PROLOG
Seid mir willkommen, liebe Leute!
Ihr werdet sehn und hören heute
das Stück von Basti, der sich nennt
Alienus, weil er das nicht kennt,
was unter Heimat wir verstehn.
Drum muss er immer weitergehn:
kommt er, wandernd von Ort zu Ort,
wo an, ist er bald wieder fort.
Er reist nicht nur durch dieses Land:
die ganze Welt ist ihm bekannt!
Kennt Orte auch der Phantasie,
aus Märchen und Mythologie,
reist durch die Zeit, durch Lit‘ ratur –
das kann man als Fiktivfigur!
Doch heute reist Basti nicht rum –
Bedaure, liebes Publikum!
Die ganze Handlung: unser Held
ist müde, doch er hat kein Geld,
Körper und Geist mit Schlaf zu nähren
und in ein Gasthaus einzukehren.
So ist es nötig, ihr verzeiht,
dass ihr ihm etwas Pinke leiht,
bevor die Handlung weitergeht.
Ich hab kein Geld! – Nun, es wird spät.
Wollt ihr das Stück sehn bis zu Ende?
So bitt ich um ne kleine Spende!
Ah, da steht auf ein guter Mann,
so dass ich mich verdrücken kann.
Ich wünsch euch allen viel Vergnügen,
und du magst reichlich Knete kriegen!
ERSTE SZENE Basti. Ein Zuschauer.
Z Wie heißt du, mein Freund?
B Ich nenne mich Alienus, Herr Zuschauer. Das heißt auf Latein Der Fremde und passt auf mich, weil ich komme von nirgendwoher und gehe überallhin.
Z Nun, Herr Alienus-
B Sagen Sie Basti zu mir. So nenne ich mich auch, weil nicht jeder ist so intellektuell und spricht Latein.
Z Nun, Herr Basti, hier sind fünfzig Mark. Ich schenke sie Ihnen. Was sagen Sie jetzt?
B Dankeschön.
Z Dankeschön? Ist das alles? – Hat man so etwas schon mal erlebt? Ich in meiner unendlichen Großzügigkeit schenke dieser heruntergekommenen Kreatur fünfzig Mark, und alles, was ich dafür bekomme, ist ein Dankeschön.
B Nu, Herr Zuschauer, da Sie mit EINEM Dankeschön nicht zufrieden sind, will ich Ihnen noch ein paar dazugeben. An Dankeschöns hab ich einen so großen Vorrat, dass, würde der sich in ein Weinfass verwandeln, ich dies nicht vom Fleck bekäme, oder um es vom Fleck zu bekommen erst austrinken müsste, aber mich dann ganz sicher totgesoffen haben würde.
Z Ich will keine Dankeschöns, ich will, dass Sie vor all den Leuten meine unendliche Großzügigkeit in den Himmel loben und für mich und meine unendliche Großzügigkeit einen tosenden Applaus fordern.
B Nu, Herr Zuschauer, das erstere ist ganz sicher keine gute Idee, weil Ihre unendliche Großzügigkeit in den Himmel loben hieße, sie von der Erde zu entfernen und einem starken Wind auszusetzen, weil im Himmel soll es ganz fürchterlich ziehen. Und wenn sie sich dort oben nicht verfliegt, was schade wäre, weil dann wäre sie weg, so wird sie sich doch ganz sicher den Tod holen.
Z So fordern Sie doch wenigstens den tosenden Applaus!
B Was den Applaus anbelangt, so ist auch das keine gute Idee, weil für Sie und Ihre unendliche Großzügigkeit einen tosenden Applaus fordern hieße, den Zuschauern schon zu Beginn der Aufführung das bisschen Applaus wegzunehmen, das sie mitgebracht haben, um es mir und meiner beschränkten Wenigkeit zum Schluss der Aufführung zu geben, auch ohne dass ich es von ihnen gefordert haben werde.
Z Unverschämte Kreatur! Gib mir auf der Stelle meine fünfzig Mark zurück und das Geld für den Eintritt.
