Mitwirkende:
Ein älterer Mann / Eine junge Frau / Ein junger Mann / Eine ältere Frau :
Keine darstellenden Subjekte, sondern Zuschauer, die auf eigenen Plätzen im Zuschauerraum sitzen, die sind was sie sind, die keine Kostüme und Masken tragen, die in einer alltäglich-natürlichen Art und Weise sprechen, die mit dem Publikum den Zuschauerraum betreten und ihn mit dem Publikum wieder verlassen usw.
Ein darstellendes Subjekt
Ein gewöhnlicher gemischter Chor
Hostessen : entsprechen dem Klischee; hübsch, Uniform, immer ein Lächeln auf dem geschminkten Gesicht
Religiöse Fanatiker und ihr Transparent
Das Publikum
*****
1. wir alle
Älterer Mann:
warum immer wir
Junge Frau:
warum immer wir
Junger Mann:
warum immer wir
Ältere Frau:
warum immer wir
Älterer Mann:
wir wissen von nichts
wir wussten von nichts
wir wissen nie etwas
woher sollen wir wissen
Junger Mann:
wer weiß was gewesen wäre wenn nicht
Junge Frau:
wer weiß
Ältere Frau:
was haben wir damit zu tun
weshalb fragen wir uns
wir haben nicht angefangen
Älterer Mann:
wir haben es nicht gewollt
Ältere Frau:
wir wollten wirklich nicht
Junge Frau:
aber wir haben
Junger Mann:
wir wussten nicht was wir tun
Älterer Mann:
wie einfach es war
wie schwer es jetzt ist
wir hätten wirklich nicht
aber wie wollen wir wieder gut machen
wir haben es getan
Junge Frau:
wir haben es nicht verhindert
wir hätten es verhindern können
hätten wir es verhindern können
Junger Mann:
was wäre gewesen wenn nicht
Ältere Frau:
was wollen wir
wir haben es getan
was war ist gewesen
Junge Frau:
aber wir taten es
Junger Mann:
wir alle
Älterer Mann:
wir taten was wir nicht wollten
wir können nicht mehr zurück
was nun
Junge Frau:
was wissen wirklich
Älterer Mann:
wir wissen nie etwas
Junger Mann:
wenn wir gewusst hätten
wir hätten es nicht getan
Ältere Frau:
wie hätten wir wissen können
Junge Frau:
wir hätten wissen können
wir haben gewusst
wir wollten nicht wissen
Junger Mann:
wir wissen nicht
hätten wir es verhindern können
Ältere Frau:
wer weiß
Älterer Mann:
wissen wir wirklich nicht
Ältere Frau:
wir haben es getan
was hätten wir tun sollen
wer weiß was genau war
Junger Mann:
wer weiß wer wenn nicht wir
Älterer Mann:
warum immer wir
Junge Frau:
warum immer wir
Junger Mann:
warum immer wir
Ältere Frau:
warum immer wir
Junger Mann:
wir haben nicht angefangen
Ältere Frau:
wir waren nicht allein
Junge Frau:
warum fragen wir uns überhaupt
Junger Mann:
wir alle waren es
Junge Frau:
wer weiß warum das alles
Älterer Mann:
wir hätten wissen können
wer hat es verhindert
wir haben es nicht verhindert
auch wir haben es getan
Ältere Frau:
wir wissen jetzt nicht mehr was weiter
Junger Mann:
wir wissen was war
wir werden es immer wissen
es wird mit uns sein
Älterer Mann:
wir können nicht mehr zurück
Junge Frau:
wie hätten wir es verhindern können
Älterer Mann:
was war ist gewesen
Ältere Frau:
wie wenig wir wissen
Junger Mann:
wir können nicht alles wissen
Junge Frau:
wenn wir es nur nicht gewesen wären
Ältere Frau:
nicht nur wir waren es
Junger Mann:
auch ohne uns wäre es gewesen
Älterer Mann:
es kommt wie es kommt
wir können es nicht verhindern
wir wissen so wenig davon
wenn wir nicht irgendwer
irgendwer tut es immer
wir waren es nicht nur
was war ist gewesen
wie wiedergutmachen
wir wissen nicht weiter
wenn wir wüssten würden wir
wir würden wenn wir könnten
wie können wenn wir nicht wissen
wenn es war war es
wer weiß wie zurück
wir fragen uns weiter
wie immer werden wir nicht wissen
wenn wir wüssten würden wir
wir würden wirklich
was können wir tun
wir können nicht wieder zurück
was würde auch werden
was gewesen ist wird immer sein
wir können tun was wir wollen
wir wissen nicht was wir tun
Junge Frau:
was wissen wir
Ältere Frau:
warum sollten wir wissen
Junger Mann:
es würde sein wie immer
Älterer Mann:
warum immer wir
Junge Frau:
warum immer wir
Junger Mann:
warum immer wir
Ältere Frau:
warum immer wir
Junge Frau:
wir fragen warum es war
Älterer Mann:
es hätte nicht sein sollen
Junger Mann:
es wäre besser gewesen wäre es nicht gewesen
Ältere Frau:
es ist gewesen
Junge Frau:
wir waren es auch
Älterer Mann:
aber nicht nur wir
Ältere Frau:
wir alle waren es
Junger Mann:
