseins bewusst werden. Sie lachen und klopfen sich kameradschaftlich auf die Schulter. Das Schulterklopfen wird allmählich zu einem bestimmten Vorgang: M1 und M3 ermutigen damit M2, auf Gretchen zuzugehen.

Parallel dazu – ab dem Lachen der Männer – sprechen die Frauen wiederholend:

ER LIEBT MICH

ER LIEBT MICH NICHT

Mit diesen Worten löst sich W2 langsam von ihrer Position und geht auf die Mitte zu. Wenn sie angekommen ist, sagt sie abschließend ER LIEBT MICH.

Parallel dazu bewegen sich M1 und M3 von der Mitte zurück zu ihren Podesten.

Schließlich stehen sich M2 und W2 in der Mitte gegenüber. Sie drehen sich voneinander weg und drehen sich im weiteren Verlauf im Zeitlupentempo, als wären sie auf einer Drehbühne. Sie versucht dabei zu sprechen, macht mehrmals einen Anlauf, kriegt aber vor lauter Aufregung nur einzelne Laute, Silben oder Worte heraus.

M2 setzt zu sprechen an, sagt MARGARETE, wird wieder stumm. Darauf sagt W2:

ICH WEISS ZU GUT DASS SOLCH ERFAHRNEN MANN

MEIN ARM GESPRÄCH NICHT UNTERHALTEN KANN

M2 antwortet:

EIN BLICK VON DIR EIN WORT MEHR UNTERHÄLT

ALS ALLE WEISHEIT DIESER WELT

Sie drehen sich zueinander und schauen sich eine Weile schweigend an. Dann umarmen sie sich und lassen leidenschaftlich die Hände über den Körper des Gegenübers gleiten. Dieser Vorgang muss eine Weile dauern. Er soll etwas gleich-rhythmisches haben, ohne mechanisch zu wirken.

Die anderen Spieler intonieren ein heftiges Atmen dazu, das erotisch klingen, aber keinen Orgasmus imitieren soll. Es darf nicht unfreiwillig komisch wirken.

Nach einer Weile gehen W1, W3 und M1, der den Unterrock von W2 mitnimmt, weiter heftig atmend auf die Mitte zu und stülpen die Unterröcke nach und nach so über das Paar, dass sie am Ende komplett darunter verschwunden sind. Sie bewegen sich aber weiter.

Schließlich kriecht immer ein anderer Spieler unter das Gebilde und löst einen der anderen ab. Nur M3 bleibt an seiner Position und hält das heftige Atmen aufrecht. Am Ende ist nur noch M1 unter den Röcken, die anderen wieder an ihren Podesten.

M1 lässt sich auf den Boden fallen und liegt unter den Röcken begraben. M3 hört mit dem heftigen Atmen auf, geht in die Mitte und befreit M1 aus dem Röckeberg. M1 sieht M3 an und wiederholt, immer zerrissener werdend:

ERHABNER GEIST

DU GABST MIR

GABST MIR ALLES

WORUM ICH BAT

M1 wird zunehmend wilder, wie verzweifelt, und reißt schließlich weitersprechend M3 auf die am Boden liegenden Röcke. Beide vollführen kniend den Vorgang des gegenseitigen Abtastens der Körper.

Die Frauen schleichen sich zögernd und ängstlich von drei Seiten an das Paar heran, ziehen die Unterröcke unter ihm hervor und schleichen rückwärts gehend und die Röcke vor sich herziehend zurück zu ihren Podesten. Sie ziehen die Unterröcke an, setzen sich auf ihre Podeste und vollführen mechanisch eine pantomimische Handarbeit in Schleife, während sie singen:

Meine Ruh ist hin,
      Mein Herz ist schwer;
      Ich finde sie nimmer
      und nimmermehr.

      Wo ich ihn nicht hab,
      Ist mir das Grab,
      Die ganze Welt
      Ist mir vergällt.

      Mein armer Kopf
      Ist mir verrückt,
      Meiner armer Sinn
      Ist mir zerstückt.

      Meine Ruh ist hin,
      Mein Herz ist schwer,
      Ich finde sie nimmer
      und nimmermehr.

      Nach ihm nur schau ich
      Zum Fenster hinaus,
      Nach ihm nur geh ich
      Aus dem Haus.

      Sein hoher Gang,
      Sein edle Gestalt,
      Seines Mundes Lächeln,
      Seiner Augen Gewalt,

      Und seiner Rede
      Zauberfluß,
      Sein Händedruck,
      Und ach! sein Kuß!

      Meine Ruh ist hin,
      Mein Herz ist schwer,
      Ich finde sie nimmer
      und nimmermehr.

      Mein Busen drängt
      Sich nach ihm hin,
      Ach dürft ich fassen
      Und halten ihn,

      Und küssen ihn,
      So wie ich wollt,
      An seinen Küssen
      Vergehen sollt!

M2 geht während des Gesangs zu dem Paar und reißt M1 von M3 weg. Während M2 spricht, reißt er immer wieder M1 von M3, der sich immer wieder an M1 festzuhalten versucht :

GENUG DAMIT DEIN LIEBCHEN SITZT DADRINNE

UND ALLES WIRD IHR ENG UND TRÜB

DU KOMMST IHR GAR NICHT AUS DEM SINNE

SIE HAT DICH ÜBERMÄCHTIG LIEB

DIE ZEIT WIRD IHR ERBÄRMLICH LANG

(Pause, Gesang durchlassen) – SO GEHT IHR GESANG

TAGELANG HALBE NÄCHTE LANG

EINMAL IST SIE MUNTER MEIST BETRÜBT

EINMAL RECHT AUSGEWEINT

DANN WIEDER RUHIG WIES SCHEINT

UND IMMER VERLIEBT

M1 stößt schließlich M3 von sich und ruft:

SCHLANGE SCHLANGE

M3 zieht sich (schlangengleich?) an M2 hoch und sagt dabei:

GELT DAS ICH DICH FANGE

Er küsst M2 wild und andauernd auf den Mund. M2 sträubt sich erst, dann lässt er sich darauf ein und spielt mit, während er zwischen den Küssen MARGARETE! ruft. Nach einer Weile ruft auch M3 immer mal MARGARETE!

M1 spricht währenddessen auf das Paar ein:

VERRUCHTER HEBE DICH VON HINNEN

UND NENNE NICHT DAS SCHÖNE WEIB

BRING DIE BEGIER ZU IHREM SÜSSEN LEIB

NICHT WIEDER VOR DIE HALBVERRÜCKTEN SINNEN

M1 reißt M2 und M3 voneinander. Sie antworten im Chor:

WAS SOLL ES DENN

SIE MEINT DU SEIST ENTFLOHN

UND HALB UND HALB BIST DU ES SCHON

Mit dem letzten Satz drängen sie sich an M1; M3 ihn küssend, M2 ihn streichelnd. M1 wehrt sich ein wenig, lässt es aber dann geschehen.

M1 beginnt mit dem folgenden Satz:

ICH BIN IHR NAH UND WÄR ICH NOCH SO FERN

ICH KANN SIE NIE VERGESSEN NIE VERLIEREN

M2 und M3 setzen nach und nach mit ein. Sie wiederholen ihn und vollführen dabei den Vorgang des Küssens und Streichelns stetig weiter, wobei irgendwann jeder jeden küsst und streichelt. Fast unmerklich für das Publikum haben die Frauen mit dem Singen und der Pantomime aufgehört und starren im Freeze vor sich hin. (Es gilt, den idealen Moment dafür zu finden.)

Es wird völlig dunkel auf der Bühne. Alle Spieler gehen auf die Positionen, in denen sie im Folgenden sein müssen.

Auf ihrem Podest W2, wieder im Unterrock, schwanger und in Bethaltung. Vor ihr eine Kerze. Sie murmelt in Schleife und im weiteren Verlauf durchgehend ein Gebet:

AVE MARIA GRATIA PLENA DOMINUS TECUM

BENEDICTA TU IN MULIERIBUS

ET BENEDICTUS FRUCTUS VENTRIS TUI JESUS

SANCTA MARIA MATER DEI ORA PRO NOBIS PECCATORIBUS

NUNC ET IN HORA MORTIS NOSTRAE

AMEN

Nach einer Weile ertönt Orgelmusik, gespielt von W1.

W3, ebenfalls im Unterrock und schwanger, bewegt sich hilflos tastend im Raum, eventuell in Zeitlupe. Um ihren Körper ist eine Leuchtschlange gewunden. Man muss vor allem Gesicht und Bauch sehen.

