EDELSTEINE (F. Hebbel)


Erster Akt.

Choreografie: Astrid und Hanka beim Richter. Flucht, Überfall der Räuber usw.

Iris unterbricht das Spiel und spricht den Prolog.

Mein sehr verehrtes Publikum,

gestattet mir, bevor das Spiel

beginnt, vorwegzunehmen einen

Prolog, der nur verfolgt das Ziel,

auf unsre Armut hinzuweisen.

Und weil wir arm sind, können wir

uns keine echten Edelsteine

leisten; doch spielen diese hier

in unserm Stück die größte Rolle.

Was tun? Sie baun aus Pappmachee?

Die Lösung wäre billig, aber

ist es die kreativste? Nee!

Wir haben eine bessere.

Wohin mein roter Handschuh zeigt,

da, stellt euch vor, ist ein Rubin.

Der weiße Handschuh aber zeigt

auf einen schönen Diamanten.

Und so, mit etwas Fantasie

seht ihr die Edelsteine funkeln,

so wie selbst echte funkeln nie.

Mehr gibt es dazu nicht zu sagen

Darum beende ich nun das

Vorabgerede und –erkläre.

Das Spiel beginnt, ich wünsch viel Spass!

Astrid. Welch eine Pracht! O Hanka, schau dich um! Was das für Häuser sind und was für Gassen! Kaum glauben kann ich’s, dass die Wunderstadt von Menschenhand erbaut ward und noch minder, dass sie ein Menschenfuß betreten darf –

Hanka. Und stehst doch selbst darin, und obendrein mit Füßen, die nicht gar zu sauber sind!

Astrid. Oft war ich hier im Traum, doch niemals sah ich’s so! O nein, ich sah mein Dorf vergrößert, auch wohl verschönert, doch –

Hanka. Ich hätte mir dies alles noch viel prächt’ger vorgestellt. Die Häuser sind denn doch, soviel ich sehe, aus Steinen aufgebaut und nicht von Gold, das Straßenpflaster scheint mir nicht von Silber, und auch das Publikum sieht recht gewöhnlich aus.

Astrid. Und dennoch! Einmal-

Hanka. Und auch der Kot ist ganz gemeiner Kot.

Astrid. Einmal-

Hanka. Ein Pudel! Siehst du? Ganz so, wie bei uns! Vier Beine! Keine sechs! Und Kopf und Schwanz!

Astrid. Einmal sah ich’s schon so! Das war ein Traum! Gewiß gibt’s keinen buntern!

Hanka. Nun?

Astrid. Ich ging durch eine Straße, breit, wie jene dort, und endlos, wie ein großer Fluss. Staunend blickt‘ ich, wie jetzt, die wunderbaren Dinge an, die mir bei jedem Schritt entgegentraten, Die Menschen aber, die mir auf der Straße begegneten, die blieben alle stehn und sahn auf mich!

Hanka. Auf dich?

Astrid. Du lachst zu früh, das Beste kommt erst! Ja, sie drängten sich um mich herum, sie zeigten mit den Fingern auf mich und flüsterten. Ich erschrak. Schnell trat ich an ein Fenster, das fast die halbe Straße spiegelte, und sah hinein. Da – Nun ist’s Zeit, zu lachen!

Hanka. Worüber denn?

Astrid.     Weil ich – Ich schäme mich, es dir zu sagen, Hanka!

Hanka. Sahst du aus, als ob du dich noch nie gewaschen hättest?

Astrid. O nein! O nein! Ich trug ein Feierkleid so schön, als wär‘ es aus der Morgenröte
herausgeschnitten und besetzt mit Sternen –

Hanka. Das hast du wieder abgelegt!

Astrid. Genug! Mehr sag‘ ich nicht!

Hanka. So warst du Prinzessin im Traum! Mensch, das möcht‘ ich auch mal träumen! Weißt du, Astrid, was ich dann täte?

Astrid. Ei, wie kann ich wissen, was du im Traume tun wirst!

Hanka. Den Richter Kilian würd‘ ich so richtig durchprügeln lassen, und während das geschähe, Feigen essen! Nein, Datteln, denn die Datteln haben Steine, und diese spiee ich ihm ins Gesicht!

Astrid. Pfui, schäme dich!

Hanka.   Denkst du nicht mehr daran, wie grässlich wir es bei ihm hatten?

Choreografie mit Kilian.

Hanka.   Denkst du nicht mehr daran, wie grässlich wir es bei ihm hatten?

Astrid. Mir scheint, in der Stadt hab‘ ich keinen Magen mehr! Ich aß noch nichts, und dennoch knurrt er nicht!

Hanka. Das freut mich sehr, dann brauch‘ ich nicht zu teilen! Halt still!

Astrid.  Was willst du?

Hanka. Deine Tasche leeren, ich hab‘ mir etwas darin aufbewahrt!

Astrid. Woher hast du die Früchte?

Hanka. Aus der Quelle, aus der ich alles hatte, was bisher uns noch das Leben fristete: ich nahm sie weg, wo ich sie fand! Die Hökerin am Tor war eingeschlafen, die den Wanderern das Obst verkauft. Hätt‘ ich sie wecken sollen? Sie war vielleicht gerade Königin! Ich griff in ihren Korb und steckte dir, was ich erwischte, in den Sack. Du hast es nicht bemerkt. Sie noch viel weniger!

Astrid. Ich hoff‘, das ist nur Spaß!

Hanka. Was wär‘ es sonst? Es wächst ja gutes Obst in deiner Tasche! – Auch sitzt ein Goldschmied drin, der Becher macht!

Astrid. Hanka!

Hanka. Gib her!

Astrid. Den Becher kenne ich!

Hanka. Wir haben gestern Morgen draus getrunken!

Astrid. Und unser Wirt – hat er ihn dir geschenkt?

Hanka. Nein! Er vergaß es! Doch du siehst, ich machte den Fehler wieder gut!

Astrid. Du stahlst den Becher?

Hanka. Ich nahm ihn mit.

Astrid. Schurkin!

Hanka. Ei was! Meinst du, ich bin mit dir geflohn, weil ich verhungern will?

Iris. Hast du ihn verloren?

Astrid. Ihr fragt wohl nur im Hohn, seht mich und meinen Kameraden an –

Hanka. Ich sah den Becher früher!

Iris. Das kann jeder behaupten, dem’s beliebt. Der Fund ist mein! Das feinste Silber! An der Ecke steht eine Schmuckhändlerin, der will ich ihn verhandeln, und dir –

Hanka. Die Halbscheid bringen?

Iris. Nein, mein Freund, ich will dir sagen, was er eingetragen, damit du schneller bist das nächste Mal!

Hanka. Astrid, ich bring‘ dich um!

Astrid. Wo willst du gehn? Links oder rechts! Hier scheiden unsre Wege!

Hanka. Wenn wir uns wiedersehn, so sind wir Feinde!

Iris. Wo ist dein Kamerad?

Astrid. Der geht mich nichts mehr an!

Iris. Dort steht er ja! – Fünfzig Taler!

Hanka. Ich erhalte?

Iris. Nichts!

Hanka. Eine Wespe soll dir in den Rachen fahren, wenn du einmal zu einem Feigenbaum mit offnem Maul hinaufsiehst!

Iris. Dank, mein Freund!

Hanka. Ein Bienenschwarm sich auf dich niederlassen!

Tusch. Die Königin betritt die Tribüne.

