Am 28.4.1971 kam ich, ein Mädchen, zur Welt. Da ich physisch gesehen „Junge“ war, wurde ich folgerichtig als solcher erzogen. Ich habe darunter nicht gelitten, da ich weder das Bedürfnis hatte, etwas speziell „mädchen“-typisches zu tun noch gezwungen wurde, etwas explizit „jungen“-typisches zu machen. Im Rückblick ist mir aber bewusst geworden, dass ich als Kind mich Mädchen stets näher fühlte. Spielte ich mit Jungs, fühlte ich mich wie ein Außenseiter. Mit Mädchen zu spielen war für mich eher so, als wäre ich unter Gleichgesinnten. Natürlich war mir das damals nicht bewusst.
In der Pubertät hätte ich theoretisch erkennen können, dass ich ein Mädchen bin. Da meine Eltern und Großeltern sehr konservativ waren, und insbesondere meine Mutter und ihre Mutter jede von der gesellschaftlichen Norm abweichende Gender-Identität oder sexuelle Orientierung verteufelten, ließ mein Unterbewusstsein ein vorzeitiges Comingout nicht zu. Es „wusste“, dass die Liebe meiner Mutter und meiner Oma ausschließlich dem Jungen galt. Jedes Anzeichen von Weiblichkeit an ihrem „Sohn“ bzw. „Enkel“ wäre von ihnen unterdrückt und bestraft worden.
Ich hatte jedoch das Glück (?), dass solche Anzeichen gar nicht erst hochkamen und ich gar nicht erst damit bei ihnen in Konflikt geraten bin. Ich hatte z.B. nie den Wunsch, ein Kleid zu tragen. Ich versuchte vielmehr, eine betont klischeehafte Männlichkeit an den Tag zu legen; aber nicht in besonders rüpelhaftem Verhalten (ich war immer eher brav) oder cooler der damaligen Jungen-Mode entsprechende Kleidung, sondern trug in der Pubertät meist Kleidung, die eher zu alten Männern passen. Wollhosen mit Hosenträgern, altmodische Hemden und Schiebermütze. Ich sah aus wie eine Parodie auf einen Opa. Was meine Mutter übrigens ebenfalls aufgeregt hat.
Da ich überzeugt war, ein Junge zu sein, kam ich nicht auf die „Idee“, mich in einen Jungen zu verlieben. Ich verliebte mich in Mädchen, wobei ich auch da sehr nach dem Klischee ging. In die als besonders hübsch geltenden verliebte ich mich, weil es den anderen Jungs auch so ging. Ich ging aber nie davon aus, bei ihnen mit einem coolen und männlichen Auftreten punkten zu können. Ich erwartete, dass sie sich in mich verlieben, weil ich ein herzensguter „Gentleman“ war. Meine „Anmache“ wirkte ebenfalls wie die eines höflichen älteren Herrn.
Dass das nicht zum Erfolg führte, versteht sich. Aber ich denke, dass die Mädchen außerdem unbewusst wahrgenommen haben, dass ich ganz einfach kein Junge war. Auch später, nach dem Abitur und während dem Zivi, kam es nie zu einer Beziehung. Ich verliebte mich recht wahllos in jede, die ein wenig Interesse für mich zeigte, wobei das Interesse wohl nicht dem „Mann“ galt, sondern dem Menschen, mit dem man gut reden konnte wie mit einer Freundin. Letztlich also der Frau, von der ich selber noch nichts wusste. Und sobald ich direkter wurde, ihr meine „Liebe“ gestand, hieß es, dass ich „ein ganz besonderer Mensch“ sei, aber sie sei eben nicht in mich verliebt.
Meine natürliche Entwicklung hätte anders verlaufen müssen. Spätestens mit der Pubertät hätte ich erkennen müssen, dass ich ein Mädchen bin. Aber das hätte vorausgesetzt, dass ich von meinem Umfeld als Mädchen wahrgenommen und geliebt werden würde. Wäre es so gewesen, hätte ich zwar nicht unbedingt Röcke und Kleider tragen wollen, aber ich hätte wahrscheinlich erkannt, dass die anderen Mädchen trotz körperlicher Unterschiede meinesgleichen sind und die Jungs die anderen. Und womöglich hätte ein Junge mein wahres Wesen erkannt und sich in mich verliebt, und meine natürliche Neigung zum anderen Geschlecht wäre erweckt worden.