wie einfach es war als es war
Junge Frau:
wie schwer es jetzt ist
Ältere Frau:
es wird immer sein mit uns
Junge Frau:
was wäre jetzt wenn es nicht gewesen wäre
Junger Mann:
wer weiß
Älterer Mann:
wir fragen was war
wir fragen nicht was ist
wir fragen was sein wird
wir fragen wir alle
Junge Frau:
wenn wir nicht fragen was dann
Junger Mann:
wird es wieder sein
Ältere Frau:
wird es wieder wie es war
Älterer Mann:
es wird nicht mehr sein wie es war
Ältere Frau:
es wird immer sein mit uns
Junger Mann:
wir werden es immer wissen
Junge Frau:
können wir wieder zurück
Ältere Frau:
es ist nicht wiedergutzumachen
wir werden es immer gewesen sein
wir werden uns immer fragen
es wird immer sein wie es ist
wir waren es wenn auch nicht nur wir
wer es weiß wird fragen
wer es war wird immer fragen
was wir wollten wissen wir nicht
wir wissen was war
was war wird sein was gewesen ist
was wir wollten wird nicht gewesen sein
was wir wollten wird sein wenn wir es tun
wenn wir es getan hätten würde es sein
wir haben es nicht verhindert
Junger Mann:
wir waren es
aber was haben wir damit zu tun
Junge Frau:
wir haben damit zu tun
wir fragen uns
Ältere Frau:
wir fragen uns
wir wissen wer es war
Älterer Mann:
wir waren es
Ältere Frau:
wir waren es
wir wussten nichts
aber wir waren es auch
Junge Frau:
wir waren es
wir haben es nicht verhindert
Junger Mann:
hätten wir es verhindern können
Älterer Mann:
wir haben es nicht gewollt
Ältere Frau:
warum haben wir es getan
Junge Frau:
wir waren es nicht allein
Älterer Mann:
wir waren es auch
warum wir
warum immer wir
Junge Frau:
warum immer wir
Junger Mann:
warum immer wir
Ältere Frau:
warum immer wir
Junge Frau:
wer weiß überhaupt warum das alles
2. hommage an den club der invaliden
Darstellendes Subjekt:
wir – stehen auf der bühne der einsamkeit
wir – betrachten die sonne die nicht scheint
wir – lieben unseren nächsten und elefanten
wir – saugen die feuchtigkeit aus der ewigen nacht
wir – spielen mit dem wort jetzt und in ewigkeit
wir – denken zurück an den mord an uns selbst
wir – betreiben geschäfte am rand der selbstbefriedigung
wir – freuen uns an der unerträglichen wärme des nichts
wir – reisen in die gedanken der feindlichen schlacht
wir – bilden sätze um die fehlende idee zu stopfen
wir – halten uns fest an der brust der gescheiterten zeit
wir – laufen die insel ab auf der wir nicht sind
wir – erwarten theater mit krönendem eierkuchen
wir – verlieren geduld durch die quälende gleichgültigkeit
wir – nehmen das loch an vor dem der orgasmus wartet
wir – schreien nach harlekins unterwäsche im schnee
wir – berühren das urbild der riesigen frau
wir – verlangen das geld ohne wiedersehensagen
wir – suchen zusammenhänge wo keine sind
wir – verwechseln tragödie mit der komödie in uns
wir – kämpfen seite an seite für kalbshirn im kopf
wir – befreien den menschen aus dem absurden abseits
wir – tragen verantwortung zum brunnen der weichgekochten lust
wir – beleben den sinn der sinnlosen sinnlosigkeit
wir – überfahren die literatur mit grotesker gestalt
wir – verlieben uns einmal und zweimal so grün
wir – zerhacken die todesstrafe zu geilem saft
wir – gehören uns selbst wie das ohr des geschwängerten rindes
wir – werfen alles in die schublade der gottesallgegenwiderwärtigkeit
wir – glauben dem wort des kohlrübenkauend verwitterten dichters
wir – fliegen zum längst in den abgrund stürzenden mond
wir – bleiben sitzen wo der sondermüll gähnend heranwächst
wir – loben den tag vor der sprachlichen hirnmeuchelei
wir – vergasen die reste des schmutzes im festlichen herbst
wir – denken nach über uns und gott und das fett in der tiefkühltruhe
wir – schwimmen weit bis zum meer was wir niemals erreichen
wir – zerreißen das stück das wir sehen bis zur unkenntlichkeit
wir – hören auf und beginnen von vorn auf dem mast
wir – entdecken den weg aus dem raum der stinkenden zumutung
wir – erlauben uns scheren mit goldenen spitzen
wir – übertreiben die gier wenn der vogel ohne ausnahme lacht
wir – verdrängen die schleichende krankheit aus der dose der einheit
wir – sperren den sackkrebs in ein luftschloss aus stahl
wir – zerkauen die freiheit bis das kondom sich abschafft