Königin. Untertanen! – Ihr seht, dies ist die königliche Krone. Der Himmel hat den Stern nicht, welcher ihr nicht einen Strahl lieh, und die Erde nicht den Edelstein, der sie nicht funkelnd schmückt! Vernehmt! Die Königskron ist feil! Ihr staunt? Hört weiter! Eben heute hat’s gejährt, dass der Prinz, dass Ferdinand, mein heißgeliebter Sohn, aus seinem Garten, als er Rosen pflückte, auf eine Art, die keiner fasst, verschwand. Ihr wisst, ich, die tiefbetrübte Mutter hat dem, der ihn wiederbrächte, längst ihr Alles, bis auf die Krone selbst, als Lohn verheißen. Wohlan, ich füg die Krone jetzt hinzu. Der soll sie tragen, der das einz’ge Kind zurück in meine Arme führt.

Die Königin zieht ein Tuch hervor und schluchzt. Währenddessen taucht Rustan auf und stiehlt den Diamanten. Ebenfalls parallel dazu die nächste Replik von Hanka.

Hanka. Nun, Astrid, das ist was für dich! Du träumtest ja stets von solchen Dingen! Ei, der Tausend, so hat sogar auch die Königin noch Sorgen? Ich dachte mir sie immer ohne Zahnweh!

Königin. Dies ist es, was ich euch verkünden wollte: Es ist geschehn.

Salome. Heda! Junger Bursch!

Astrid. Kann ich Euch dienen, Frau?

Salome. Euch dienen, Frau? Sprachst du: Euch dienen, Frau?

Astrid. Das tat ich, Frau!

Salome. Das tat ich, Frau, nicht so?

Astrid. Ei, allerdings!

Salome. Ei, allerdings! Es ist so! In der Tat! – Die Wolle, nicht das Ohr, war schuld daran! Gott sei Dank dafür! Allein ich sage es keinem! Wenn sie für stocktaub mich halten, so kann ich leichter lauschen und erfahren, was sie im stillen treiben! – Noch einmal!

Astrid. Frau, foppt Ihr mich?

Salome. Ich bitte, etwas leiser.

Astrid. Ich lasse mich nicht foppen.

Salome. Nicht doch! Bleib! Ich mein‘ es gut! Ich rief dich, um mein Ohr zu prüfen!

Astrid. Alte Närrin!

Salome. Ja! Alte Närrin! – Ganz deutlich! Und diesmal sprach er leise! – Komm! Ich schenk‘ dir was! Such‘ aus! Was dir gefällt! Das heißt natürlich hier, wo alles unecht ist!

Astrid. O, welche Pracht!

Salome. Nicht wahr, mein lieber, guter, junger Mensch, und ich hab‘ noch viel mehr! Und weil du mir gefällst, so will ich dir auch das noch zeigen- Was sagst du dazu, he? Nun sieh dich satt! Doch greife mir nichts an, denn – deine Finger scheinen zwar nicht klebrigt, allein –

Astrid. Das sind wohl echte Edelsteine?

Salome. Verlass dich drauf!

Astrid. Also seh‘ ich das Herrlichste und Köstlichste der Welt!

Salome. Das tust du, Freund, das tust du!

Astrid. Die sehn wie Wasser aus! Sind grün, wie das!

Salome. Smaragde nennt man sie!

Astrid. Die kommen auch wohl aus dem Wasser?

Salome. Nein! Doch, doch! Man pflegt sie in dem Schlamm zu finden, der sich in Fischernetzen setzt.

Astrid. Mein Vater war selbst ein Fischer, aber niemals fand ich einen solchen Stein in seinem Netz!

Salome. Der glaubt mir! – Nun, in jedem Flusse trifft man sie nicht an!

Astrid. Die sind so blau, wie Luft!

Salome. Saphire sind’s! Sie fallen aus den Wolken!

Astrid. Was tun sie?

Salome. Wusstest du das nicht? Ei, freilich! Wir tragen ja bei uns die Hüte bloß, damit sie uns den Schädel nicht zerschmettern!

Astrid. Ich merk’s! Ich habe dumm gefragt!

Salome. Jawohl! Und weil du mir die erste Lüge glaubtest, ließ ich die zweite zur Enttäuschung folgen! Die Edelsteine kommen aus der Erde, sie wachsen da, wo alles wächst!

Astrid. Mann o Mann!

Salome. Dies Feuer brennt dich, wie es scheint!

Astrid. Das ist –

Salome. Nun, was wohl? he?

Astrid. Das übrige ist nichts, ist alles nichts! Weg, weg damit!

Salome. Wird er mir verrückt?

Astrid. Das waren Edelsteine? Gute Frau, Ihr seid betrogen! Das –

Salome. Ist ein Rubin, rot, wie die andern grün und blau, nun gibt es auch noch weiße!

Astrid. Schweigt! O schweigt davon! Hier sehe ich den Mittelpunkt der Welt!

Salome. Und dennoch ist der Diamant noch edler!

Astrid. Noch edler? Reizt mich nicht!

Salome. Ich mache jetzt ein Ende! Da hast du was!

Astrid. Gebt den Rubin.

Salome. Ha! Ha!

Astrid. Ich muß ihn haben!

Salome. In der Tat?

Astrid. Wollt Ihr ihn geben?

Salome. Wenn dir die Königin die Krone aufgesetzt hat! Eher nicht!

Astrid. Ich fleh‘ Euch an –

Salome. Jetzt ist’s genug!

Astrid. Was untersteht Ihr Euch?

Salome. He! Hilfe!

Astrid. Der Rubin ist mein!

Salome. Ein Dieb! Ein Räuber! Haltet auf! Ein Mörder! Greift ihn!

Kilian. Was gibt’s hier?

Salome. Alles, was nur möglich ist! Raub! Überfall!

Kilian. Raub! Wer ist es denn?

Salome. Du wirst es nicht erraten!

Kilian. Der gewiss!

Hanka. Herr – Ich war’s, der ihn griff, als er entfloh!

Salome. Der da! Nicht wahr, man sieht es ihm nicht an? Den musst du zweimal strafen, erst für die Tat und dann für sein Gesicht!

Kilian. Rustan!

Salome. Herr!

Kilian. Nun? Hast du ihn fälschlich angeklagt? Dann trittst du selbst in seine Stelle ein!

Salome. Das nicht – Jedoch – Verzeih‘ mir, Herr, der Bursche dauert mich, ich bin doch schuld an seinem frühen Tode!

Kilian. Wie das?

Salome. Sieh, Herr, drei Jahre glaubte an Taubheit ich zu leiden, weil ich’s vergessen hatte, daß ich Pfropfen von Wolle trug in meinen beiden Ohren, die ich bei Zahnweh einst hineingesteckt. Vorhin fahr ich mir ins Ohr und merke, dass was darin sitzt, ziehe es heraus und hör‘ auf einmal wieder. Ich frohlocke, und da steht der Bursche vor mir –

Kilian. Die Gelegenheit zu Dieberei und Raub erspähend –

Salome. Ich rief ihn, um im Gespräch mit ihm mein Ohr zu prüfen. Er kam –

Kilian. Und raubte –

Salome. Ja! Doch nicht sogleich! Erst, als der Rubin ihm in die Augen strahlte-

Kilian. Mich kümmert nur das Ob und nicht das Wann! – Du leugnest?

Astrid. Nein!

Kilian. Es hälfe auch zu nichts. Rustan, vollzieh den Spruch! Und auf der Stelle, wo dieser freche Raub begangen ward!

Verzauberung.

Salome und Hanka. Mir wird’s wieder leicht.

Rustan. Ich hau schnell ab, bevor mich der Kilian selber hängen lässt! Der wird’s mir nimmer glauben, dass dieser ohne meine Schuld entkam!