Mein sexuelles Erwachen sah so aus, dass ich mir Frauen in Katalogen anschaute, ausschließlich solche in Dessous und Nylons, mitunter auch nur Beine in Nylons, ohne die Frau. Dadurch bekam ich eine Erektion. Später onanierte ich auch dabei. Bezeichnend finde ich, dass ich mir nie Bilder nackter Frauen ansah oder den Wunsch nach solchen hatte. Wahrscheinlich hätten sie auch gar nicht die Wirkung gehabt wie die Dessous-Bilder. Ich nehme an, dass mich die Dessous angemacht haben und nicht die Tatsache, dass Frauen sie trugen.
Meine erste Freundin hatte ich erst mit Anfang oder sogar Mitte Zwanzig. Ich war sexuell sehr verkrampft, war zu einem langsamen Vorspiel oder überhaupt einem reinen Austausch von Zärtlichkeit kaum in der Lage; es musste immer und bald zum direkten Sex kommen. Es war wie ein krampfhaftes Bestätigen meiner Männlichkeit. Ich konnte auch nicht mit ihr in einem Bett schlafen, wenn wir zuvor keinen Sex hatten. Und richtig in Fahrt kam ich nur, wenn sie Dessous und Stöckelschuhe trug. Auch das interpretiere ich heute als eine Art Spiegelung. Ich begehrte nicht die Frau, sondern wollte sie sein. Die Dessous und Schuhe wollte ich selber tragen.
Später, als ich mir meiner weiblichen Identität bewusst war, hatte ich einige wenige Beziehungen mit Frauen. Sie alle hatten gemeinsam, dass ich zwar nicht wollte, dass sie sich wie ein Mann gaben, aber ich musste zum einen etwas weibliches an mir haben, Kleidung, Schuhe, Frisur u.ä., zum anderen wollte ich meist genommen werden, also der passivere Part sein. Auch brauchte ich das Bezeichnet werden als weibliches Wesen; entweder Kosenamen oder ein Mädchenname. Selten Janna, meist wollte ich bewusst jedes Mal anders heißen. Reizvoll fand ich besonders, wenn die Partnerin mich vorher frisierte, z.b. mir Zöpfe flocht oder seitliche Pferdeschwänzchen machte.
Wenn ich mich wegen der Beziehung mit einer Frau als lesbisch bezeichnet habe, so klang das für mich nie so richtig, nicht nur weil die Frauen sich nie so bezeichneten. Mir war unbewusst klar, dass ich letztlich eine ganz normale heterosexuelle Frau bin, und dass die Beziehung mit einer Frau nicht meinem natürlichen Wesen entsprang.
Ich weiß jetzt, warum ich mich lange nie ernsthaft auf einen Mann einlassen konnte. Selbst im Bewusstsein meiner weiblichen Identität hat meine Entwicklung lange Zeit verhindert, dass ich eine Beziehung mit einem Mann für natürlich hielt. Interessant ist, dass ich kurz nach meinem Comingout eine kurze Phase hatte, in der ich glaubte, doch ein Mann zu sein, und zudem schwul. In der Zeit verliebte ich mich in einen Mann und bemühte mich um ihn. Da ging es plötzlich. Zu einer Beziehung kam es nicht. Wahrscheinlich hat der Mann, der ja schwul war, gespürt, dass ich eine Frau bin…
Erst Mitte 2020 (glaub ich wars) verliebte ich mich so richtig in einen Mann und hatte eine kurze aber intensive Beziehung mit ihm. Mit ihm habe ich mich richtig ich gefühlt, eine Frau, und ich würde sagen, dass es die authentischste Beziehung war, die ich hatte. Trotzdem kehrte ich immer wieder zu den Frauen zurück, davor und auch danach. Mit der Zeit ist mir der große Zusammenhang bewusst geworden, warum das so ist.