wir – gehorchen dem wahnsinn des ledigen wals
wir – unterstreichen den strich unter dem strichmädchen
wir – trinken demut in roten backen zerwühlt
wir – beten der aschfahle himmel möge die kräfte bereichern
wir – fangen knaben aus esslust im licht der natur
wir – sagen sauerkraut weil uns nichts besseres einfällt
wir – flüchten brüllend sobald die vorstellung aus ist
wir – erkennen im nebel uns selbst wie die butter gelb ist
wir – erfrieren im topf voll zerschossener notwendigkeit
wir – begrüßen den strammen beweis nach dem krieg
wir – vergöttern bretter wenn sie die welt bedeuten
wir – singen frieden für antike verwesung und brot
wir – drücken uns aus im trauma des wehenden kreuzes
wir – fließen wie lyrik über pestbeulen ohne verstand
wir – nehmen ernst was nicht ernst gemeint ist
wir – stellen die heiligen bananen in den regen bis er braun wird
wir – schlafen in der nähmaschine um der regel zu entgehen
wir – besinnen uns auf die teebeutel der guten alten gewohnheitsfossilien
wir – verpflichten uns auf drei jahre sauna ohne ablass
wir – decken die gicht aus dem durch fragen zerlöcherten bauch heraus
wir – küssen einander im zirkus der erbrochenen scheinheiligkeit
wir – erben den schwachsinn der kulturrevolution durch die spritze
wir -sterben verlässlich verlassen verlassend den fisch
wir – braten die sterne in der raserei unserer augenhöhlen
wir – entschuldigen uns für den ablauf der erstarrten sekunde
wir – bestaunen kulissen die niemand aufstellen wird
wir – töten die liebe mit der gelbsucht des weinens
wir – hoffen auf die sehnsucht des endenden schauspiels
wir – martern die köpfe mit nägeln und schrankwänden
wir – trommeln auf göttlichen feldflaschenhaltern
wir – laufen aus wie der brei im schädel des wütenden künstlers
wir – zersetzen die kunst die nicht vorhanden ist
wir – wiederholen den schaden im kreis der erlösung
wir – haften für buchstaben ohne gebrauchsanweisung
wir –
wir – erinnern uns an den club der invaliden
3. katharsis
Chor:
katharsis
reinigende befreiung
von den bei der betrachtung der tragischen ereignisse erregten affekten
furcht und mitleid
4. steinigung
Weiblicher Teil des Chores:
steinigung
Männlicher Teil des Chores:
wir wollen wort und spiele
5. open end
Transparent der religiösen Fanatiker:
WER OHNE SÜNDE IST WERFE DAS ERSTE WORT
***
Regieanweisungen:
1. Akt :
Auf der Bühne geschieht und befindet sich nichts.
2. Akt :
Das darstellende Subjekt steht mitten auf der Bühne, unbeweglich und mit dem Rücken zum Publikum; es zeigt dem Publikum auf keinen Fall das Gesicht.
Die Lücke zwischen dem einleitenden „wir“ und dem ersten Verb jedes Satzes ist als deutlich hervorgehobene Sprechpause gemeint.
3. Akt :
Auf der Bühne geschieht und befindet sich nichts.
Der Chor steht hinter dem Publikum und wiederholt den Text fortwährend auf eine für Publikumsohren harmonische Art und Weise.
Hostessen gehen durch den Zuschauerraum und machen vor jedem der Gesichter eine Handbewegung, als wollten sie einen Schleier entfernen.
4. Akt :
a) Das darstellende Subjekt steht mitten auf der Bühne, unbeweglich und mit dem Rücken zum Publikum. Es zeigt dem Publikum auf keinen Fall das Gesicht.
Der Chor steht hinter dem Publikum und wiederholt den Text fortwährend auf eine lauthals das Publikum anfeuernde Art und Weise.
b) Eingeweihte aus dem Publikum beginnen, dem darstellenden Subjekt irgendwelche Wörter an den Kopf zu werfen. Der uneingeweihte Teil des Publikums soll dazu veranlasst werden, sich an dieser „Steinigung“ zu beteiligen.
Das darstellende Subjekt macht Bewegungen, als ob es von den Wörtern getroffen wird.
c) Das darstellende Subjekt dreht das Gesicht zum Publikum. Das Gesicht besteht aus einer formlosen Maske mit der für das Publikum deutlich lesbaren Aufschrift IHR.
d) Das darstellende Subjekt bricht zusammen.
e) Das darstellende Subjektwid von Hostessen von der Bühne getragen.
5. Akt :
a) Religiöse Fanatiker stürmen den Saal, besetzen die Bühne und rollen das Transparent aus.
b) Die Hostessen verhandeln mit den religiösen Fanatikern.
c) Der Chor versucht das Publikum mit einem Lied von dem Vorfall abzulenken. Das Publikum bestimmt mit seiner Reaktion das Ende der Vorstellung.