Rustan flieht hinkend und immer mal hustend. Er ist lungenkrank, was auch in seinem Auftritt vorher dargestellt werden muss.

Zweiter Akt.

Barbara. Ein für allemal. Wir sind arme Leute und haben gar nicht das Recht, barmherzig zu sein. Durch unsre Wohltaten können wir uns selbst wohl auf den Hund bringen, aber niemanden auf die Beine helfen.

Jakob. Hättest du den armen Menschen mit seinem Stelzfuß gesehen, du hättest ihm auch die Tür aufgemacht. Der Tod sah ihm aus den Augen.

Barbara. Das ist noch das beste, dass er so schnell gestorben ist. Ich kochte ihm bei seinem eignen Bein die letzte Suppe, aber er hat sie nicht mehr gegessen.

Jakob. Bei seinem eignen Bein?

Barbara. Bei dem Stelzfuß, ja. Das war wohl zu sehen, dass er nicht wieder aufkommen würde, und woher sollte ich Holz nehmen? Auch fragte ich ihn und er sagte nicht Nein!

Jakob. Er sprach ja gar nicht. Nun liegt er im Grabe.

Barbara. Jawohl, und um ihn dahin zu befördern, haben wir Schulden machen müssen. Hättest du nicht für Branntewein und Tabak gesorgt, du hättest keinen einzigen Totenträger gefunden.

Jakob. Das wird bezahlt werden.

Barbara. Auf Kosten des Kindes, das ich unter dem Herzen trage. Und einen unverschämteren Toten habe ich noch nie gesehen. Brauchte er nicht einen Sarg, noch einmal so lang, als du ihn brauchen wirst? Und du bist doch auch kein Zwerg, kein Kriech unter den Busch! Man fand dich nicht zu klein, als man die Soldaten für den Krieg aushob.

Jakob. Schweig nur endlich. Hat er dir denn etwa gar nichts ins Haus gebracht? Unter seinen Kleidungsstücken ist noch dies und das brauchbar, besonders die Weste. Sieh da, die trägst du schon selbst!

Barbara. Mich ärgern die hochmütigen Reden, die er zuletzt führte. Wir würden mehr bei ihm finden, als wir dächten! Dabei zeigte er auf seine Brust und sprach: die Königin selbst hat’s mir gegeben! Ich dachte: dort hat er in der Weste so viel eingenäht, dass man ihn dafür unter die Erde bringen kann. Als er tot war, untersuchte ich die Sache. Aber was fand ich? Keinen goldenen Dukaten, nicht einmal einen harten Taler, wie ich doch zum allerwenigsten erwartet hatte, sondern einen Stein!

Jakob. Einen Stein?

Barbara. Nichts anderes.

Jakob. Davon hast du mir ja kein Wort gesagt.

Barbara. Es verlohnte wohl auch der Mühe. Vor Wut über meine getäuschte Hoffnung warf ich ihn aus dem Fenster.

Jakob. Das war verkehrt.

Barbara. Nun, ich hab‘ ihn wieder aufgelesen, als ich nachher zum Wasserschöpfen ging, denn er funkelte gar zu prächtig im Sonnenschein. Es ist ja doch vielleicht ein Ding, womit man das Kind zum Schweigen bringt, wenn es schreit.

Jakob. Gib ihn einmal her!

Barbara. Hol‘ ihn dir selbst, ich habe keine Zeit, ich muss in die Küche. Dort im Kasten liegt er, worin du deine rostigen Nägel aufbewahrst.

Jakob. Ei, das glänzt ja, wie Feuer! Man sollte glauben, es sei ein Edelstein! Doch nein, in unsern Steinbrüchen finden sich solche Prachtstücke nicht, man trifft dort nur bürgerliches Pack, Quarze, Kiesel und dergleichen, aber nichts, was schimmert und gleißt, als wär‘ es von der Sonne heruntergefallen!

Benjamin. Ein Diamant! Groß, wie ein Taubenei! Fleckenlos! Wer den hat, der braucht nichts weiter. – Den Stein habe ich schon gesehen!

Jakob. So? Wo denn?

Benjamin. Wo? Wo? Ei nun, eben da, wo Ihr ihn weggenommen habt.

Jakob. Ich? Euch soll ja der Teufel –

Benjamin. Nun, wenn Ihr es nicht tatet, so tat es –

Jakob. Der Soldat! Das lass‘ ich mir eher gefallen! Der ist tot! Wer ihn noch aufhängen wollte, käme zu spät!

Benjamin. Wer der Dieb auch sein mag, er war ein Tropf! Wo der Stein lag, lag Besseres. Nun, Ihr wollt das Ding verhandeln. Ich kann’s brauchen. Zufälligerweise.

Jakob. Und was gebt Ihr?

Benjamin. Ein Stück Silber, dreimal so groß, als der Stein!

Jakob. Wer so viel gibt, der gibt auch mehr. Aber still! Hört Ihr nicht etwas?

Benjamin. Hühnergeschrei, weiter nichts.

Jakob. Richtig. Ein Huhn gackelt. Darauf warten wir schon drei Stunden, denn die Pfannkuchen – Frau!

Barbara (im off). Was rufst du? Du weißt, dass ich wasche!

Jakob. Hab‘ ich nicht gesagt, dass es zu Mittag noch Eier geben würde? Hörst du jetzt?

Barbara (im off). Bring sie mir erst, dann will ich mich freuen. Wahrscheinlich ist’s die gelbe, die legt die Eier immer weg. Weihnachten, so wahr ich lebe, soll sie in den Topf!

Jakob. Das ist wahr. Darum will ich suchen, solange das Gackeln noch dauert. Das zeigt die Stelle an. – Bleibt derweil und überlegt, ob Ihr hundert Taler aufbringen könnt.

Diebstahl des Diamanten.

Jakob. Diesmal hätten wir den Marder betrogen. Da sind die Eier, noch warm, ein ganzes Nest voll. Aber, was ist das? Wo blieb der Bursche? Frau! Frau!

Barbara. Was willst du?

Jakob. Ist der Bursche in der Waschküche bei dir?

Barbara. Dumme Frage! Was sollt‘ er da?

Jakob. Dann – Nein, ich weiß selbst nicht, soll ich fluchen und toben, oder soll ich jubeln und springen?

Barbara. Bist du verrückt?

Jakob. Wo ist mein Hut? Wo ist mein Stock? – Ich schlag‘ ihn tot, wo ich ihn treffe! Das schwör‘ ich!

Barbara. Sei nicht töricht, Jakob. Du kannst kein Lamm abstechen, keinen Hammel, du bist mir der rechte Totschläger.

Jakob. Lämmer! Das ist was anderes. Die Lämmer haben mir bis jetzt noch nichts entwendet. Hämmel! Kennst du Hämmel, die Steine einstecken? Zeig‘ sie mir!

Er sieht den Taler.

Jakob. Sieh da! Wart, Halunke! Damit werf‘ ich dir das erste Loch in den Kopf!

Barbara. Was ist’s denn mit dem Stein, dass du dich so närrisch hast?

Jakob. Was mit dem Stein ist? Es war ein Edelstein, ein solcher, wie ihn die Königin auf der Krone trägt!

Barbara. Bild‘ dir nichts ein!

+++

Dr. Pfeffer. Block! Weißt du, wie wir’s machen? Ich stelle mich hinter einen Baum, du fällst über den nächstbesten her und schlägst ihn halb tot. Sobald er für ein Krankenlager von drei Monaten genug hat, tret‘ ich hervor, verjage dich und verbinde den Verwundeten. Dann habe ich einen Patienten, und wir haben alle beide Geld. Was meinst du?