B Ich kann Ihnen IHRE fünfzig Mark nicht zurückgeben, weil das sind jetzt MEINE fünfzig Mark, die Sie mir geschenkt haben. Und was das Geld für den Eintritt anbelangt, so haben wir das Geld zwar bekommen, aber Sie noch nicht den Ein-Tritt!
ZWEITE SZENE Basti.
B Nu, Herr Zuschauer, wären Sie so bescheiden wie Sie großzügig sind und wäre Ihr Antritt zum Rücktritt gleich nach Ihrem Auftritt erfolgt, würde ich mich nicht gezwungen gesehen haben, mit einem Eintritt durch meinen Austritt Sie zu Ihrem Abtritt zu bewegen! – Aber zugegeben, der Eindruck, den er mir hinterließ war besser als der, dem ich seinen Hintern ließ. – Fünfzig Mark! jetzt muss ich nur noch für meinen Magen, mich und meine müden Glieder ein ordentliches Gasthaus finden. Leider kenne ich mich in dieser Gegend überhaupt nicht aus. Wenn ich wüsste, wo ich hier bin- – Wie bitte? Im Theater? Danke, Sie haben mir sehr geholfen! Ein bisschen Sinn fürs illusionistische erwarte ich schon von einem regelmäßigen Theaterbesucher, der Sie doch hoffentlich sind!
DRITTE SZENE Basti. Der Aussteiger.
B Nu, da kommt jemand, der so aussieht als wüsste er, wo wir sind und wie weit es bis zum nächsten Gasthaus ist. – Guter Mann! Guter Mann! – Mir scheint, er will mich nicht hören. – Guter Mann!
A Rühr mich nicht an, du- du Mensch!
B Mensch ist eine Beleidigung, die ich mir gefallen lasse. – Der Mensch heißt Basti. Und der?
A Ich bin kein Mensch. Ich habe dem Menschsein entsagt, weil mir die Menschen zuwider sind. Ich habe mich hierher zurückgezogen, um für immer dem zivilisierten Menschentum fernzubleiben.
B Nu, Herr- Aussteiger, können Sie sich dennoch erinnern, wo sich die nächste menschliche Zivilisation befindet, die mit einem Gasthaus ausgestattet ist? Was nämlich mich anbelangt, so bevorzuge ich trotz einer kritischen Haltung gegenüber dem sogenannten zivilisierten Menschentum ab und zu ein warmes Bett.
A Wie kann man an ein warmes Bett denken, während die Welt zugrunde geht!
B An ein warmes Bett denke ich immer, wenn ich nicht in einem liege. und was die Welt anbelangt, so geht die von meinem kleinen Nickerchen nicht mehr und nicht weniger zugrunde.
A Du Egoist! Du denkst nur an dein Wohlbefinden.
B Nu, Herr Aussteiger, wenn ich erstmal ausgeschlafen bin und mich so richtig wohl befinde, dann werde ich gleich nach Sonnenaufgang dem Weltuntergang entgegenwirken, indem ich ein bisschen Menschlichkeit mitten unter die Zivilisation streue, weil welchen Nutzen hätte mein bisschen Menschlichkeit in einer Einöde wie dieser?
A Menschlichkeit. Lächerlich! Welche großartigen Taten der Menschlichkeit kannst du vollbringen?
B Nu, ich weiß nicht ob es eine so großartige Tat ist, mit einem armen Kerl von der Straße mein Frühstück zu teilen, aber ganz sicher weiß ich, wie ungern ich bei meinen Mahlzeiten ohne Gesellschaft bin und wie ungern auch ein armer Kerl den Tag mit einem leeren Magen beginnt.
A Was willst du damit sagen, Mensch?
B Nicht mehr und nicht weniger als dass ich dich einlade mit mir zu kommen und nach einem kleinen Nickerchen eine ordentliche Mahlzeit auf meine Rechnung einzunehmen.
A Egoistischer Verführer! Geh mir aus den Augen, du Ausgeburt der Menschlichkeit. Ich will mit dir und deinesgleichen nichts mehr zu schaffen haben.
B Ich würde ihm ja gerne diesen Wunsch erfüllen und weitergehen, wenn ich wüsste- Oh, er ist mir zuvorgekommen.