Verteilt im Raum stehen die drei Männer. Sie halten Leuchten von unten in ihre Gesichter, so dass diese dämonisch aussehen. Sie sprechen den bösen Geist synchron und mit flüsternd zischender Stimme. Den Gretchentext spricht W3, wobei sie für den Moment des Sprechens stehenbleibt. Während des Textsprechens Orgel leise und gedämpft. Dazu Lautgesang von W1. Das Ave Maria von W2 kann zunehmend panischer werden, aber nicht lauter.

Böser Geist:

Wie anders, Gretchen, war dir’s,
Als du noch voll Unschuld
Hier zum Altar tratst,
Gebete lalltest,
Halb Kinderspiele,
Halb Gott im Herzen!
Gretchen!
Wo steht dein Kopf?
In deinem Herzen
Welche Missetat?

Und unter deinem Herzen
Regt sich’s nicht quillend schon
Und ängstet dich und sich
Mit ahnungsvoller Gegenwart?

Gretchen:

Weh! Weh!
Wär ich der Gedanken los,
Die mir herüber und hinüber gehen
Wider mich!

Böser Geist:

Grimm faßt dich!
Die Posaune tönt!
Die Gräber beben!
Und dein Herz,
Aus Aschenruh
Zu Flammenqualen
Wieder aufgeschaffen,
Bebt auf!

Gretchen:

Wär ich hier weg!
Mir ist, als ob die Orgel mir
Den Atem versetzte,
Gesang mein Herz
Im Tiefsten löste.

Böser Geist:

Grimm faßt dich!
Die Posaune tönt!
Die Gräber beben!
Und dein Herz,
Aus Aschenruh
Zu Flammenqualen
Wieder aufgeschaffen,
Bebt auf!

Gretchen:

Mir wird so eng!
Die Mauernpfeiler
Befangen mich!
Das Gewölbe
Drängt mich! – Luft!

Böser Geist:

Verbirg dich! Sünd und Schande
Bleibt nicht verborgen.
Luft? Licht?
Weh dir!

Gretchen:

Weh! Weh!
Wär ich der Gedanken los,
Die mir herüber und hinüber gehen
Wider mich!

Böser Geist:

Ihr Antlitz wenden
Verklärte von dir ab.
Die Hände dir zu reichen,
Schauert’s den Reinen.
Weh!

Am Ende des Textes passiert folgendes gleichzeitig:

Der Lautgesang bricht ab, das Orgelspiel wird extrem laut.

Das Ave Maria bricht ab, die Kerze erlischt.

W3 rennt – aber in Zeitlupe! – panisch durch den Raum.

Die Männer verfolgen W3 mit ihren Leuchten.

Das Orgelspiel bricht ab. Alle Leuchten gehen aus. W3 bricht ungefähr im Bühnenmittelpunkt zusammen und bleibt liegen. Alle anderen gehen, während sie halblaut in Schleife WEH! WEH! rufen, zu ihren nächsten Positionen und lassen alle nicht mehr gebrauchten Requisiten darunter verschwinden.

Licht. Die Männer sitzen auf ihren Ursprungspodesten. W1 und W2 haben sich die Unterröcke so über den Kopf gezogen, dass sie wie Nonnen aussehen. Sie stehen links und rechts vor dem Podest B.

W3 liegt noch auf dem Boden. Sie erhebt sich mühsam und robbt, den schwangeren Bauch mit sich ziehend, langsam bis zu ihrem Podest. Dabei sprechen die Männer:

M1: Siehst du dort
Ein blasses, schönes Kind allein und ferne stehen?
Sie schiebt sich langsam nur vom Ort,
Sie scheint mit geschlossnen Füßen zu gehen.
Ich muß bekennen, daß mir deucht,
Daß sie dem guten Gretchen gleicht.

M2: Fürwahr, es sind die Augen einer Toten,
Die eine liebende Hand nicht schloß.
Das ist die Brust, die Gretchen mir geboten,
Das ist der süße Leib, den ich genoß.

M3: Welch eine Wonne! welch ein Leiden!
Ich kann von diesem Blick nicht scheiden.

M1 + M2 + M3: Welch eine Wonne! welch ein Leiden!
Ich kann von diesem Blick nicht scheiden.

Wenn W3 am Podest angekommen ist, ziehen W1 und W2 sie auf das Podest und ziehen ihre Beine auseinander, so dass sich W3 in Gebärhaltung befindet.

Wieder dunkel. Die Männer leuchten wieder ihre Gesichter dämonisch an und sprechen mit den Böse-Geister-Stimmen in Schleife:

DIE GABEL STICHT

DER BESEN KRATZT

DAS KIND ERSTICKT

DIE MUTTER PLATZT

W3 beginnt wie bei Wehen zu schreien. W1 und W2 entbinden, indem sie die Leuchtschlange zur Nabelschnur umfunktionieren und durch den Unterrock schieben. Am Ende der Leuchtschlange wird ein Babykopf sichtbar.

Der Geister-Chor hört auf. Licht. W2 zieht W1 den Unterrock herunter, so dass er wieder an ihrer Hüfte ist. Dann nimmt sie ihren eigenen Unterrock ab und wickelt ihn um den Hals des Babykopfes. Dann gibt sie das Baby W1. Diese schaukelt das Kind im Arm und singt erneut den „König in Thule“. Die zwei anderen Frauen verteilen sich auf die noch unbesetzten Podeste. Die fünf anderen Spieler stehen zum Ende des Liedes alle vor ihrem Podest und stellen Faust dar.

W1 blickt um sich und sagt mehrmals HEINRICH. Dann geht sie, das Baby vor sich haltend in die Mitte. Auch die fünf Fausts gehen auf die Mitte zu. Wenn sie sich treffen, geht das Baby von Faust zu Faust. Die Fausts schauen das Kind liebevoll an und herzen es, bevor sie es weiterreichen. Ein Faust will schließlich das Baby ihrer Mutter wiedergeben, aber M3 reißt es ihm aus der Hand. M3 nimmt den Babykopf und wirft ihn einem der anderen Fausts zu. W1 will ihn fangen, erwischt ihn aber nicht. Alle Fausts bauen sich nun im Kreis auf und spielen Ball mit dem Kopf, während W1 verzweifelt versucht, ihn zu erwischen.

Schließlich gehen die Fausts alle in die Mitte und bilden einen zusammenhängenden Körper, indem sie sich aneinander festhalten. Die Haltungen sollen Zusammengehörigkeit / Besitzergreifung von Liebespartnern assoziieren. Zum Beispiel: Hand auf dem Hintern, Arme um den Hals oder Hüfte usw.

Der Faust-Körper blickt W1 verachtend an. Einer der Fausts hält ihr den Babykopf hin. Alle drehen sich einmal langsam drehbühnenartig, dann bleiben sie stehen. Der Kopf wird der Orgelspielerin zugeworfen, sie fängt ihn auf.

Die Fausts lösen sich, klopfen sich gegenseitig auf die Schulter und lachen. Dann bewegen sie sich zurück zu ihren Podesten. W1 ruft verzweifelt mehrmals HEINRICH und streckt ihnen den Babykopf entgegen.

W2 und W3 ziehen die Unterröcke wieder an. Alle drei Frauen singen das Lied „Meine Ruh ist hin“, während W2 einen Eimer Wasser und W1 den Babykopf W3 bringt, welche verzweifelt auf ihrem Podest sitzt.

Der Gesang hört auf. Der Eimer wird vor W3 hingestellt, der Babykopf ihr in die Hand gedrückt. W3 taucht den Kopf immer wieder in den Wassereimer, dann lässt sie ihn darin liegen.

W1 und W2 ziehen die Unterröcke an sich hoch, dass diese aussehen wie Umhänge. Sie stellen nun Schergen dar. W2 bindet W3 ein Seil um die Hüften und behält das andere Ende in der Hand, W1 drückt ihr den Eimer in die Hand und geht zum Keyboard. W3 geht langsam in die Mitte, stellt den Eimer ab und setzt sich drauf.

W1 spielt einen Disco-Beat auf dem Keyboard, dazu tanzen die Männer auf ihren Podesten. Plötzlich hören Musik und Tanz auf, die Männer nehmen W3 wahr und schauen erschrocken schweigend auf sie.

Nach einer Weile folgt eine verzweifelt chaotische Sprechchoreografie mit dem Text:

Im Elend! Verzweifelnd! Erbärmlich auf der Erde lange verirrt und nun gefangen! Als Missetäterin Im Kerker zu entsetzlichen Qualen eingesperrt, das holde unselige Geschöpf! Bis dahin! dahin! – Verräterischer, nichtswürdiger Geist, und das hast du mir verheimlicht! – Steh nur, steh! Steh und trutze mir durch deine unerträgliche Gegenwart! Gefangen! Im unwiederbringlichen Elend! Bösen Geistern übergeben und der richtenden gefühllosen Menschheit! Und mich wiegst du indes in abgeschmackten Zerstreuungen, verbirgst mir ihren wachsenden Jammer und lässest sie hilflos verderben!