Benjamin. Au weh, au weh! Das ist ein Bauch! Lässt lieber die Eingeweide fahren, als den Stein! Anderthalb Stunden schlepp‘ ich den Diamant nun schon mit mir herum! Lebkuchen und Heringe hab‘ ich durcheinander gegessen und einen Trunk frische Milch darauf gesetzt. Nichts schlägt an. Der Stein bleibt, wo er ist, aber Bauchgrimmen bekommt man, als ob man gebären sollte, und eine ganze Armee auf einmal! Au!

Dr. Pfeffer. Das ist einer von denen, die erst recht krank werden, wenn sie den Arzt kommen sehen, weil die Rechnung ihnen einfällt.

Benjamin. Wer ist der Mann?

Block. Ein Doktor. Dr. Pfeffer.

Dr. Pfeffer. Was fehlt dir? Kannst du einem die Hand nicht reichen, dass man deinen Puls fühlt? Zunge heraus! Du hast den edlen Muskel nicht zum Wimmern erhalten, sondern um ihn auszustrecken! Zunge eingezogen! Fühlst du’s denn nicht, dass sich ein geiles Fliegenpaar darauf niederlässt, um Unzucht zu treiben? Aufgeschaut! Antwort! Wo hapert’s?

Benjamin. Herr, ich habe einen Stein verschluckt, und muss sterben, wenn mir nicht bald geholfen wird!

Dr. Pfeffer. Einen Stein? Was für einen Stein?

Benjamin. Was für einen Stein? Was meint Ihr damit? Einen Stein von der gemeinsten Art, von der allergemeinsten! Ihr denkt wohl gar an Edelsteine? Ein Kiesel, ich schwör‘ es Euch zu, ein nichtsnutziger Kiesel!

Dr. Pfeffer. Wie kam man dazu, den Kiesel zu verschlingen?

Benjamin. Wie? Wie? Au weh! Das – das will ich Euch sagen, ausführlich, genau, sobald Eure Kunst mich wieder von dem Stein befreit hat.

Dr. Pfeffer. Ein sonderbarer Kasus!

Benjamin. Sonderbar? Wieso? Dass ich nicht wüsste! Man frühstückt, man ist hungrig, sehr hungrig, man lässt ein Stück Brot fallen, man bückt sich darnach, hebt’s auf, verschlingt’s unbesehens, denn man liest zugleich die Todesanzeige eines geliebten Freundes in der Zeitung, und siehe da, der Stein, der einem beim Bücken zwischen die Finger geriet, wird mit verschluckt.

Dr. Pfeffer. Der Bursche wird mir verdächtig! Halte den Burschen einmal fest!

Jakob. Sieh da, der Bursche!

Dr. Pfeffer. Schämt Euch, ein Riese, wie Ihr, lässt einen Zwerg, wie den, entwischen?

Benjamin. Was wollt Ihr? Ich kenn‘ Euch nicht!

Jakob. Kennst mich nicht?

Benjamin. Doch! Doch! Bleibt nur, wo Ihr seid, ich besinne mich auf Euch!

Jakob. Wo hast du meinen Stein?

Benjamin. Ihr meint den Stein, den ich Euch für einen Taler abkaufte?

Jakob. Lug und Trug! Her mit dem Stein, oder – Siehst du den Regenwurm hier, und siehst du, wie ich ihn zertrete? Du sahst dein eignes Schicksal! – Her mit dem Stein!

Benjamin. Was ist das? Ei, eben hatt‘ ich ihn ja noch! – Schaut Euch doch mal um, ob Ihr ihn nicht liegen seht!

Abgang mit improvisiertem Text, wie in der ersten Fassung.

Dritter Akt.

Astrid. Wer bist du?

Iris. Ich bin die, der dich retten konnte! Das sei genug für dich! Du hältst in deiner Hand ein Kleinod, das, so köstlich es dir und aller Welt auch scheinen mag, doch noch viel mehr ist, als du ahnen kannst!

Astrid. Was ist es denn?

Iris. Es ist ein Grab!

Astrid. Ein Grab?

Iris. Es ist ein Grab für einen, der noch lebt!

Astrid. Für einen, der – für einen! O, mein Herz, so war es dies!

Iris. Ein Jüngling ist durch die Tücke eines bösen Greises in diesen Stein hineingebannt und schläft den Schlaf des Todes, ehe er noch starb!

Astrid. Den Schlaf des Todes! Kannst du den Jüngling nicht erlösen?

Iris. Ich nicht! Nur ein Mensch!

Astrid. Ein Mensch! Ich selbst bin ja ein Mensch! Doch wie?

Iris. Das weiß ich nicht!

Astrid. O je!

Iris. Verzweifle nicht zu früh! Wenigstens weiß ich, dass du den Jüngling einmal wecken kannst!

Astrid. Ich kann ihn wecken?

Iris. Ja! Um Mitternacht! Wenn du auf den Rubin drei Küsse drückst, erscheint er dir!

Astrid. Ist es nicht Mitternacht?

Iris. Noch nicht! Doch bald!

Astrid. Ich soll ihn sehn! Und wenn’s nur einmal wäre, ich soll ihn sehn! O, dass die Mitternacht doch endlich käme!

Iris.

Mitternacht ists

Zwölf schlug die Uhr

Drum zeige Rubin

Deine wahre Natur

Lüfte den Schleier

Deck dein Geheimnis auf

Lass den traurigen Prinzen

für einen Augenblick

nur für einen Augenblick

aus den rötlichen tödlichen

Tiefen herauf…

Ferdinand. Drei Tropfen meines Bluts? Droht, wie ihr wollt, ich geb‘ sie nicht! Nicht näher! Ich fürcht‘ Euch! Bin ich hier denn ganz allein? Rührt mich nicht an! Meine Mutter!

Astrid. Holdester –

Ferdinand. Wer bist du? O, genug! Der Alte nicht! Der grimme Alte nicht! So schütze mich!

Astrid. Er weiß nicht, was mit ihm geschah!

Ferdinand. Wo blieb er? Steht er nicht hinter mir? Er tut’s! Er tut’s! Ich fühle es! Nimm mich in deine Arme, so lange, bis meine Mutter kommt! Er kommt gewiss im Augenblick! Du hast
Doch einen Dolch?

Astrid. Beruh’ge dich!

Ferdinand. Wie kann ich? Noch eben war es Tag! Nun ist es Nacht! Ich stand an einem Rosenbeet, und nun – Der Greis ist fürchterlich! Mich graust! Mich graust! Sprich! Ist es schon geschehn? Bin ich verzaubert? Hat er die Drohung schon erfüllt? Du schweigst? Er hat! Er hat! O, ich erinnre mich! »Sagst du noch einmal nein, so bist du Stein!« Das rief er mir in grimm’gem Zorne zu und zog ein spitzes Instrument hervor und griff nach meiner Hand – Ich lebe ja, ich atme ja! – Die sind ja weich, wie sonst, ich bin ja noch nicht Stein –

Astrid. Du warst es schon und musst- musst es wieder werden, wenn du –

Ferdinand. Mich fröstelt schon! O, es ist wahr! Ist schrecklich wahr!

Astrid. Wenn du nicht weißt, wie du entzaubert werden kannst!

Ferdinand. Ich glaub, ich weiß es!

Astrid. So sag’s mir an!

Ferdinand. O, jetzt besinn‘ ich mich auf alles wieder!

Astrid. Nun, so zögre nicht!

Ferdinand. Ich bin in einen Edelstein gebannt!

Astrid. Nicht länger, als –

Ferdinand. Und du, du hast den Stein!