VIERTE SZENE Basti. Die Reisende.
B Hoffentlich sind hier auch Menschen, die aller Zivilisiertheit zum Trotz noch menschlich genug sind, um sich dafür zu halten. Nu, die sieht doch ganz menschlich aus. – Gute Frau!
R Junger Mann!
B/R Wissen Sie, wo ich in dieser Gegend ein Gasthaus finde?
R Sie sind hier auch fremd?
B Ja, und ebenso verzweifelt wie Sie auf der Suche nach einem Gasthaus. Aber wie es im Moment aussieht, werden wir auf dem freien Feld übernachten müssen, weil jeder der hier vorbeikommt weiß entweder nicht, wo sich eines befindet, oder er will es einem nicht verraten.
R Ich auf dem freien Feld übernachten? Unmöglich! Wenn man mir mein Gepäck stiehlt!
B Gepäck? Welches Gepäck?
FÜNFTE SZENE Basti. Die Reisende. Ihr Diener.
R Da bist du ja endlich, du Schnecke! Wie soll ich jemals ankommen, wenn du immer so lange brauchst!
D Bitte vielmals um Entschuldigung, gnädige Frau. Machen Sie hier Rast, gnädige Frau?
R Ja, aber du brauchst das Gepäck gar nicht erst absetzen, es kann jeden Augenblick weitergehen.
D Bitte vielmals um Entschuldigung, gnädige Frau, aber wenn gnädige Frau erlauben-
R Ich erlaube nicht! Ich warne dich. Wenn du das Gepäck auch nur für einen Augenblick absetzt, kannst du sehen-
SECHSTE SZENE Basti. Die Reisende.
R Wo du bleibst- Junger Mann, falls Sie Arbeit suchen, es ist soeben eine Stelle frei geworden.
B Nu, Frau Reisende, was ich im Moment mehr brauchen kann als Arbeit, ist Schlaf-
R Ich zahle gut.
B Nu, mit mehr Geld kann ich mir den auch nicht kaufen.
R Aber ich kann mein Gepäck unmöglich selber tragen!
B Es sieht ganz sicher so aus, als hätten Sie ein bisschen zu viel auf die Reise mitgenommen. Was mich anbelangt, so bevorzuge ich es, nur so viel bei mir zu haben wie ich selber tragen kann.
R Was soll ich machen?
B Lassen Sie das Gepäck hier.
R Sind Sie verrückt?
B Die viel zu tragen haben, aber wenig besitzen, werden es mitnehmen.
R Glauben Sie, ich habe das ganze Zeug bis hierher mitgeschleppt, um es irgendwelchen Landstreichern zu überlassen?
B Nu, genau genommen haben Sie das Zeug nicht bis hierher geschleppt, und ob Sie mich gut bezahlen, um es von hier weg zu kriegen, oder es ein paar armen Kerlen überlassen und mit dem gesparten Geld neue Sachen kaufen, läuft auf dasselbe hinaus.
R Sie haben Recht! Sagen Sie, junger Mann, wollen Sie mich dennoch auf meiner Reise begleiten?
B Nu, ich würde ganz sicher wollen, aber es gibt drei Gründe, warum das unmöglich ist.
R Und die wären?
B Nu, erstens würden wir die Einheitlichkeit der drei Einheiten Ort, Zeit und Handlung nicht einhalten, und die müssen wir einhalten, weil das was die Zuschauer hier sehen, ist ein gutgebautes Stück. Zusammen diesen Ort verlassen hieße gegen die Einheit des Ortes verstoßen, weil wir würden, wenn wir von hier fortgingen, ganz sicher woanders hinkommen und folglich an einem anderen Ort sein. Gleichzeitig würden wir gegen die Einheit der Handlung verstoßen, weil die ganze Handlung soll darin bestehen, dass ich vergebens darauf warte, dass mir jemand den Weg zu einem Gasthaus zeigt, und wenn ich weitergehe, warte ich nicht, sondern verstoße außerdem noch gegen die Einheit der Zeit, weil diese ist nur einheitlich, wenn sie stehenbleibt, und die Zeit bleibt nur stehen, wenn ich selber stehenbleibe, um sie irgendwie totzuschlagen.