M1 geht zu M2, packt ihn und reißt ihn vom Podest. M3 geht von seinem Podest herunter und reißt M1 von M2 weg.

M3: Warum machst du Gemeinschaft mit uns wenn du sie nicht durchführen kannst? Willst fliegen und bist vorm Schwindel nicht sicher? Drangen wir uns dir auf, oder du dich uns?

M1: Mir ekelt’s! – Großer, herrlicher Geist, der du mir zu erscheinen würdigtest, der du mein Herz kennest und meine Seele, warum an den Schandgesellen mich schmieden, der sich am Schaden weidet und am Verderben sich letzt?

M2: Rette sie! oder weh dir!

M3: »Rette sie!« – Wer war’s, der sie ins Verderben stürzte? Ich oder du?

Die drei laufen nun durch den Raum und sprechen in Schleife jeder für sich ICH und DU. Sie können auch Zuschauer anreden.

Plötzlich beginnt W3 zu singen, während sie ein imaginäres Baby wiegt:

Meine Mutter, die Hur
      Die mich umgebracht hat!
      Mein Vater, der Schelm
      Der mich gessen hat!
      Mein Schwesterlein klein
      Hub auf die Bein
      An einem kühlen Ort;
      Da ward ich ein schönes Waldvögelein;
      Fliege fort, fliege fort!

Die Männer hören zu sprechen auf, bleiben stehen, lauschen, bewegen sich langsam zurück zu ihren Podesten.

W3 steht vom Eimer auf, kniet sich hin und macht Anstalten, den Kopf in den Eimer zu tauchen. W2, die jetzt wieder den Unterrock an der Hüfte hat und steht, zieht sie am Seil zurück. Im Folgenden versucht W3 immer wieder, auf den Knien zum Eimer zu rutschen, wird immer wieder zurückgezogen. Währenddessen sprechen W1 und M3 synchron und mit gedämpft rhythmischer Stimme:

Bin ich doch noch so jung, so jung!
Und soll schon sterben!
Schön war ich auch, und das war mein Verderben.
Nah war der Freund, nun ist er weit;
Zerrissen liegt der Kranz, die Blumen zerstreut.
Fasse mich nicht so gewaltsam an!
Schone mich! Was hab ich dir getan?
Laß mich nicht vergebens flehen,
Hab ich dich doch mein Tage nicht gesehen!

Schließlich lässt W2 das Seil locker. Während W3 im Eimer vergeblich nach dem Puppenkopf sucht, sprechen W1 und W2 folgenden Text synchron und mit gedämpft rhythmischer Stimme:

Ich bin nun ganz in deiner Macht.
Laß mich nur erst das Kind noch tränken.
Ich herzt es diese ganze Nacht;
Sie nahmen mir’s, um mich zu kränken,
Und sagen nun, ich hätt es umgebracht.
Und niemals werd ich wieder froh..
Sie singen Lieder auf mich! Es ist bös von den Leuten!
Ein altes Märchen endigt so,
Wer heißt sie’s deuten?

Dazu singen die Männer leise:

Meine Mutter, die Hur
      Die mich umgebracht hat!
      Mein Vater, der Schelm
      Der mich gessen hat!
      Mein Schwesterlein klein
      Hub auf die Bein
      An einem kühlen Ort;
      Da ward ich ein schönes Waldvögelein;
      Fliege fort, fliege fort!

Wenn alles verstummt, sucht W3 noch weiter und holt schließlich den Kopf heraus, aber nur so weit, dass man das dabei entstehende Geräusch hört. Wenn die Männer immer wieder versetzt GRETCHEN! rufen, lässt sie den Kopf los, ohne ihn herausgezogen zu haben.

W3: Das war des Freundes Stimme!

Während W3 weiterspricht, läuft sie herum, aber immer vom Seil eingeschränkt:

Wo ist er? ich hab ihn rufen hören.
Ich bin frei! mir soll niemand wehren.
An seinen Hals will ich fliegen,
An seinem Busen liegen!
Er rief Gretchen! Er stand auf der Schwelle.
Mitten durchs Heulen und Klappen der Hölle,
Durch den grimmigen, teuflischen Hohn
Erkannt ich den süßen, den liebenden Ton.

Die Männer (wiederholend versetzt): Ich bin’s!

W3: Du bist’s! O sag es noch einmal!
Er ist’s! Er ist’s! Wohin ist alle Qual?
Wohin die Angst des Kerkers? der Ketten?
Du bist’s! Kommst, mich zu retten.
Ich bin gerettet!
Schon ist die Straße wieder da
Auf der ich dich zum ersten Male sah.


Die Männer (wiederholend versetzt): Komm mit! Komm mit!

W3 (bleibt stehen): O weile
Weil ich doch so gern, wo du weilest.

M1 und M2 gehen zu W3 und stellen sich vor sie hin. Sie greift nach ihnen, aber kommt nicht an sie heran.

M1: Eile!
M2: Wenn du nicht eilest
Werden wir’s teuer büßen müssen.

W3 (versucht an sie heranzukommen und sie zu küssen, aber sie kommt nicht an sie heran):

Wie? du kannst nicht mehr küssen?
Mein Freund, so kurz von mir entfernt
Und hast’s Küssen verlernt?
Warum wird mir an deinem Halse so bang?
Wenn sonst von deinen Worten, deinen Blicken
Ein ganzer Himmel mich überdrang
Und du mich küßtest, als wolltest du mich ersticken.
Küsse mich!

Sonst küß ich dich!

Inzwischen ist M3 langsam zu den anderen Männern getreten. Er geht zwischen ihnen noch einen Schritt vor, bis er vor W3 steht, dann küsst er sie wild auf den Mund. Es ist aber ein brutaler Kuß.

W3 (reißt sich los):O weh! deine Lippen sind kalt,
Sind stumm.
Wo ist dein Lieben
Geblieben?
Wer brachte mich drum?

Die Männer (schmeichelnd, versetzt):

Komm! Folge mir! Liebchen, fasse Mut!
Ich herze dich mit tausendfacher Glut
Nur folge mir! Ich bitte dich nur dies!

W3: Und bist du’s denn? Und bist du’s auch gewiß?

Die Männer (synchron): Ich bin’s! Komm mit!

Die Männer machen das Seil von ihrer Hüfte, W2 zieht es ein.

W3: Du machst die Fesseln los,
Nimmst wieder mich in deinen Schoß.
Wie kommt es, daß du dich vor mir nicht scheust?
Und weißt du denn, mein Freund, wen du befreist?

Die Männer (wiederholend versetzt): Komm! komm!

W3 (liebkosend von einem zum anderen gehend):

Mein Kind hab ich ertränkt.
War es nicht dir und mir geschenkt?
Dir auch. – Du bist’s! ich glaub es kaum.
Gib deine Hand! Es ist kein Traum!
Deine liebe Hand! – Ach, aber sie ist feucht!
Wische sie ab! Wie mich deucht,
Ist Blut dran.

Sie reißt sich von ihnen los. Dann wiederholt sie das Spiel, aber immer wieder sich wieder losreißend:

Niemand wird sonst bei mir liegen! –
Mich an deine Seite zu schmiegen,
Das war ein süßes, ein holdes Glück!
Aber es will mir nicht mehr gelingen;
Mir ist’s, als müßt ich mich zu dir zwingen,
Als stießest du mich von dir zurück;
Und doch bist du’s und blickst so gut, so fromm.

Die Männer (wiederholend versetzt): Fühlst du, daß ich es bin, so komm!

W3: Dahinaus?

Die Männer (synchron): Ins Freie.

W3 hält inne, dann fällt ihr Blick auf den Eimer. Sie geht schnell zum Eimer und klammert sich daran fest. Dann spricht sie, während die Männer langsam zu ihren Podesten zurückkehren:

Und weiter keinen Schritt –
Du gehst nun fort? O Heinrich, könnt ich mit!

Die Männer (synchron): Du kannst! So wolle nur! Die Tür steht offen!

W3: Ich darf nicht fort; für mich ist nichts zu hoffen.
Was hilft es, fliehn? Sie lauern doch mir auf.

Die Männer (stehenbleibend, synchron): Ich bleibe bei dir.

W3 nimmt den Eimer, trägt ihn von einem zum anderen, aber keiner nimmt ihn ihr ab. Dabei spricht sie:

Geschwind! Geschwind!
Rette dein armes Kind!
Fort! immer den Weg
Am Bach hinauf,
Über den Steg,
In den Wald hinein,
Links, wo die Planke steht,
Im Teich.
Faß es nur gleich!
Es will sich heben,
Es zappelt noch!
Rette! rette!