Astrid. Lass das! Verkünde mir –

Ferdinand. Du liebst den Stein! O ganz gewiss, du liebst ihn!

Astrid. Mit dem Leben hab‘ ich ihn fast bezahlt! Und, sicher geb‘ ich mein Leben eher hin, als ihn!

Ferdinand. Entsetzlich! Ich werde nie erlöst!

Astrid. Ich fass‘ dich nicht!

Ferdinand. Nur deshalb wählte er den Edelstein und nicht den Kiesel!

Astrid. Selbst den Kiesel hättest du in den herrlichsten Rubin verwandelt-

Ferdinand. Du liebst auch mich!

Astrid. Dich liebt‘ ich stets in ihm! Und das gibt mir eben Kraft, das Äußerste für dich zu wagen und mein alles einzusetzen! Drum sag‘ mir, wie du zu erlösen bist!

Ferdinand. Wie gerne würd‘ ich dir mein Leben danken! Aber nimmer wirst du mich erlösen!

Astrid. Dennoch hörte ich, es steh‘ in Menschenmacht!

Ferdinand. In Menschenmacht? Ach, es ist leicht, es ist unendlich leicht!

Astrid. Und doch –

Ferdinand. So leicht, dass du’s an jedem Ort vollbringen könntest und zu jeder Zeit!

Astrid. Und doch – O, gib mir keine Rätsel auf!

Ferdinand. Doch würdest du mich eher einem Drachen abkämpfen, eher aus dem Grund des Meers herauf mich holen, wenn mich eine Muschel umschlösse, als dieses Leichteste des Leichten tun!

Astrid. So nenn‘ es mir!

Ferdinand. Ach, dürft‘ ich dir es nennen, so war‘ es schnell vollbracht! Du musst darauf von selber kommen! Doch du wirst es nicht! Denn es ist schwer, es steht im Widerspruch mit allem, was du denkst und fühlst.

Astrid. Ich werde alles tun –

Ferdinand. Bis auf das rechte! Ja, wenn du mich nicht – Wie wird mir! Ich möcht‘ ihr noch was sagen! – Was denn? – Frag‘ doch!

Astrid. Wie schön er war! Wüsst‘ ich nur seinen Namen! Doch ich war so ganz verwirrt, dass ich vergaß, zu fragen! Nun tut’s mir weh, dass ich ihn nicht einmal zu nennen weiß!

Hanka. Sie ist verliebt, wie’s scheint!


Astrid. Ich soll’s an jedem Ort vollbringen können und auch zu jeder Zeit!

Hanka. Sie träumt im Stehn.

Astrid. Ich will mich heut nicht länger quälen, ich will mich freun, dass ich ihn sah-

Kilian. Wer bist du? – Ha! Das ist der Bube, den die Erde heut verschlungen haben soll! So wird’s mir doch belohnt, dass ich mich selbst für diese Nacht der Wache beigesellt. – Packt ihn! – Nun, es wird Ernst! Verschwinde noch einmal! Nun rasch mit ihm zum Schuldturm, und morgen dann zum Markt, wo er den Raub beging! Denn, wo er sündigte, da soll er büßen! — Bist du nicht der, der diesen fing, als er entlief? Ich kenne dich, wie ihn! Der Bube ist schuld dran, dass mein Rustan von mir ging, und du bist, wenn auch ohne dein Verdienst, jetzt Ursach, dass ich ihm das lohnen kann. Ihm wird der schnellste Galgentod zuteil, du sollst den Preis, den ich im ersten Grimm auf seinen schlechten Kopf gesetzt, erhalten, wenn du nicht eine andre Bitte hast!

Hanka. Herr, gebt mir Rustans Amt! Lasst mich dies Amt zum wenigsten an dem vollziehn!

Kilian. Du bist ein wenig keck! Und doch – Mir mißfällt’s nicht! Es sei!

Hanka. Misslingt mein Probestück an ihm, so lasst ihn seins an mir versuchen!

Kilian. Mach dich bereit, es morgen gleich beim ersten Sonnenlicht vor meinen eignen Augen abzulegen!

Hanka. Ich bin’s!

Vierter Akt.

Kilian. Königliche Majestät vermissen einen Diamant; wer ihn wieder liefert – –

Hanka. Herr Richter –

Benjamin. Herr Richter, wem steht das erste Wort zu, dem Kläger oder dem Verklagten, dem Angeber oder dem Dieb?

Kilian. Dem Kläger, dem Angeber, wem sonst?

Benjamin. Nun, der bin ich!

Jakob. Du?

Benjamin. Ich, Bauer, ich! Und also trete ich vor, ich, Benjamin, und erkläre, daß dieser Bauer, den ich nicht zu nennen weiß, einen Diamanten gestohlen hat; er selbst wird am besten wissen, wem!

Jakob. Nun, Bursche, dich soll –

Benjamin. Balle nur die Fäuste, Bauer –

Jakob. Herr Richter –

Benjamin. Bauer, lass mich sprechen! Ich weiß, was du sagen willst. Du willst sagen, ich habe dir den Diamanten gestohlen!

Jakob. Ja, Schuft!

Benjamin. Und das, Herr Richter, sagt der Mensch nicht ohne allen Grund. Aber ich frage, ob derjenige, der bei einem Bettler den reinsten Diamant antrifft, und diesen Diamant, bevor er beiseite gebracht, vergraben oder aus dem Lande geschafft wird, zu sich steckt, um damit aufs Gericht zu eilen, ich frage, ob ein solcher den Diamant stiehlt.

Kilian. Ein Diamant? Was für ein Diamant? Ist er groß oder klein?

Jakob. Klein. Sehr klein.

Benjamin. Groß, sehr groß! Herr Richter, Ihr bemerkt doch, wie der Bauer lügt, alles verdreht? Der Diamant ist größer, als ein Taubenei, und er nennt ihn klein.

Jakob. Nun, ich denke, eine Taube ist noch sehr klein, dann kann ein Taubenei doch wohl nicht groß sein?

Kilian. Wie ein Taubenei. Da steht’s. – Bauer, wie bist du zu dem Diamant gekommen?

Jakob. Durch meine Barmherzigkeit! Nur durch meine Barmherzigkeit! Ich nahm einen alten, kranken Soldaten bei mir auf. Der starb, und in seiner-

Benjamin. Herr Richter, wem wird geglaubt?

Kilian. Dir!

Benjamin. Yes!

Kilian. Versteh‘ mich recht. Ich glaube dir, dass du dem Bauer den Diamant gestohlen hast. Weiter nichts. Aber nun fragt es sich, ob du ihn gutwillig wieder herausgeben willst, oder ob man Gewalt gebrauchen muss.

Benjamin. Ob ich will? Erst frage man, ob ich kann. Der Stein sitzt mir so fest im Eingeweide, wie das Eingeweide im Leib. Der Doktor mag verschreiben, was ihm beliebt, er wird nicht rücken, ich habe alles versucht. Ich soll doch wohl nicht den Bauer um sein Messer bitten und mir den Leib damit aufreißen?

Kilian. Wenn, wie du es selbst sagst, nichts anderes übrig bleibt, so werde ich dir dies allerdings gebieten!

Benjamin. Aber ich werde nicht gehorchen.

Kilian. Für diesen Fall nimmt das Gericht im voraus Eure geschickte Hand in Anspruch.

Dr. Pfeffer. Ich bin bereit!

Jakob. Herr Richter, so große Eile hat’s nicht. Hätt‘ ich den Spitzbuben nicht wieder getroffen, so hätt‘ ich ihn gewiss totgeschlagen, aber nun er wieder da ist, und mein Diamant mit ihm, nun möcht‘ ich doch nicht, dass er geschlachtet würde.