SIEBTE SZENE Basti. Die Reisende. Der Hektiker.
H Halten Sie mich nicht auf! Halten Sie mich nicht auf!
B Der Einzige der irgendetwas aufhält sind Sie.
H O Gott! Wissen Sie, wieviel Zeit meines kostbaren Lebens ich verschwendete, während Sie diesen Satz sagten?
B Nu, das weiß ich nicht, aber ich weiß ganz sicher, dass Sie gleich noch mehr von Ihrer kostbaren Zeit verschwendet haben werden, weil das ist schon der zweite Satz und der ist mindestens doppelt so lang wie der erste.
H O Gott, diese Zeitverschwendung!
B Sie haben wohl viel zu tun?
H Bloß nicht!
B Warum haben Sie es dann so eilig?
H Je mehr Zeit ich spare, desto länger lebe ich.
B Nu, das mag vielleicht stimmen, aber ganz sicher werden Sie, so lange Sie sich so durchs Leben hetzen, nicht viel er-leben, weil alles was Sie erlebt haben werden ist, wie Ihnen die Zeit davongelaufen ist.
H Die Zeit ist mir davongelaufen? O Gott! Meine kostbare Zeit! Ich muss sie sofort einholen.
ACHTE SZENE Basti. Die Reisende.
R Und der zweite Grund?
B Der zweite Grund ist, dass in einer der nächsten Szenen eine andere weibliche Rolle vorkommt, und wir haben nur eine Schauspielerin.
R Eine andere weibliche Rolle? Sind Sie sicher?
B Ganz sicher. Schauen Sie im Text nach.
R Tatsächlich.
B Und außerdem ist es mir drittens nach dem Willen des Autors nicht gestattet – schauen Sie nach, im Prolog steht es – in diesem Stück überhaupt zu reisen, und als Hauptfigur habe ich eine gewisse Verpflichtung gegenüber dem Autor.
R Ich finde die Stelle nicht-
B Hier steht es- „Doch heute reist Basti nicht rum / Bedaure, liebes Publikum!“ Sehen Sie, als Hauptfigur verbietet es mir die Ehre-
R Der Autor kann stolz auf Sie sein.
B Nu ja-
R Man findet in den Stücken heutzutage selten einen Protagonisten, dem seine Ehre über alles geht. Früher, da ging es in neun von zehn Stücken nur um seine Ehre. Vor allem in Tragödien.
B Nu, und dieses Stück ist eine Tragödie.
R Eine Tragödie? Aber hier steht ganz eindeutig Komödie. Und wird im Publikum nicht andauernd gelacht?
B Nu, für den Autor und die Zuschauer ist es ganz sicher komisch, wie ich todmüde hier herumstehe und um meinen Schlaf komme, während das Publikum spätestens nach dieser Szene einschläft und der Autor über seinem neuesten Stück. Also für mich ist es eine Tragödie.
R Sie Armer! Wenn ich etwas für Sie tun kann-
B Das Beste ist, Sie gehen weiter, damit die Handlung dasselbe tut und die Zuschauer nicht.
R Warum schieben wir nicht, um die Zuschauer beziehungsweise ihre Geister wiederzubeleben, eine musikalische Darbietung ein?
B Nu, Frau Reisende, schieben Sie ein was Sie wollen, und ab wann Sie wollen, aber lassen Sie mich jetzt auch etwas schieben, nämlich eine ruhige Kugel, weil ich will mich ein bisschen aufs Ohr legen. Und wenn ich auf dem Ohr liege,willich gerne auf dem anderen der Musik lauschen, welche ganz sicher den Geist des Publikums weckt, meinen aber hoffentlich einschläfert.
NEUNTE SZENE Basti. Die Musikanten.
ZEHNTE SZENE Basti. Der falsche Prophet.
B Nu, da hat tatsächlich jemand das Gepäck mitgenommen und obendrein mein Bündel. Sehr konsequent! Wenigstens die fünfzig Mark sind mir geblieben.