Die Männer (synchron): Besinne dich doch!
Nur
einen Schritt, so bist du frei!

W3 bleibt stehen, stellt den Eimer ab und will den Kopf hineinstecken. Währenddessen schleichen die Männer sich an sie heran und packen sie. Sie wehrt sich und ruft:

Laß mich! Nein, ich leide keine Gewalt!
Fasse mich nicht so mörderisch an!
Sonst hab ich dir ja alles zulieb getan.

W1 und W2 übernehmen das LASS MICH und sprechen es in Schleife weiter, während die Männer W3 loslassen. M1 und M2 gehen langsam zu ihren Podesten und rufen sanft wiederholend versetzt in das LASS MICH hinein: LIEBCHEN! LIEBCHEN!

M3 ist stehengeblieben. Er und W3 stehen sich gegenüber. Das Licht geht aus. M3 holt eine Leuchte hervor und hält sie sich von unten vors Gesicht. Dann leuchten gleichzeitig auch die Gesichter von M1 und M2 auf.

Die Frauen raunen synchron: Heinrich! Mir graut’s vor dir.

Die Männer leuchten W3 an und verfolgen sie mit dem Licht. W3 geht zum Eimer und steckt ihren Kopf hinein. Nach ein paar Sekunden gehen die Leuchten aus.

E N D E

***********

*** VERSION FÜR SECHS SPIELER:INNEN (kürzere Fassung) ***

Bühne:

24 Stühle sind als Kreis angeordnet, mit Blickrichtung zur Mitte. Zwischen jeweils vier Stühlen befinden sich die sechs Spieler-Podeste.

A = M1 B = W3

F = W2 C = M2

E = M3 D = W1

Wenn die Zuschauer den Raum betreten und Platz nehmen, sitzen die sechs Spieler bereits auf den Podesten, in Posen der Resignation. Sie tragen alle Hemd und Krawatte und stellen den älteren Faust dar. Jeder für sich spricht wiederholend in Schleife:

HABE NUN

ACH!

PHILOSOPHIE

JURISTEREI UND MEDIZIN

UND LEIDER AUCH THEOLOGIE

DURCHAUS STUDIERT

MIT HEISSEM BEMÜHN

DA SITZ ICH NUN

ICH ARMER TOR

UND BIN SO KLUG ALS WIE ZUVOR

Wenn die Zuschauer sitzen, bricht der Chor jäh ab. Alle Spieler rufen synchron:

ES MÖCHTE KEIN HUND SO LÄNGER LEBEN

Sie stehen auf und sprechen synchron und leise:

DRUM HAB ICH MICH DER MAGIE ERGEBEN

OB MIR DURCH GEISTES KRAFT UND MUND

NICHT MANCH GEHEIMNIS WÜRDE KUND

Sie gehen synchron auf die Mitte zu und wiederholen dabei halblaut:

DRUM HAB ICH MICH DER MAGIE ERGEBEN

OB MIR DURCH GEISTES KRAFT UND MUND

NICHT MANCH GEHEIMNIS WÜRDE KUND

Sie bilden einen Kreis, das Gesicht zum Publikum, holen ein Reagenzglas aus der Hemdtasche und wiederholen laut:

DRUM HAB ICH MICH DER MAGIE ERGEBEN

OB MIR DURCH GEISTES KRAFT UND MUND

NICHT MANCH GEHEIMNIS WÜRDE KUND

Sie trinken den Inhalt des Reagenzglases. (Falls die Zuschauer an der Kasse ein Reagenzglas erhalten haben, wäre das der Moment für sie, es ebenfalls zu leeren.)

Sprech- und Bewegungschoreografie mit folgendem Text:

      Schwindet, ihr dunkeln
      Wölbungen droben!
      Reizender schaue
      Freundlich der blaue
      Äther herein!
      Wären die dunkeln
      Wolken zerronnen!
      Sternelein funkeln,
      Mildere Sonnen
      Scheinen darein.
      Himmlischer Söhne
      Geistige Schöne,
      Schwankende Beugung
      Schwebet vorüber.
      Sehnende Neigung
      Folget hinüber;
      Und der Gewänder
      Flatternde Bänder
      Decken die Länder,
      Decken die Laube,
      Wo sich fürs Leben,
      Tief in Gedanken,
      Liebende geben.
      Laube bei Laube!
      Sprossende Ranken!
      Lastende Traube
      Stürzt ins Behälter
      Drängender Kelter,
      Stürzen in Bächen
      Schäumende Weine,
      Rieseln durch reine,
      Edle Gesteine,
      Lassen die Höhen
      Hinter sich liegen,
      Breiten zu Seen
      Sich ums Genüge
      Grünender Hügel.
      Und das Geflügel
      Schlürfet sich Wonne,
      Flieget der Sonne,
      Flieget den hellen
      Inseln entgegen,
      Die sich auf Wellen
      Gauklend bewegen;
      Wo wir in Chören
      Jauchzende hören,
      Über den Auen
      Tanzende schauen,
      Die sich im Freien
      Alle zerstreuen.
      Einige klimmen
      Über die Höhen,
      Andere schwimmen
      Über die Seen,
      Andere schweben;
      Alle zum Leben,
      Alle zur Ferne
      Liebender Sterne,
      Seliger Huld.

Die Choreografie endet damit, dass alle Spieler wieder auf ihren Podesten sitzen. Die Köpfe hängen herunter.

Die Frauen ziehen sich Pudelmützen auf, die unter dem Podest versteckt sind, heben den Kopf und deuten mit Mimik, Lauten usw. einen Hund an. Die Männer beobachten sie, reiben sich die Augen oder machen andere Gesten des Erstaunens.

Die Frauen laufen als Pudel (aber nicht auf vier Beinen!) durch den Raum, die Männer springen auf und versuchen jeweils „ihren Hund“ zu fangen. Dabei sprechen sie:

ICH FÜHLS DU SCHWEBST UM MICH ERFLEHTER GEIST

ENTHÜLLE DICH

HA WIES IN MEINEM HERZEN REISST

ZU NEUEN GEFÜHLEN

ALL MEINE SINNE SICH ERWÜHLEN

ICH FÜHLE GANZ MEIN HERZ DIR HINGEGEBEN

DU MUSST DU MUSST UND KOSTET ES MEIN LEBEN

Die Frauen stehen vor ihren Podesten, Gesicht zur Wand, die Männer jeweils hinter „ihrer“ Frau. Die Frauen ziehen sich die Mützen übers Gesicht, welche Augen- und Mundschlitze haben, wie bei einer Skimaske. Die Frauen rufen synchron:

WER RUFT MIR

Die Männer drehen die Frauen um, wenden sich erschrocken ab und rufen:

SCHRECKLICHES GESICHT

Die Frauen antworten:

UND NUN

Die Männer daraufhin:

WEH ICH ERTRAG DICH NICHT

Die Männer bewegen sich langsam und von den Frauen abgewandt zu ihren Podesten. Dabei murmeln sie in Schleife:

DAS ALSO WAR DES PUDELS KERN

An ihren Podesten angekommen, blicken die Männer „Ihre“ Frauen wieder an, die inzwischen die Mützen abgenommen haben. Spiegel-Choreografie, dann Sprech-Choreografie. Die Frauen beginnen mit dämonischer Stimme, die Männer setzen mit normaler Stimme versetzt mit ein, aber nach und nach werden ihre Stimmen ebenfalls dämonisch, so dass zwischen Frauen und Männern kein Unterschied mehr besteht:

ICH BIN DER GEIST DER STETS VERNEINT

UND DAS MIT RECHT

DENN ALLES WAS ENTSTEHT

IST WERT DASS ES ZUGRUNDE GEHT

DRUM BESSER WÄRS DASS NICHTS ENTSTÜNDE

SO IST DENN ALLES WAS IHR SÜNDE

ZERSTÖRUNG KURZ DAS BÖSE NENNT

MEIN EIGENTLICHES ELEMENT

Es folgt eine Bewegungschoreografie, bestehend aus vier bestimmten Gesten, die in Schleife von allen synchron wiederholt werden. Allmählich kommen die vier Worte dazu:

WELLEN STÜRMEN SCHÜTTELN BRAND

Sprechend und die Gesten dazu wiederholend bewegen sich alle Spieler durch den Raum. Zunehmende Intensität, bis alle sich auf den Boden fallen lassen und liegenbleiben. Mit der nächsten Sprech- und Bewegungschoreografie stehen die Spieler wie schlafwandelnd auf und ziehen sich gegenseitig Hemd und Krawatte aus. Unter den Hemden kommen jugendlich wirkende Shirts zum Vorschein. Den Text sprechen sie in ruhigem träumerischen Ton:

Weh! weh!
      Du hast sie zerstört
      Die schöne Welt,
      Mit mächtiger Faust;
      Sie stürzt, sie zerfällt!
      Ein Halbgott hat sie zerschlagen!
      Wir tragen
      Die Trümmern ins Nichts hinüber,
      Und klagen
      Über die verlorne Schöne.
      Mächtiger
      Der Erdensöhne,
      Prächtiger
      Baue sie wieder,
      In deinem Busen baue sie auf!
      Neuen Lebenslauf
      Beginne,
      Mit hellem Sinne,
      Und neue Lieder
      Tönen darauf!