Kilian. Bild‘ dir ein, dass man sich deinetwegen so in Schweiß setzt! Man tut’s, weil man für seinen eignen Hals fürchten muß, wenn man säumt. – Lest einmal!

Dr. Pfeffer. Leben und Wohlfahrt allerhöchster Personen hängt davon ab, dass der vermisste Diamant aufs schnellste wieder herbeigeschafft werde. In wessen Händen er sich befinde, wer ihn einliefert, erhält eine halbe Million und ihm wird selbst für den Fall des erwiesenen offenbaren Betrugs oder Diebstahls völlige Amnestie zugesichert.

Alle. Eine halbe Million!

Dr. Pfeffer. Eine halbe Million! Ei, Bursche, so viel schleppte wohl noch keiner im Bauche mit sich herum!

Jakob. Eine halbe Million? Dass dich! Mit Erlaubnis! Ich bin hier der erste Mann!

Benjamin. Wie steht im Mandat? Wer ihn in Händen hat und ihn bringt, der erhält die halbe Million! Nun, der bin ich! Kann ich dir jetzt noch einen Gefallen damit erweisen, wenn ich’s unverblümt bekenne, dass ich dir den Diamant stahl? Ich bin bereit dazu, seit ich weiß, dass dieser Diebstahl im voraus verziehen ist!

Kilian. Wer ihn liefert? Nun, wer wird ihn liefern, als ich? Aus meiner Hand geht der Diamant in der Königin Hand, aus der Königin Hand in die meine die halbe Million. – Ihr last noch nicht alles. Weiter! Die Hauptsache kommt erst!

Jakob. Noch eine Hauptsache?

Dr. Pfeffer. Allen obrigkeitlichen Personen des Reichs wird die genaueste Nachforschung zur Pflicht gemacht. Wer auch nur die geringste Spur des Diamanten entdeckt, hat darüber aufs schleunigste Bericht zu erstatten und sie eifrigst zu verfolgen. Und zwar bei Verlust seines Kopfs!

Kilian. Bei Verlust seines Kopfs? Steht das da? Dann muss man dem Burschen gleich an den Leib!

Dr. Pfeffer. Allerdings. Ohne Umstände.

Kilian. Aber wird’s der Bursche überleben? Wer steht einem dafür ein?

Dr. Pfeffer. Ich nicht!

Benjamin. Ich stehe dafür ein, dass ich sterbe. Wer verantwortet den Mord?

Kilian. Wenn der Stein nun nicht der rechte wäre –

Benjamin. Der rechte? Der rechte ist’s auf keinen Fall! Aber wenn’s nun nicht einmal ein echter wäre? Wer bürgt Euch dafür? Ich nicht. Feierlich nehme ich alles zurück, was ich zugunsten des Steins gesagt habe. Ich habe ihn, wie der Bauer weiß, kaum eine Sekunde besehen. In so kurzer Zeit kann selbst der Kenner über einen so schwierigen Punkt keine Gewissheit erlangen. Mein Menschenleben ist aber auf jeden Fall ein echtes.

Kilian. Ob nicht erst gelindere Mittel –

Dr. Pfeffer. Der Bursche hat selbst erklärt, dass sie bei ihm nicht anschlagen.

Kilian. Nun! Schneidet! Grabt nach, aber nicht tiefer, als Ihr müsst!

Dr. Pfeffer. Löse den Knopf vom Stethoskop ab und stecke mir ihn heimlich zu! Er ist ungefähr von der Größe und Gestalt des Diamanten, wie ich mir ihn vorstelle.

Block. Was sinnt Ihr?

Dr. Pfeffer. Den Knopf geb‘ ich später für den Stein aus, den ich aus des Burschen Bauch herausgeschnitten habe. Dann geh‘ ich mit dem echten Diamant an den Hof, und die halbe Million ist mein.

Kilian. Ziehst du’s vor, die Operation selbst zu übernehmen? Ein Messer steht zu Diensten!

Benjamin. Hu!

Kilian. Ich hab’s dir offeriert. Nun, Doktor?

Dr. Pfeffer. Was ist das? Eben hatt‘ ich die Instrumente noch – nun sind sie fort? – Her damit, Schuft, du hast sie!

Durchsuchung Benjamins.

Benjamin. So ist’s recht. Verlangt von mir alles auf einmal: den Diamant, der gesucht wird, den Bauch, der aufzuschneiden ist, und sogar das Messer, womit das geschehen soll.

Kilian. Führ‘ den Menschen ins Gefängnis ab!

Hanka. Ich will- Ich will ihn festhalten, wie ein Mädel den Liebsten.

+++

Benjamin. Die Glocke schlägt schon wieder!

Hanka. Bursche, wer wird denn so unvernünftig sein wollen und seufzen? Kannst du dein bisschen Wind nicht besser nützen? Antworte mir ja nicht, solange du sprichst, kannst du nicht – du verstehst mich!

Benjamin. Alles hilft nichts! – Was soll das Messer?

Hanka. Ich will dich damit losschneiden.

Benjamin. Losschneiden?

Hanka. Was meinst du, wenn ich dich entwischen ließe?

Benjamin. Dann tätet Ihr etwas –

Hanka. Was mir selbst den Hals kosten würde, das siehst du ein, nicht wahr?

Benjamin. Tut’s! Tut’s! Wisst Ihr was? Ich will Gewalt brauchen! Ich will Euch anfallen, so zum Schein, als ob ich in der Desperation übernatürliche Kräfte bekommen und Euch überwältigt hätte. Wo ist der Strick? Ich will Euch damit binden! Dann zerkratz‘ ich Euch noch das Gesicht, reiß‘ Euch Haare aus und mache mich davon. Bin ich fort, so fangt Ihr zu schreien an, dunkel ist’s, ich will mir schon durchhelfen!

Hanka. So geht’s nicht. Ich lass‘ dich laufen, aber ich geh‘ mit.

+++

Dr. Pfeffer. Aber, Herr Richter, könnt Ihr auch Blut sehen?

Kilian. Wenn’s nur nicht mein eigenes ist: ja!

Dr. Pfeffer. Er darf nicht hier bleiben, ich muss freie Hand haben. – Traut Ihr Euch auch so viel zu?

Kilian. Es wird sich finden. Ich kann ja immer noch hinausgehen.

Dr. Pfeffer. Ich wünsche nur, dass jeder Störung der Operation möglichst vorgebeugt werde, darum möchte ich am liebsten mit meinem Bedienten allein sein.

Block. Euer Bedienter?

Dr. Pfeffer. O Esel! Was du nicht bist, kannst du werden! Wirst du nicht gern bei mir in Dienst gehen, wenn ich Millionär bin? – (Das Folgende sagt Pfeffer zu Kilian über Block!) Dem Menschen mit dem Milchgesichte sieht’s niemand an, was er vertragen kann. Der wäre in Hospitälern und auf Schlachtfeldern unbezahlbar. Seinen eigenen Vater hat er sezieren sehen und dabei gefrühstückt.

Block. Nicht mehr, oder ich muss brechen!

Jakob. Ich muss mich doch über die Herren wundern!

Dr. Pfeffer. Warum?

Jakob. Ich habe gute Augen, Nase und Ohren, aber den Burschen kann ich hier so wenig sehen, als hören oder riechen.

Such-Choreografie. Auftritt Königin in Verkleidung.

Kilian. Ich bin verloren. Einen Schnaps!

Königin. Wo ist der Richter?

Kilian. Ein Abgesandter des Hofes. Zehn Taler demjenigen, der sich für den Richter ausgeben will!