P Ein junger Kerl auf Reisen ohne Gepäck mit losen fünfzig Mark in der Tasche. Das perfekte Opfer. – Junger Mann!
B Falls Sie auf Reisen sind und mich fragen wollen, wo das nächste Gasthaus ist- Ich weiß es nicht.
P Kennst du Jesus Christus?
B Ist das nicht der, der schon als ganz kleines Kind so ein ähnliches Problem hatte wie ich jetzt? – Nu, sagen wir-
P Du kennst ihn nicht? Weißt du nicht, dass Jesus Christus für dich am Kreuz gestorben ist?
B Nu, was mich anbelangt, so habe ich ihn nicht darum gebeten.
P Aber Jesus Christus lebt! Er ist von den Toten auferstanden, um dich auf den richtigen Weg zu führen.
B Es ist sehr freundlich von ihm, dass er sich so viel Mühe macht, mich zum nächsten Gasthaus zu bringen. – Das beweist, wie sehr ein Kindheitstrauma einen Menschen prägt.
P Und mich hat er zu deinem Führer erwählt, zu seinem Stellvertreter.
B Das leuchtet mir ein. Nachdem man eben erst von den Toten auferstanden ist, wird man kaum so rüstig sein, um einen Fußmarsch anzutreten. Nu, Herr Stellvertreter, dann führen Sie mich mal, ich folge Ihnen.
P Aber steht in der Bibel nicht geschrieben: „Es ist leichter, dass ein Kamel durch ein Nadelöhr geht, als dass ein Reicher eingeht in das Reich Gottes!“ – Lukas achtzehn fünfundzwanzig.
B Und was heißt das?
P Dass der Weg zum Reich Gottes fünfzig Mark kostet.
B Dachte ich mirs doch, dass die Sache einen Haken hat. – Nu, Herr Stellvertreter, wenn der Weg zum Reich Gottes fünfzig Mark kostet, und Gott wohnt, wie man mir gesagt hat, sehr weit oben irgendwo im Himmel, dann kann der Weg zum nächsten Gasthaus nicht allzu teuer sein.
P Aber der einzig richtige Weg ist der Weg zu Gott.
B Ganz sicher ist das ein Umweg. Kennen Sie keine Abkürzung?
P Willst du Jesus Christus auf seinem Weg folgen oder nicht?
B Natürlich will ich das. Aber dürfte ich vorher den Chef persönlich sprechen? Vielleicht kann ich mit ihm einen Rabatt aushandeln.
P Der Kerl treibt mich zum Wahnsinn! – Blasphemie! Du willst mit Jesus Christus um dein Seelenheil feilschen? Tu Buße und gib mir fünfzig Mark, damit ich sie im Namen Gottes an einen armen Kerl weitergebe.
B Die Mühe kann ich Ihnen ersparen. Ich habe den direktesten Draht zu einem armen Kerl und werde ihm das Geld selber geben, nämlich mir.
P Hol dich der Teufel! In der Hölle sollst du schmoren! – An so einem geht ein ganzer Berufszweig zugrunde.
ELFTE SZENE Basti. Die Dame in rosa.
B Dieser Jesus sollte viel sorgfältiger sein in der Wahl seiner Stellvertreter.
D Hoppala! Diese verdammten Schuhe. Man kann einfach nicht in ihnen laufen.
B Nu, Schuhe sind in erster Linie dazu da, um in ihnen zu laufen. Warum ziehen Sie keine anderen an, wenn diese ihren Hauptzweck nicht erfüllen?
D Mein Mann liebt Pömps. Er sagt, in Pömps gefalle ich ihm besser.
B Aber wenn Sie nicht in ihnen laufen können-
D Mein Geliebter liebt auch Pömps. Ich hasse Pömps. Aber mein Geliebter sagt, in Pömps sehe ich sexy aus.
B Aber hier in der Einöde müssen Sie doch niemandem gefallen.
D Das ist wahr, aber meine anderen Schuhe passen nicht zu dem rosa Kostüm.
B Und wenn Sie etwas anderes anziehen?