Der Schlüssel liegt in der Pubertät. Das Mädchen hat unterbewusst die Botschaft aufgenommen, dass es nur geliebt wird, wenn es sich als Junge gibt, und Jungs verlieben sich nicht in Jungs. Dadurch bin ich, obwohl ich ein heterosexuelle Frau bin, auf Frauen als Partnerinnen geprägt worden. Allerdings ist die Frau, mit der ich eine Beziehung eingehen will, weniger Partnerin als Mutterfigur. Ich habe seit dem Bewusstwerden meiner weiblichen Identität nur Partnerinnen gehabt, die mindestens sieben Jahre älter waren.
Die Partnerin verkörpert die Mutter, Großmutter oder Tante, die ich in meiner Pubertät nicht hatte. Sie rehabilitiert mich nachträglich, indem sie mich Mädchen sein lässt, mir das Gefühl gibt, unbeschwert Mädchen sein zu dürfen und als solches liebenswert zu sein. Sie bestärkt mich in meinem weiblichen Selbstverständnis, indem sie mir „erlaubt“, Kleider und Röcke zu tragen und mir mein Haar feminin frisiert. Sie nennt mich bei (m)einem Mädchennamen, und wenn sie mich als „ihr Mädchen“ bezeichnet, entsteht in mir ein existentielles Glücksgefühl.
Sich als Mädchen zu fühlen ist ein zentraler Aspekt in dieser Art Beziehung. Auch wenn ich inzwischen erkannt habe, dass eine solches Verhältnis letztlich das Nachholen meiner „Mädchenzeit“ ist, die ich ja nie hatte, muss ich nicht im Rollenspiel eine Minderjährige darstellen. Überhaupt handelt es sich um kein Spiel, sondern um eine reales Verhältnis. Entsprechend sollte meine Vertraute im Idealfall tatsächlich reiferen Alters sein; zwischen 50 und 80 Jahre etwa. In dem Fall fühle ich mich ihr gegenüber als das Mädchen im Sinne einer erwachsenen jungen Frau. In gewisser Weise bin ich das tatsächlich, da ich erst seit meinem 30. Lebensjahr mir meiner weiblichen Identität bewusst bin. Man könnte also sagen, dass das Mädchen in mir 30 Jahre jünger ist.
Wichtiger noch als das Alter der Vertrauten ist ihr Status als Autoritätsperson. Sie darf und soll über mich bestimmen. So wie eine Mutter oder andere ältere Bezugsperson vermittelt sie mir nur dann das Gefühl, „ihr Mädchen“ zu sein, wenn ich mich ihren Wünschen unterordne und ihr gehorche. Die Frauen, die mich in meiner Kindheit und Pubertät als Jungen erzogen haben, waren Autoritätspersonen. Entsprechend muss die Frau, die nun das Mädchen im Nachgang „erzieht“, denselben Status haben.
Konkret ist die Frau, mit der ich eine Beziehung eingehen will und kann, mehr gute Freundin und Vertraute, und weniger Partnerin. Natürlich muss ich ihr zugeneigt sein und sie mir. Es muss ein vertrauensvolles und vertrauliches Verhältnis entstehen. Ich muss mich darauf verlassen können, dass sie ihre Autorität, die ich ihr real zugestehe, nicht missbraucht. Ihre Forderungen müssen das Liebevolle einer liebenden Mutter haben, nicht den Sadismus einer Domina. Generell hat diese Beziehung nichts mit BDSM zu tun, schon weil die sexuelle Komponente komplett fehlen darf.
Unser Zusammensein könnte sich darauf beschränken, dass ich sie gelegentlich besuche, bei ihr weibliche Kleidung trage und sie mich feminin frisiert. Im weiteren schlägt sie vor, was man machen könnte, ich ordne mich ihren Wünschen unter. Ich helfe selbstverständlich im Haushalt mit, und wenn die Vertraute etwas braucht, bin selbstverständlich ich es, die aufsteht und es holt. Dafür werde ich mit lieben Worten und unschuldigen Zärtlichkeiten belohnt.