Dr. Pfeffer. Hört‘ ich recht? Zwanzig Taler?

Königin. Kann keiner antworten?

Kilian. Zwanzig Taler!

Dr. Pfeffer. Verzeihen Sie, mein Herr. Nur der Respekt machte mich bisher stumm. Ich bin der Richter.

Königin. Wir hören, dass hier am Ort ein Bursche ergriffen ist, der den Diamant, den die Königin vermisst, bei sich führt. Wo ist der Bursche? Ist es der da, der sich so ängstlich zu verstecken sucht?

Kilian. Der Herr haben gewiss in allen Dingen recht, dennoch muss ich mich erkühnen, zu behaupten, dass ich dieser Bursche nicht bin.

Dr. Pfeffer. Der Bursche, wenn die Herren zu vergeben geruhen, ist nicht mehr hier.

Königin. Gleichviel. Aber der Diamant?

Dr. Pfeffer. Ist, wo der Bursche ist!

Königin. Ihr habt den Burschen mit seinem Stein sogleich nach der Residenz bringen lassen? Das lob‘ ich. Die höchste Eile war nötig.

Dr. Pfeffer. Wie glücklich würde dies Lob aus so hohem Munde mich machen, wenn ich’s mir aneignen dürfte! Aber – Der Bursche ist entkommen. Es scheint, dass er den Gefängniswärter bestochen hat, denn dieser ist mit ihm verschwunden.

Königin. Entkommen? Mit dem Diamant? Durch Eure Nachlässigkeit? – Was hält mich ab –

(Kilian dazwischen: Dreißig, vierzig, fünfzig Taler!)

Dr. Pfeffer. Setzen wir uns doch-

Alle. Schnaps?

Königin. Nein, danke.

Choreografie mit Schlagzeug: Stummes Einreden auf die Königin; Dr. Pfeffer beginnt, nach und nach hängen sich die anderen mit rein. Dann hört das Schlagzeug auf und es sprechen gemeinsam

Dr.Pfeffer, Kilian, Block & Bauer Jakob — aber, wie wir das Gefängnis betreten, finden wir’s leer, der Bursche ist fort und der Wärter mit ihm.

Königin. Ihr habt nachsetzen lassen?

Betretenes Schweigen.

Königin. Wir wollen ihm nach. Kommen Sie!

Dr. Pfeffer. Wäre der Bauer nicht erst zu befragen, wie er zu dem Diamant gekommen ist?

Block. Er will ihn von einem verstorbenen Soldaten erhalten haben.

Dr. Pfeffer. Von einem Soldaten? Da seh‘ ich eine Spur! He, Bauer! Ein Soldat gab dir den Stein?

Jakob. Eigentlich gab er mir ihn nicht, sondern ich nahm ihn mir, als er tot war, das heißt, meine Frau tat’s.

Dr. Pfeffer. Was war das für ein Soldat? Sag‘ mir, wie er aussah!

Jakob. Ja, wenn ich’s nur recht mache. Wo soll ich anfangen? Oben beim Kopf, oder unten beidem hölzernen Bein?

Dr. Pfeffer. Er hatte einen Stelzfuß? Weiter!

Jakob. Weiter? Ja, da stehen wir. Ich wollte, der Herr fragten mich anders, das heißt genauer, nach Nase, Mund, Ohren und dergleichen.

Dr. Pfeffer. War er groß oder klein?

Jakob. Klein? Schrecklich groß! Der Tischler, der den Sarg machte, hat sein Maß.

Kilian. Ich möchte eine Vermutung wagen. Der Soldat war kein geringerer als der Henker Rustan.

Kilian fängt an zu schluchzen. Die Königin reicht ihm ihr Taschentuch, dabei alle in den Hintergrund. Tiere, Auftritt Hanka und Benjamin.

Benjamin. Br! Wie dunkel! Ich war noch nie zur Nacht in einem Walde. Was war das für ein Geräusch?

Hanka. Vermutlich eine Eule. Liebst du die Finsternis nicht, Bursche?

Benjamin. Heute schon, denn sie verbirgt uns. Wilde Tiere gibt’s hier ja nicht!

Hanka. Das wildeste ist der Hase, und auch den trifft man nur alle Jubeljahre. Bei uns sind so viele Jäger angestellt, dass der eine kaum abdrücken kann, ohne den andern zu treffen.

Hanka. Holla, Kamerad, warum entfernst du dich von mir?

Benjamin. Tu‘ ich das? Ich meinte, ich ginge auf Euch zu. – Wär‘ ich ihn doch erst los!

Hanka. Gibt mir die Hand.

Benjamin. Zum Abschied? Da ist sie! Recht habt Ihr, es ist besser, dass wir uns trennen, einer schlägt sich leichter durch, als zwei. Schade, dass es so finster ist, und dass ich hier nicht Papier und Tinte habe, sonst stellt‘ ich Euch auf der Stelle einen Wechsel über hundert Taler aus, zahlbar den Tag nach meiner Zurückkunft vom Hof. Also einstweilen meinen innigsten Dank, und der Teufel soll mich holen, wenn ich Euch jemals die Hand wieder reiche –

Hanka. Was?

Benjamin. Ohne Euch etwas hineinzudrücken! Ihr lasst mich ja nicht ausreden!

Choreografien.

Jakob. Da hab‘ ich sie! Da hab‘ ich meine halbe Million!

Kilian. Der Bursche, der Bursche!

Königin. Leuchtet dem Menschen ins Gesicht! Ist’s der rechte?

Dr. Pfeffer. Guten Abend, Benjamin! Er ist’s.

Königin. nun, Doktor, ans Werk!

Kilian. Ich?

Königin. Wer sonst?

Kilian. Würde der Bursche nicht besser, so wie er dasteht, nach der Residenz abgeführt?

Königin. Nein. Das gäbe nur neue Zögerungen, neue Bedenklichkeiten! – Schnell!

Kilian. Ich – ich ließ die Instrumente zurück.

Dr. Pfeffer. Da sind sie, Herr Doktor, ich bemerkte Eure Vergesslichkeit und steckte sie zu mir!

Kilian. Plagt Euch der Teufel? Ich kann keinen gegrillten Hahn tranchieren und sollte einem Menschen den Leib aufschneiden? Nein, darauf lass ich mich nicht ein! – Man halte den Burschen fest und entkleide ihn!

Jakob. Ich hab‘ ihn schon lange beim Kragen!

Kilian. So wollen wir denn an die Operation gehen!

Benjamin. Ich protestiere! Ich protestiere!

Dr. Pfeffer. Wir glauben’s dir.

Benjamin. Ich protestiere gegen alles, und zunächst gegen einen solchen Doktor. Das ist ja gar kein Doktor, das ist ja der Richter!

Dr. Pfeffer. Die Todesangst macht den Menschen verrückt.

Benjamin. Verrückt? Was? Ich bin nicht verrückt! Meinen eignen Widersacher ruf‘ ich zum Zeugen auf! Sag‘ an, Bauer, ist dieser Mann, der sich jetzt für einen Doktor ausgibt, nicht der Richter, bei dem du mich verklagtest? Und ist der andere nicht der Doktor?

Jakob. Wenn ich antworten muss, so muss ich auch ja sagen!

Königin. Was ist das? Man hätte sich vor unseren Augen so sonderbaren Betrug erlaubt?

Dr. Pfeffer. Wir sind beide ohne Zweifel strafbar, aber doch nicht so sehr, als es scheinen mag. Dieser arme Mann, der Richter, verlor den Kopf, als er in einem und demselben Augenblick die Flucht des Burschen und Eure Ankunft erfuhr. Da erbarmte es mich sein und gab mich auf sein flehentliches Bitten für den Richter aus. Wenn das ein Verbrechen war-

Königin. Sei hier Richter oder Doktor, wer will, nur dass, wer Doktor ist, nicht länger säume!