D Mein Mann liebt rosa. Mein Geliebter sagt, himmelblau macht ihn mehr an. Ich war mir nicht sicher ob ich heute das rosa Kostüm anziehen soll oder ein himmelblaues Kleid. Was hätten Sie mir geraten?
B Nu, ich weiß nicht, ich bevorzuge eher Farben wie grün, schwarz oder weiß.
D Grün? Schwarz und weiß? Das ist wahr, diese Farben kleiden mich womöglich besser als rosa oder himmelblau. Was raten Sie mir? Grün, schwarz oder weiß?
B Welche Farbe gefällt Ihnen?
D Mir? Darüber habe ich noch gar nicht nachgedacht.
ZWÖLFTE SZENE Basti. Die Dame in rosa. Ihr Mann.
M Schatz, wir sollten uns aussprechen.
D Wir haben lange keine ernsthafte Auseinandersetzung mehr geführt. – Mein Mann. Mein Geliebter sieht wesentlich besser aus.
M Komm, setzen wir uns.
D Wohinß
M Hierher, auf den Bühnenrand. Da kann man die Beine so schön baumeln lassen.
D Das ist wahr.
M Sag mir ganz ehrlich, was passt dir in unserer Ehe nicht?
D Ganz ehrlich?
M Ganz ehrlich.
D Wirst du mir auch nicht böse sein, wenn ich es dir sage?
M Ganz bestimmt nicht.
D Du vernachlässigst mich.
M Ich vernachlässige dich?
D Genau. Und du hörst mir nie zu, wenn ich mit dir rede.
M Das ist nicht wahr! Du vernachlässigst mich! Du bist kaum noch zu Hause!
D Ich kann sagen was ich will, immer bist du mit deinen eigenen Gedanken beschäftigt!
M Kein Wunder, dass wir nie die Zeit finden, uns auszusprechen, wenn du ständig abwesend bist!
D Alles was dich an mir interessiert ist, wie ich angezogen bin!
M Und die Wäsche wäscht sich auch nicht von allein. Überall liegen dreckige Höschen von dir rum!
D Aber wenn ich dir was erzählen will, hörst du mir nicht zu!
M Habe ich dir nicht hundert Mal gesagt, dass ich es nicht leiden kann, wenn du deine Höschen in der Gegend ausziehst? Wozu haben wir uns einen Wäschekorb angeschafft?
D Neulich als ich dir erzählen wollte, dass wir den Klempner bestellen müssen, weil-
M Wenn du deine Höschen öfter waschen würdest, bräuchten wir den Wäschekorb nicht einmal!
D Weil die Waschmaschine schon seit Wochen nicht mehr funktioniert, hast du nur Jaja gesagt, ohne auch nur ein Wort von dem zu begreifen, was-
M Wozu haben wir uns eine Waschmaschine angeschafft?
D Wegen dir ist unser ganzes K.B.F.N.I.E.H – Kollektives Budget für Notfälle im ehelichen Haushalt – für neue Unterwäsche draufgegangen!
M Die war teuer genug, also benutze sie auch!
D Natürlich benutze ich sie auch! – Ich sage ja, alles was ihn an mir interessiert ist meine Unterwäsche. – Ich habe sie sogar überall in der Wohnung verteilt. Anders kann man dir ja nicht begreiflich machen, dass die Wachmaschine kaputt ist.
M Die Waschmaschine ist kaputt?
D Schon seit Wochen.
M Warum sagst du das jetzt erst? Ich muss sofort den Klempner bestellen.
D Typisch mein Mann. Sobald unsere Auseinandersetzung ein wenig ernsthaft wird, zieht er sich zurück. Mein Geliebter ist in dieser Hinsicht auch nicht viel besser.
DREIZEHNTE SZENE Basti. der Grenzposten.
B Guter Mann!
G Was wünschen Sie?
B Eine Auskunft. In welcher Richtung geht es zum nächsten Gasthaus? Danke.
G Halt! Hier ist eine Grenze. Um diese Grenze passieren zu dürfen, müssen Sie entweder die Ortsbürgerschaft dieses Ortes besitzen oder eine solche beantragen.