Wiederholen des Textes, diesmal schnell, laut und wild. Dazu wird M1 von den anderen durch den Raum geschleudert. Schließlich bleibt M1 am Boden liegen. Die anderen „begraben“ ihn mit den Hemden und Krawatten und setzen sich wieder auf ihre Podeste.

Die Frauen ziehen Unterröcke an, während M3 aufsteht und M1 aus dem Hemdenhaufen befreit. M3 hilft ihm hoch, dreht ihn und spricht währenddessen:

Ich muß dich nun vor allen Dingen
In lustige Gesellschaft bringen,
Damit du siehst, wie leicht sich’s leben läßt.

M3 setzt sich in den Hemdenhaufen und beobachtet M1, wie er Richtung Publikum wankt, sich zwischen zwei Zuschauer setzt, wieder aufsteht, zwischen zwei andere Zuschauer setzt, usw. Dabei wiederholt er mit leisem schlafwandlerischem Ton die Zeilen, als müsse er sie sich nachsprechend einprägen:

Ich muß mich nun vor allen Dingen
In lustige Gesellschaft bringen,
Damit ich seh, wie leicht sich’s leben läßt.

Schließlich steht M3 auf, führt M1 zu dessen Podest und geht zu seinem eigenen.

Choreografie: Ein Mann spricht eine beliebige Frau mit den Worten an:

MEIN SCHÖNES FRÄULEIN DARF ICH WAGEN

MEINEN ARM UND GELEIT IHR ANZUTRAGEN?

Die Angesprochene antwortet, aber einen anderen Mann ansehend:

BIN WEDER FRÄULEIN WEDER SCHÖN

KANN UNGELEITET NACH HAUSE GEHN

Der von ihr angesehene Mann richtet den Blick nun zu einer anderen Frau und wiederholt den ersten Satz usw.

Dieses Spiel soll eine Weile laufen und etwas zunehmend Verspieltes bekommen, so wie wenn man als Erwachsener eher lustlos ein Ballspiel beginnt, und mit der Zeit Lust bekommt und zum Kind wird. Die Choreografie soll bewusst improvisiert sein, d.h. es wird nicht vorab eine Reihenfolge festgelegt.

Schließlich hört das Spiel auf. Die Frauen nehmen die Positionen ihrer nächsten Aktion ein, während die Männer den folgenden Text so sprechen, dass einer beginnt und nach und nach eine Stimme dazukommt. Dabei wird das Sprechen lauter und intensiver:

BEIM HIMMEL DIESES KIND IST SCHÖN

SO ETWAS HAB ICH NIE GESEHN

SIE IST SO SITT- UND TUGENDREICH

UND ETWAS SCHNIPPISCH DOCH ZUGLEICH

DER LIPPE ROT DER WANGE LICHT

DIE TAGE DER WELT VERGESS ICHS NICHT

WIE SIE DIE AUGEN NIEDERSCHLÄGT

HAT TIEF SICH IN MEIN HERZ GEPRÄGT

WIE SIE KURZ ANGEBUNDEN WAR

DAS IST NUN ZUM ENTZÜCKEN GAR

Das Sprechen hört schlagartig auf, stattdessen murmeln die Männer den gesamten Text lautlos oder flüsternd in Schleife weiter, während die Aktionen der drei Frauen parallel ablaufen. (Wie sich die Texte verschränken, muss in den Proben entwickelt werden).

# W1 steht vor einem imaginären Spiegel und kämmt sich das Haar, flechtet sich Zöpfe und bindet sie auf. Dazu singt sie durchgehend:

Es war ein König in Thule,

Gar treu bis an das Grab,

Dem sterbend seine Buhle

Einen goldnen Becher gab.

Es ging ihm nichts darüber,

Er leert‘ ihn jeden Schmaus;

Die Augen gingen ihm über,

So oft er trank daraus.

Und als er kam zu sterben,

Zählt‘ er seine Städt‘ im Reich,

Gönnt‘ alles seinen Erben,

Den Becher nicht zugleich.

Er saß bei’m Königsmahle,

Die Ritter um ihn her,

Auf hohem Vätersaale,

Dort auf dem Schloß am Meer.

Dort stand der alte Zecher,

Trank letzte Lebensglut,

Und warf den heiligen Becher

Hinunter in die Flut.

Er sah ihn stürzen, trinken

Und sinken tief ins Meer,

Die Augen täten ihm sinken,

Trank nie einen Tropfen mehr.

# W2 ist aus ihrem Unterrock gestiegen und kniet sich, mit einem Nachthemdchen bekleidet, auf den Rock. Sie betet

AVE MARIA GRATIA PLENA DOMINUS TECUM

BENEDICTA TU IN MULIERIBUS

ET BENEDICTUS FRUCTUS VENTRIS TUI JESUS

SANCTA MARIA MATER DEI ORA PRO NOBIS PECCATORIBUS

NUNC ET IN HORA MORTIS NOSTRAE

AMEN

unterbricht aber das Gebet immer wieder mit Sätzen aus folgender Replik:

ICH GÄB WAS DRUM WENN ICH NUR WÜSST

WER HEUT DER HERR GEWESEN IST

ER SAH GEWISS RECHT WACKER AUS

UND IST AUS EINEM EDLEN HAUS

DAS KONNT ICH IHM AN DER STIRNE LESEN

ER WÄR AUCH SONST NICHT SO KECK GEWESEN

# W3 steht mit dem Gesicht zur Wand und masturbiert. Dazu spricht sie:

ES IST SO SCHWÜL SO DUMPFIG HIE

ES WIRD MIR SO ICH WEISS NICHT WIE

MIR LÄUFT EIN SCHAUER ÜBERN GANZEN LEIB

Die Frauen halten gleichzeitig mit ihren Aktionen inne und verharren reglos. Die Männer rufen sich wiederholt und durcheinander zu:

HÖR DU MUSST MIR DIE DIRNE SCHAFFEN

Sie werden dabei immer lauter und aggressiver und bewegen sich auf die Mitte zu. In der Mitte beginnen sie sich zu packen und wiederholt und durcheinander zu sagen:

UND DAS SAG ICH IHM KURZ UND GUT

WENN NICHT DAS SÜSSE JUNGE BLUT

HEUT NACHT IN MEINEN ARMEN RUHT

SO SIND WIR UM MITTERNACHT GESCHIEDEN

Dann lassen sie voneinander ab und schauen sich verwundert an, in dem Sinne, dass sie sich ihres Identischseins bewusst werden. Sie lachen und klopfen sich kameradschaftlich auf die Schulter. Das Schulterklopfen wird allmählich zu einem bestimmten Vorgang: M1 und M3 ermutigen damit M2, auf Gretchen zuzugehen.

Parallel dazu – ab dem Lachen der Männer – sprechen die Frauen wiederholend:

ER LIEBT MICH

ER LIEBT MICH NICHT

Mit diesen Worten löst sich W2 langsam von ihrer Position und geht auf die Mitte zu. Wenn sie angekommen ist, sagt sie abschließend ER LIEBT MICH.

Parallel dazu bewegen sich M1 und M3 von der Mitte zurück zu ihren Podesten.

Schließlich stehen sich M2 und W2 in der Mitte gegenüber. Sie drehen sich voneinander weg und drehen sich im weiteren Verlauf im Zeitlupentempo, als wären sie auf einer Drehbühne. Sie versucht dabei zu sprechen, macht mehrmals einen Anlauf, kriegt aber vor lauter Aufregung nur einzelne Laute, Silben oder Worte heraus.

M2 setzt zu sprechen an, sagt MARGARETE, wird wieder stumm. Darauf sagt W2:

ICH WEISS ZU GUT DASS SOLCH ERFAHRNEN MANN

MEIN ARM GESPRÄCH NICHT UNTERHALTEN KANN

M2 antwortet:

EIN BLICK VON DIR EIN WORT MEHR UNTERHÄLT

ALS ALLE WEISHEIT DIESER WELT

Sie drehen sich zueinander und schauen sich eine Weile schweigend an. Dann umarmen sie sich und lassen leidenschaftlich die Hände über den Körper des Gegenübers gleiten. Dieser Vorgang muss eine Weile dauern. Er soll etwas gleich-rhythmisches haben, ohne mechanisch zu wirken.