Dr. Pfeffer. Streckt den Burschen am Boden hin!

Benjamin. Erbarmen, Erbarmen! Ich habe den Diamant nicht mehr im Leibe, ich habe ihn von mir gegeben!

Dr. Pfeffer. So gib ihn her!

Benjamin. Ach, die- der Gefängniswärter hat ihn mir geraubt.

Kilian. Das ist eine neue Lüge.

Hanka. Herr Richter, hier ist der Diamant!

Kilian. Gib‘ ihn her!

Hanka. Da!

Choreografie.

Alle. Die Königin!

Jakob. Aber meine halbe Million? – Fraaau-!

Der Bauer könnte, als die Königin an ihm vorbeigeht, im Abgehen sagen: „Ihr habt eine gewisse Ähnlichkeit mit meiner Frau.“ oder ähnliches.

Dr. Pfeffer. Fünfzig Taler sind’s, nicht wahr?

Kilian. Die versprach ich Euch, wenn Ihr Euch für mich ausgeben wolltet.

Dr. Pfeffer. Und hab‘ ich das denn nicht getan?

Kilian. Im Anfang, ja. Aber habt Ihr nachher nicht selbst zu den Herren gesagt, dass Ihr der Doktor wärt und ich der Richter? Nicht ohne Absicht ließ ich Euch zuerst sprechen, als der eine fragte. Keinen Heller bekommt Ihr!

Dr. Pfeffer. Das wollen wir doch sehen!

Kilian. (im off). Henker! Henker! Wo bleibst du! Der Doktor bringt mich um! Au weh! Dein Zögern kostet mich schon einen Zahn!

Hanka. Ich komme! – Wo seid ihr? Hört doch nicht zu schreien auf, ich kann Euch sonst ja nicht finden!

Fünfter Akt.

Marktplatz. Die Schergen mit Astrid. Kilian und Hanka bereiten den Galgen vor. Am Ende steht Astrid unter dem Galgen. Im Folgenden versucht Hanka immer mal, Astrid zu befreien.

Tusch. Die Königin tritt auf.

Königin. Untertanen! Ich will heut in eigener Person des Rechtes pflegen, wie ich es getan, als ich den Thron bestieg! Tritt vor, Richter!


Kilian. Majestät, darf dein treuster Sklav‘ an diesem Tag, wo deine Mildigkeit, wie Tau und Regen, selbst auf Disteln sich ergießt und Dornen, darf er auch für sich um eine Gnade zu dir flehn?

Königin. Sie ist gewährt, noch eh‘ du sie genannt!

Kilian. So stoß jedweden Urteilsspruch mir um, nur einen nicht, nur den nicht, welcher diesen betrifft!

Königin. Es sei! Doch sag‘ mir, was er tat, dass er, so jung noch, dich so sehr gereizt!

Kilian. Er raubte, erstlich, einen Edelstein, und das am hellen Tag, auf offnem Markt!

Astrid. O je!

Königin.   Er scheint die Tat doch zu bereun!

Kilian. Er stellt sich so, um Euch zu rühren, Majestät! – Dort seh‘ ich die Beraubte! Diese kann von seiner Reu‘ erzählen. – Du kommst gewiss um den Rubin!

Salome. Ich will ihn nicht zurück.

Kilian. Dann fällt er an den Schatz! – Heraus mit ihm!

Astrid. Nimm mir das Leben erst!

Kilian. Ich will den Stein zuvor!

Astrid. Ich geb‘ ihn nicht!

Kilian. Was sagt Ihr, Majestät, zu einem solchen Trotz vor Eurem Angesicht?

Königin. Gib mir den Stein!

Astrid. Ich kann’s nicht!

Königin. Gib ihn her! Er mahnte mich, wie ich ihn funkeln sah, an meines Sohnes Auge! – Schnell! Ich sehe ihn vor mir! Nun?

Astrid. Nun wird ihn keiner haben!

Ferdinand.  Halt! O, halt!

Astrid. Welch eine Stimme!

Königin. Mein Sohn!

Ferdinand. Meine Mutter!

Königin. Bist du’s? Habe ich dich wieder?

Ferdinand. Dank’s ihr! Sie erlöste mich aus eines Zaubrers fürchterlicher Macht!

Königin. Ihr?

Astrid. Mir!

Königin. So dank‘ ich’s ihr, wie ich’s gelobt. Ich war bis heute Königin. Du bist es jetzt!

Kilian. Doch –

Königin. Sie ist des Raubes angeklagt! Was tut’s? Wenn sie Königin ist, hat sie alles und kann solch eine Tat nicht mehr begehn! Drum –

Sie nimmt ihre Krone ab und will Astrid die Krone aufsetzen.
             
Königin. Demutvoll –

Astrid. Ich habe nichts zu fordern!

Ferdinand. Warfst du den Stein nicht weg?

Astrid. Das tat ich! O, das tat ich! Weißt du’s schon, und gönnst mir doch noch einen Blick und lächelst mich freundlich an? Das habe ich verdient! Von Raserei der Eifersucht erfüllt –
Ja, ja, der Eifersucht, ich! – schleuderte ich ihn hinunter in den Fluss und wusste doch längst, dass er dein holdes Selbst umschloss. Pfui über mich! Nie werd‘ ich’s mir verzeihn!

Ferdinand. Nie wird sie sich’s verzeihn und hat mich doch dadurch erlöst! Dies war das einz’ge Mittel! Wer den Rubin besaß, der sollte ihn wegwerfen, wie der Knab‘ den Kieselstein. Das war des Zaubrers letztes Wort zu mir, das ich, gefrierend, noch mit Graun vernahm. Der Zauber war gesprengt, sobald er’s tat, doch Edelsteine hält ein jeder fest. Dies machte mich so hoffnungslos.

Königin. Vergönnt jetzt, Majestät!

Astrid. Ich bin die Tochter eines Fischers! Wie kann die Tochter eines Fischers die Millionen regieren, welche –

Ferdinand tritt zu ihr, setzt ihr die Krone auf.

Königin. Erfüllt, jetzt Eure erste Herrscherpflicht: die Pflicht, Euch selbst zu schützen vor Verrat und Tücke. Es gibt hier einen, der Euch Böses sinnt. Legt den in Fesseln!

Königin. Untertanen, ich verkünde euch jetzt die neue Herrscherin! Astrid nennt sie sich.

Astrid. Noch nicht! Und er?

Kanzler. Er teilt den Thron mit dir!

Astrid. Darf ich es hoffen?

Ferdinand. Weißt du es nicht schon? – Meine Mutter!

Königin. Folg‘ ihr nur! Ich segne euch!

Hanka. Königin, ich küsse dir die Füße!

Astrid. Au!

Schluss wie gehabt, nur kriegt die Königin keinen ab. Dafür würde ich gern den Gag von Michael aufgreifen: Nachdem die Paare sich geküsst und alle Aaah! gerufen haben, umarmen und küssen die drei Schergen den Richter. Ein drittes Aaah!

Lied:

Lass auch mal los was dir wertvoll erscheint

Weil das Schicksal es vielleicht dann noch besser mit dir meint

Selbst wenns ein prächtiger Edelstein ist – lass einfach los

Vielleicht fällt dir ein größeres Glück in den Schoß

Du findest die Liebe deines Lebens

Und das Loslassen

Das Loslassen

Ja das Loslassen –

War nicht vergebens.