B Nu, Herr Grenzposten, dann würde ich gern die Ortsbürgerschaft beantragen, weil ich bin kein Bürger dieses Ortes. Wo und bei wem muss ich die Ortsbürgerschaft beantragen?
G Hier bei mir.
B Nu, Herr Grenzposten, dann beantrage ich hiermit die Ortsbürgerschaft dieses Ortes.
G Sind Sie Ortsbürger dieses Ortes?
B Nein, das sagte ich doch schon. Sonst bräuchte ich ja auch nicht die Ortsbürgerschaft beantragen.
G Tut mir leid, dann muss ich Ihren Antrag leider ablehnen. Laut dem neuesten Einwanderungsgesetz, das das derzeit regierende Ortsparlament kürzlich verabschiedet hat, muss man Ortsbürger dieses Ortes sein, um die Ortsbürgerschaft beantragen zu können.
B Verstehe ich Sie richtig? Um Bürger dieses Ortes zu werden, muss ich die Ortsbürgerschaft beantragen, aber um das zu dürfen, muss ich bereits Ortsbürger sein? Was soll dieses Gesetz für einen Sinn haben?
G Es ist eigentlich nicht meine Aufgabe, Gesetze auszulegen, aber wenn Sie mich schon fragen- Es hat den Sinn, unseren Ort vor Überfremdung zu schützen.
B Es hat wohl vor In-kraft-treten dieses Gesetzes eine große Einwanderungswelle gegeben?
G Das eigentlich nicht- Um ganz ehrlich zu sein, Sie sind der erste Fremde überhaupt, der jemals unsere Grenze passieren wollte. Aber unsere Regierung will vorbeugen.
B Apropos vorbeugen. Beugen Sie sich mal vor.
G Wieso?
B Ich will Ihnen etwas geben.
G Er will mich bestechen. Aber na warte, Bürschchen, wenn ich das Geld genommen habe, werde ich dich wegen Beamtenbestechung verhaften. – So?
B Ja, so ist es gut.
G Au! Das ist ein tätlicher Angriff auf einen Beamten im Dienst und Bürger dieses Ortes. Laut dem neuesten-
B Kommen Sie mir nicht mit Ihren Gesetzen. Hier gelten Ihre Gesetze nicht. Sie sind hier weder Beamter im Dienst noch Ortsbürger, hier sind Sie ein arbeitsloser illegaler Einwanderer, weil Sie haben dank Ihrer vorbeugenden Körperschaft fremdes Territorium betreten oder vielmehr sich in eines treten lassen. Und ich als einzige gesetzgebende und ausführende Gewalt dieses Ortes führe nun das einzig gegebene Gesetz dieses Ortes ein und mit aller Gewalt aus, nämlich das Gesetz das besagt, dass ein Schlagbaum von nun an nicht mehr der willkürlichen Trennung von Orten dienen soll, sondern wie der Name schon sagt, zum Schlagen!
G Au! Und ich dachte, Sie wollten mich bestechen!
B Warum sollte ich Sie bestechen, wenn ich Sie beschlagen kann?
G Dasselbe kann man von unserer Ortsregierung sagen mit ihren verdammten Gesetzesänderungen. – Ich schmeiß meinen Posten hin! Sollen sie doch lieber alle Grenzen abschaffen, dann gäbe es überhaupt keine Fremden mehr!
VIERZEHNTE SZENE Basti.
B Wenn das so weitergeht und ich noch einen von der Bühne prügeln muss, entwickelt sich das Stück am Ende zu einer derben Volkskomödie! – Lieber Deus ex Machina, nimm mir diese Furcht und hab Mitleid mit uns allen. Erscheine, auf dass dies Stück noch vor der Katastrophe beendet werde! – Musik! Der Gott aus der Maschine hat mich erhört!
Ich – denn an dieser Stelle bleibt das Stück nun stehen –
kann endlich bis zum nächsten Gasthaus weitergehen.
Das Publikum jedoch noch sitzenbleiben muss,
weil gleich folgt noch des Stückes allerletzter Schluss!
FÜNFZEHNTE SZENE Die Musikanten.
EPILOG
Das wars. – Nun dürft die Händ‘ ihr wagen
gegeneinander laut zu schlagen!