Die anderen Spieler intonieren ein heftiges Atmen dazu, das erotisch klingen, aber keinen Orgasmus imitieren soll. Es darf nicht unfreiwillig komisch wirken.

Nach einer Weile gehen W1, W3 und M1, der den Unterrock von W2 mitnimmt, weiter heftig atmend auf die Mitte zu und stülpen die Unterröcke nach und nach so über das Paar, dass sie am Ende komplett darunter verschwunden sind. Sie bewegen sich aber weiter.

Schließlich kriecht immer ein anderer Spieler unter das Gebilde und löst einen der anderen ab. Nur M3 bleibt an seiner Position und hält das heftige Atmen aufrecht. Am Ende ist nur noch M1 unter den Röcken, die anderen wieder an ihren Podesten.

M1 lässt sich auf den Boden fallen und liegt unter den Röcken begraben. M3 hört mit dem heftigen Atmen auf, geht in die Mitte und befreit M1 aus dem Röckeberg. M1 sieht M3 an und wiederholt, immer zerrissener werdend:

ERHABNER GEIST

DU GABST MIR

GABST MIR ALLES

WORUM ICH BAT

M1 wird zunehmend wilder, wie verzweifelt, und reißt schließlich weitersprechend M3 auf die am Boden liegenden Röcke. Beide vollführen kniend den Vorgang des gegenseitigen Abtastens der Körper.

Die Frauen schleichen sich zögernd und ängstlich von drei Seiten an das Paar heran, ziehen die Unterröcke unter ihm hervor und schleichen rückwärts gehend und die Röcke vor sich herziehend zurück zu ihren Podesten. Sie ziehen die Unterröcke an, setzen sich auf ihre Podeste und vollführen mechanisch eine pantomimische Handarbeit in Schleife, während sie singen:

Meine Ruh ist hin,
      Mein Herz ist schwer;
      Ich finde sie nimmer
      und nimmermehr.

      Wo ich ihn nicht hab,
      Ist mir das Grab,
      Die ganze Welt
      Ist mir vergällt.

      Mein armer Kopf
      Ist mir verrückt,
      Meiner armer Sinn
      Ist mir zerstückt.

      Meine Ruh ist hin,
      Mein Herz ist schwer,
      Ich finde sie nimmer
      und nimmermehr.

      Nach ihm nur schau ich
      Zum Fenster hinaus,
      Nach ihm nur geh ich
      Aus dem Haus.

      Sein hoher Gang,
      Sein edle Gestalt,
      Seines Mundes Lächeln,
      Seiner Augen Gewalt,

      Und seiner Rede
      Zauberfluß,
      Sein Händedruck,
      Und ach! sein Kuß!

      Meine Ruh ist hin,
      Mein Herz ist schwer,
      Ich finde sie nimmer
      und nimmermehr.

      Mein Busen drängt
      Sich nach ihm hin,
      Ach dürft ich fassen
      Und halten ihn,

      Und küssen ihn,
      So wie ich wollt,
      An seinen Küssen
      Vergehen sollt!

M2 geht während des Gesangs zu dem Paar und reißt M1 von M3 weg. Während M2 spricht, reißt er immer wieder M1 von M3, der sich immer wieder an M1 festzuhalten versucht :

GENUG DAMIT DEIN LIEBCHEN SITZT DADRINNE

UND ALLES WIRD IHR ENG UND TRÜB

DU KOMMST IHR GAR NICHT AUS DEM SINNE

SIE HAT DICH ÜBERMÄCHTIG LIEB

DIE ZEIT WIRD IHR ERBÄRMLICH LANG

(Pause, Gesang durchlassen) – SO GEHT IHR GESANG

TAGELANG HALBE NÄCHTE LANG

EINMAL IST SIE MUNTER MEIST BETRÜBT

EINMAL RECHT AUSGEWEINT

DANN WIEDER RUHIG WIES SCHEINT

UND IMMER VERLIEBT

M1 stößt schließlich M3 von sich und ruft:

SCHLANGE SCHLANGE

M3 zieht sich (schlangengleich?) an M2 hoch und sagt dabei:

GELT DAS ICH DICH FANGE

Er küsst M2 wild und andauernd auf den Mund. M2 sträubt sich erst, dann lässt er sich darauf ein und spielt mit, während er zwischen den Küssen MARGARETE! ruft. Nach einer Weile ruft auch M3 immer mal MARGARETE!

M1 spricht währenddessen auf das Paar ein:

VERRUCHTER HEBE DICH VON HINNEN

UND NENNE NICHT DAS SCHÖNE WEIB

BRING DIE BEGIER ZU IHREM SÜSSEN LEIB

NICHT WIEDER VOR DIE HALBVERRÜCKTEN SINNEN

M1 reißt M2 und M3 voneinander. Sie antworten im Chor:

WAS SOLL ES DENN

SIE MEINT DU SEIST ENTFLOHN

UND HALB UND HALB BIST DU ES SCHON

Mit dem letzten Satz drängen sie sich an M1; M3 ihn küssend, M2 ihn streichelnd. M1 wehrt sich ein wenig, lässt es aber dann geschehen.

M1 beginnt mit dem folgenden Satz:

ICH BIN IHR NAH UND WÄR ICH NOCH SO FERN

ICH KANN SIE NIE VERGESSEN NIE VERLIEREN

M2 und M3 setzen nach und nach mit ein. Sie wiederholen ihn und vollführen dabei den Vorgang des Küssens und Streichelns stetig weiter, wobei irgendwann jeder jeden küsst und streichelt. Fast unmerklich für das Publikum haben die Frauen mit dem Singen und der Pantomime aufgehört und starren im Freeze vor sich hin. (Es gilt, den idealen Moment dafür zu finden.)

Es wird völlig dunkel auf der Bühne. Alle Spieler gehen auf die Positionen, in denen sie im Folgenden sein müssen.

Auf ihrem Podest W2, wieder im Unterrock, schwanger und in Bethaltung. Vor ihr eine Kerze. Sie murmelt in Schleife und im weiteren Verlauf durchgehend ein Gebet:

AVE MARIA GRATIA PLENA DOMINUS TECUM

BENEDICTA TU IN MULIERIBUS

ET BENEDICTUS FRUCTUS VENTRIS TUI JESUS

SANCTA MARIA MATER DEI ORA PRO NOBIS PECCATORIBUS

NUNC ET IN HORA MORTIS NOSTRAE

AMEN

Nach einer Weile ertönt Orgelmusik, gespielt von W1.

W3, ebenfalls im Unterrock und schwanger, bewegt sich hilflos tastend im Raum, eventuell in Zeitlupe. Um ihren Körper ist eine Leuchtschlange gewunden. Man muss vor allem Gesicht und Bauch sehen.

Verteilt im Raum stehen die drei Männer. Sie halten Leuchten von unten in ihre Gesichter, so dass diese dämonisch aussehen. Sie sprechen den bösen Geist synchron und mit flüsternd zischender Stimme. Den Gretchentext spricht W3, wobei sie für den Moment des Sprechens stehenbleibt. Während des Textsprechens Orgel leise und gedämpft. Dazu Lautgesang von W1. Das Ave Maria von W2 kann zunehmend panischer werden, aber nicht lauter.

Böser Geist:

Wie anders, Gretchen, war dir’s,
Als du noch voll Unschuld
Hier zum Altar tratst,
Gebete lalltest,
Halb Kinderspiele,
Halb Gott im Herzen!
Gretchen!
Wo steht dein Kopf?
In deinem Herzen
Welche Missetat?

Und unter deinem Herzen
Regt sich’s nicht quillend schon
Und ängstet dich und sich
Mit ahnungsvoller Gegenwart?

Gretchen:

Weh! Weh!
Wär ich der Gedanken los,
Die mir herüber und hinüber gehen
Wider mich!

Böser Geist:

Grimm faßt dich!
Die Posaune tönt!
Die Gräber beben!
Und dein Herz,
Aus Aschenruh
Zu Flammenqualen
Wieder aufgeschaffen,
Bebt auf!

Gretchen:

Wär ich hier weg!
Mir ist, als ob die Orgel mir
Den Atem versetzte,
Gesang mein Herz
Im Tiefsten löste.

Böser Geist:

Grimm faßt dich!
Die Posaune tönt!
Die Gräber beben!
Und dein Herz,
Aus Aschenruh
Zu Flammenqualen
Wieder aufgeschaffen,
Bebt auf!