Ja, Intimitäten zwischen der Vertrauten und mir kann es geben, aber sie sind unschuldiger Art: Küsschen auf die Wange, Kuscheln, mich in den Arm nehmen oder mit meinem Haar spielen. Das reicht mir aus, das ist die Intimität, die ich mir mit einer anderen Frau ersehne. Voraussetzung ist aber auch hier, dass es ausschließlich um die Wünsche meiner Vertrauten geht. Sie allein bestimmt, ob sie diese Intimitäten überhaupt will und wie weit sie gehen möchte.
Selbst wenn eines Tages der gegenseitige Wunsch bestünde, in einem gemeinsamen Haushalt zu leben, so blieben die Rollen dieselben. Das Heim wäre das meiner Vertrauten. Ich würde zu ihr ziehen, mein (Mädchen-)Zimmer haben und ihr gehorchen. Unsere Beziehung wäre keine Partnerschaft; ich wäre so etwas wie ihr Hausmädchen…
Ich habe lange darüber nachgedacht, wie eine solche Beziehung konkret aussehen und real gelebt werden kann. Ich bin zu dem Ergebnis gekommen, dass der Begriff „Hausmädchen“ das ganze gut zusammenfasst. Ich nenne es „Zofenverhältnis“. Ich suche keine Partnerin, sondern „meine Dame“, die mich als ihre Zofe annimmt.
Die Dame bestimmt über mich, ich als ihre Zofe diene ihr. Das Zofendasein beschränkt sich allerdings auf ihr Heim. Außerhalb dieses gilt das Zofenverhältnis nicht. Bin ich bei meiner Dame, darf sie über mich verfügen. Ich lebe für ihre Wünsche und Bedürfnisse und halte meine zurück. Es liegt nahe, dass ich die klassischen Tätigkeiten einer Zofe ausführe. Die Hausarbeit übernehmen, Bedienen, der Dame Gesellschaft leisten und für ihr körperliches Wohlgefühl sorgen wie z.b. eine Fuß- oder Rückenmassage. Auch „altmodische“ Dienste sind denkbar wie ihr beim Baden den Rücken einseifen, beim Ankleiden helfen oder sie frisieren. Entscheidend bei alledem ist, dass ich nur das mache was meine Dame will, und nichts was sie nicht möchte.
Vor allem den Grad der Intimität legt meine Dame ganz allein fest. Das Verhältnis kann konsequent frei von Intimitäten sein. Sie darf aber auch Intimitäten einfordern, Küsse, Liebkosungen, auch sexuelle Stimulation. Es findet ausschließlich nur das statt, was ihr in der Hinsicht gefällt und was sie befriedigt. Meine eigene sexuelle Erregung ent- und besteht innerlich; allein durch das Dienen, wobei es keine Rolle spielt, ob der Dienst intimer Natur ist oder nicht. Deshalb ist ein „keusches“ Verhältnis für mich ebenso befriedigend wie eines, das Intimitäten beinhaltet.
Ich unterscheide drei Stufen des Zofenverhältnisses. Die erste besteht darin, dass ich meine Dame besuche, wenn sie meiner bedarf. Die zweite Stufe beinhaltet, dass ich zu meiner Dame ziehe und eine „Kammer“ bewohne, um ihr umfassender dienen zu können. Die dritte Stufe ist das konsequente sich schenken; ich bin ganz an meine Dame und ihr Heim gebunden. Ich darf das Haus nur noch mit ihrer Erlaubnis verlassen und gehöre ihr in gewisser Weise.
Meine aktuellen Lebensumstände lassen derzeit nur Stufe Eins zu. In naher Zukunft wäre aber vielleicht auch Stufe Zwei möglich. Ob ich eines Tages tatsächlich Stufe Drei leben wollte, kann ich im Moment nicht sagen; die Sehnsucht ist jedenfalls groß…