Gretchen:

Mir wird so eng!
Die Mauernpfeiler
Befangen mich!
Das Gewölbe
Drängt mich! – Luft!

Böser Geist:

Verbirg dich! Sünd und Schande
Bleibt nicht verborgen.
Luft? Licht?
Weh dir!

Gretchen:

Weh! Weh!
Wär ich der Gedanken los,
Die mir herüber und hinüber gehen
Wider mich!

Böser Geist:

Ihr Antlitz wenden
Verklärte von dir ab.
Die Hände dir zu reichen,
Schauert’s den Reinen.
Weh!

Am Ende des Textes passiert folgendes gleichzeitig:

Der Lautgesang bricht ab, das Orgelspiel wird extrem laut.

Das Ave Maria bricht ab, die Kerze erlischt.

W3 rennt – aber in Zeitlupe! – panisch durch den Raum.

Die Männer verfolgen W3 mit ihren Leuchten.

Das Orgelspiel bricht ab. Alle Leuchten gehen aus. W3 bricht ungefähr im Bühnenmittelpunkt zusammen und bleibt liegen. Alle anderen gehen, während sie halblaut in Schleife WEH! WEH! rufen, zu ihren nächsten Positionen und lassen alle nicht mehr gebrauchten Requisiten darunter verschwinden.

Licht. Die Männer sitzen auf ihren Ursprungspodesten. W1 und W2 haben sich die Unterröcke so über den Kopf gezogen, dass sie wie Nonnen aussehen. Sie stehen links und rechts vor dem Podest B.

W3 liegt noch auf dem Boden. Sie erhebt sich mühsam und robbt, den schwangeren Bauch mit sich ziehend, langsam bis zu ihrem Podest. Dabei sprechen die Männer:

M1: Siehst du dort
Ein blasses, schönes Kind allein und ferne stehen?
Sie schiebt sich langsam nur vom Ort,
Sie scheint mit geschlossnen Füßen zu gehen.
Ich muß bekennen, daß mir deucht,
Daß sie dem guten Gretchen gleicht.

M2: Fürwahr, es sind die Augen einer Toten,
Die eine liebende Hand nicht schloß.
Das ist die Brust, die Gretchen mir geboten,
Das ist der süße Leib, den ich genoß.

M3: Welch eine Wonne! welch ein Leiden!
Ich kann von diesem Blick nicht scheiden.

M1 + M2 + M3: Welch eine Wonne! welch ein Leiden!
Ich kann von diesem Blick nicht scheiden.

Wenn W3 am Podest angekommen ist, ziehen W1 und W2 sie auf das Podest und ziehen ihre Beine auseinander, so dass sich W3 in Gebärhaltung befindet.

Wieder dunkel. Die Männer leuchten wieder ihre Gesichter dämonisch an und sprechen mit den Böse-Geister-Stimmen in Schleife:

DIE GABEL STICHT

DER BESEN KRATZT

DAS KIND ERSTICKT

DIE MUTTER PLATZT

W3 beginnt wie bei Wehen zu schreien. W1 und W2 entbinden, indem sie die Leuchtschlange zur Nabelschnur umfunktionieren und durch den Unterrock schieben. Am Ende der Leuchtschlange wird ein Babykopf sichtbar.

Der Geister-Chor hört auf. Licht. W2 zieht W1 den Unterrock herunter, so dass er wieder an ihrer Hüfte ist. Dann nimmt sie ihren eigenen Unterrock ab und wickelt ihn um den Hals des Babykopfes. Dann gibt sie das Baby W1. Diese schaukelt das Kind im Arm und singt erneut den „König in Thule“. Die zwei anderen Frauen verteilen sich auf die noch unbesetzten Podeste. Die fünf anderen Spieler stehen zum Ende des Liedes alle vor ihrem Podest und stellen Faust dar.

W1 blickt um sich und sagt mehrmals HEINRICH. Dann geht sie, das Baby vor sich haltend in die Mitte. Auch die fünf Fausts gehen auf die Mitte zu. Wenn sie sich treffen, geht das Baby von Faust zu Faust. Die Fausts schauen das Kind liebevoll an und herzen es, bevor sie es weiterreichen. Ein Faust will schließlich das Baby ihrer Mutter wiedergeben, aber M3 reißt es ihm aus der Hand. M3 nimmt den Babykopf und wirft ihn einem der anderen Fausts zu. W1 will ihn fangen, erwischt ihn aber nicht. Alle Fausts bauen sich nun im Kreis auf und spielen Ball mit dem Kopf, während W1 verzweifelt versucht, ihn zu erwischen.

Schließlich gehen die Fausts alle in die Mitte und bilden einen zusammenhängenden Körper, indem sie sich aneinander festhalten. Die Haltungen sollen Zusammengehörigkeit / Besitzergreifung von Liebespartnern assoziieren. Zum Beispiel: Hand auf dem Hintern, Arme um den Hals oder Hüfte usw.

Der Faust-Körper blickt W1 verachtend an. Einer der Fausts hält ihr den Babykopf hin. Alle drehen sich einmal langsam drehbühnenartig, dann bleiben sie stehen. Der Kopf wird der Orgelspielerin zugeworfen, sie fängt ihn auf.

Die Fausts lösen sich, klopfen sich gegenseitig auf die Schulter und lachen. Dann bewegen sie sich zurück zu ihren Podesten. W1 ruft verzweifelt mehrmals HEINRICH und streckt ihnen den Babykopf entgegen.

W2 und W3 ziehen die Unterröcke wieder an. Alle drei Frauen singen das Lied „Meine Ruh ist hin“, während W2 einen Eimer Wasser und W1 den Babykopf W3 bringt, welche verzweifelt auf ihrem Podest sitzt.

Der Gesang hört auf. Der Eimer wird vor W3 hingestellt, der Babykopf ihr in die Hand gedrückt. W3 taucht den Kopf immer wieder in den Wassereimer, dann lässt sie ihn darin liegen.

W1 und W2 ziehen die Unterröcke an sich hoch, dass diese aussehen wie Umhänge. Sie stellen nun Schergen dar. W2 bindet W3 ein Seil um die Hüften und behält das andere Ende in der Hand, W1 drückt ihr den Eimer in die Hand und geht zum Keyboard. W3 geht langsam in die Mitte, stellt den Eimer ab und setzt sich drauf.

W1 spielt einen Disco-Beat auf dem Keyboard, dazu tanzen die Männer auf ihren Podesten. Plötzlich hören Musik und Tanz auf, die Männer nehmen W3 wahr und schauen erschrocken schweigend auf sie.

Nach einer Weile folgt eine verzweifelt chaotische Sprechchoreografie mit dem Text:

Im Elend! Verzweifelnd! Erbärmlich auf der Erde lange verirrt und nun gefangen! Als Missetäterin Im Kerker zu entsetzlichen Qualen eingesperrt, das holde unselige Geschöpf! Bis dahin! dahin! – Verräterischer, nichtswürdiger Geist, und das hast du mir verheimlicht! – Steh nur, steh! Steh und trutze mir durch deine unerträgliche Gegenwart! Gefangen! Im unwiederbringlichen Elend! Bösen Geistern übergeben und der richtenden gefühllosen Menschheit! Und mich wiegst du indes in abgeschmackten Zerstreuungen, verbirgst mir ihren wachsenden Jammer und lässest sie hilflos verderben!

M1 geht zu M2, packt ihn und reißt ihn vom Podest. M3 geht von seinem Podest herunter und reißt M1 von M2 weg.

M3: Warum machst du Gemeinschaft mit uns wenn du sie nicht durchführen kannst? Willst fliegen und bist vorm Schwindel nicht sicher? Drangen wir uns dir auf, oder du dich uns?

M1: Mir ekelt’s! – Großer, herrlicher Geist, der du mir zu erscheinen würdigtest, der du mein Herz kennest und meine Seele, warum an den Schandgesellen mich schmieden, der sich am Schaden weidet und am Verderben sich letzt?

M2: Rette sie! oder weh dir!

M3: »Rette sie!« – Wer war’s, der sie ins Verderben stürzte? Ich oder du?

Die drei laufen nun durch den Raum und sprechen in Schleife jeder für sich ICH und DU. Sie können auch Zuschauer anreden.

Plötzlich beginnt W3 zu singen, während sie ein imaginäres Baby wiegt:

Meine Mutter, die Hur
      Die mich umgebracht hat!
      Mein Vater, der Schelm
      Der mich gessen hat!
      Mein Schwesterlein klein
      Hub auf die Bein
      An einem kühlen Ort;
      Da ward ich ein schönes Waldvögelein;
      Fliege fort, fliege fort!

Die Männer hören zu sprechen auf, bleiben stehen, lauschen, bewegen sich langsam zurück zu ihren Podesten.

W3 steht vom Eimer auf, kniet sich hin und macht Anstalten, den Kopf in den Eimer zu tauchen. W2, die jetzt wieder den Unterrock an der Hüfte hat und steht, zieht sie am Seil zurück. Im Folgenden versucht W3 immer wieder, auf den Knien zum Eimer zu rutschen, wird immer wieder zurückgezogen. Währenddessen sprechen W1 und M3 synchron und mit gedämpft rhythmischer Stimme:

Bin ich doch noch so jung, so jung!
Und soll schon sterben!
Schön war ich auch, und das war mein Verderben.
Nah war der Freund, nun ist er weit;
Zerrissen liegt der Kranz, die Blumen zerstreut.
Fasse mich nicht so gewaltsam an!
Schone mich! Was hab ich dir getan?
Laß mich nicht vergebens flehen,
Hab ich dich doch mein Tage nicht gesehen!

Schließlich lässt W2 das Seil locker. Während W3 im Eimer vergeblich nach dem Puppenkopf sucht, sprechen W1 und W2 folgenden Text synchron und mit gedämpft rhythmischer Stimme:

Ich bin nun ganz in deiner Macht.
Laß mich nur erst das Kind noch tränken.
Ich herzt es diese ganze Nacht;
Sie nahmen mir’s, um mich zu kränken,
Und sagen nun, ich hätt es umgebracht.
Und niemals werd ich wieder froh..
Sie singen Lieder auf mich! Es ist bös von den Leuten!
Ein altes Märchen endigt so,
Wer heißt sie’s deuten?

Dazu singen die Männer leise:

Meine Mutter, die Hur
      Die mich umgebracht hat!
      Mein Vater, der Schelm
      Der mich gessen hat!
      Mein Schwesterlein klein
      Hub auf die Bein
      An einem kühlen Ort;
      Da ward ich ein schönes Waldvögelein;
      Fliege fort, fliege fort!

Wenn alles verstummt, sucht W3 noch weiter und holt schließlich den Kopf heraus, aber nur so weit, dass man das dabei entstehende Geräusch hört. Wenn die Männer immer wieder versetzt GRETCHEN! rufen, lässt sie den Kopf los, ohne ihn herausgezogen zu haben.

W3: Das war des Freundes Stimme!

Während W3 weiterspricht, läuft sie herum, aber immer vom Seil eingeschränkt:

Wo ist er? ich hab ihn rufen hören.
Ich bin frei! mir soll niemand wehren.
An seinen Hals will ich fliegen,
An seinem Busen liegen!
Er rief Gretchen! Er stand auf der Schwelle.
Mitten durchs Heulen und Klappen der Hölle,
Durch den grimmigen, teuflischen Hohn
Erkannt ich den süßen, den liebenden Ton.

Die Männer (wiederholend versetzt): Ich bin’s!

W3: Du bist’s! O sag es noch einmal!
Er ist’s! Er ist’s! Wohin ist alle Qual?
Wohin die Angst des Kerkers? der Ketten?
Du bist’s! Kommst, mich zu retten.
Ich bin gerettet!
Schon ist die Straße wieder da
Auf der ich dich zum ersten Male sah.


Die Männer (wiederholend versetzt): Komm mit! Komm mit!

W3 (bleibt stehen): O weile
Weil ich doch so gern, wo du weilest.

M1 und M2 gehen zu W3 und stellen sich vor sie hin. Sie greift nach ihnen, aber kommt nicht an sie heran.

M1: Eile!
M2: Wenn du nicht eilest
Werden wir’s teuer büßen müssen.

W3 (versucht an sie heranzukommen und sie zu küssen, aber sie kommt nicht an sie heran):

Wie? du kannst nicht mehr küssen?
Mein Freund, so kurz von mir entfernt
Und hast’s Küssen verlernt?
Warum wird mir an deinem Halse so bang?
Wenn sonst von deinen Worten, deinen Blicken
Ein ganzer Himmel mich überdrang
Und du mich küßtest, als wolltest du mich ersticken.
Küsse mich!

Sonst küß ich dich!

Inzwischen ist M3 langsam zu den anderen Männern getreten. Er geht zwischen ihnen noch einen Schritt vor, bis er vor W3 steht, dann küsst er sie wild auf den Mund. Es ist aber ein brutaler Kuß.

W3 (reißt sich los):O weh! deine Lippen sind kalt,
Sind stumm.
Wo ist dein Lieben
Geblieben?
Wer brachte mich drum?

Die Männer (schmeichelnd, versetzt):

Komm! Folge mir! Liebchen, fasse Mut!
Ich herze dich mit tausendfacher Glut
Nur folge mir! Ich bitte dich nur dies!

W3: Und bist du’s denn? Und bist du’s auch gewiß?

Die Männer (synchron): Ich bin’s! Komm mit!

Die Männer machen das Seil von ihrer Hüfte, W2 zieht es ein.

W3: Du machst die Fesseln los,
Nimmst wieder mich in deinen Schoß.
Wie kommt es, daß du dich vor mir nicht scheust?
Und weißt du denn, mein Freund, wen du befreist?

Die Männer (wiederholend versetzt): Komm! komm!

W3 (liebkosend von einem zum anderen gehend):

Mein Kind hab ich ertränkt.
War es nicht dir und mir geschenkt?
Dir auch. – Du bist’s! ich glaub es kaum.
Gib deine Hand! Es ist kein Traum!
Deine liebe Hand! – Ach, aber sie ist feucht!
Wische sie ab! Wie mich deucht,
Ist Blut dran.

Sie reißt sich von ihnen los. Dann wiederholt sie das Spiel, aber immer wieder sich wieder losreißend:

Niemand wird sonst bei mir liegen! –
Mich an deine Seite zu schmiegen,
Das war ein süßes, ein holdes Glück!
Aber es will mir nicht mehr gelingen;
Mir ist’s, als müßt ich mich zu dir zwingen,
Als stießest du mich von dir zurück;
Und doch bist du’s und blickst so gut, so fromm.

Die Männer (wiederholend versetzt): Fühlst du, daß ich es bin, so komm!

W3: Dahinaus?

Die Männer (synchron): Ins Freie.

W3 hält inne, dann fällt ihr Blick auf den Eimer. Sie geht schnell zum Eimer und klammert sich daran fest. Dann spricht sie, während die Männer langsam zu ihren Podesten zurückkehren:

Und weiter keinen Schritt –
Du gehst nun fort? O Heinrich, könnt ich mit!

Die Männer (synchron): Du kannst! So wolle nur! Die Tür steht offen!

W3: Ich darf nicht fort; für mich ist nichts zu hoffen.
Was hilft es, fliehn? Sie lauern doch mir auf.

Die Männer (stehenbleibend, synchron): Ich bleibe bei dir.

W3 nimmt den Eimer, trägt ihn von einem zum anderen, aber keiner nimmt ihn ihr ab. Dabei spricht sie:

Geschwind! Geschwind!
Rette dein armes Kind!
Fort! immer den Weg
Am Bach hinauf,
Über den Steg,
In den Wald hinein,
Links, wo die Planke steht,
Im Teich.
Faß es nur gleich!
Es will sich heben,
Es zappelt noch!
Rette! rette!

Die Männer (synchron): Besinne dich doch!
Nur
einen Schritt, so bist du frei!

W3 bleibt stehen, stellt den Eimer ab und will den Kopf hineinstecken. Währenddessen schleichen die Männer sich an sie heran und packen sie. Sie wehrt sich und ruft:

Laß mich! Nein, ich leide keine Gewalt!
Fasse mich nicht so mörderisch an!
Sonst hab ich dir ja alles zulieb getan.

W1 und W2 übernehmen das LASS MICH und sprechen es in Schleife weiter, während die Männer W3 loslassen. M1 und M2 gehen langsam zu ihren Podesten und rufen sanft wiederholend versetzt in das LASS MICH hinein: LIEBCHEN! LIEBCHEN!

M3 ist stehengeblieben. Er und W3 stehen sich gegenüber. Das Licht geht aus. M3 holt eine Leuchte hervor und hält sie sich von unten vors Gesicht. Dann leuchten gleichzeitig auch die Gesichter von M1 und M2 auf.

Die Frauen raunen synchron: Heinrich! Mir graut’s vor dir.

Die Männer leuchten W3 an und verfolgen sie mit dem Licht. W3 geht zum Eimer und steckt ihren Kopf hinein. Nach ein paar Sekunden gehen die Leuchten aus.

E N D E